Von der Physikotheologie zum Vitalismus? Transformationen des Verhältnisses von Naturforschung und Religion im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert

Von der Physikotheologie zum Vitalismus? Transformationen des Verhältnisses von Naturforschung und Religion im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert

Veranstalter
Interdisziplinäres Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Veranstaltungsort
Theologische Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Franckeplatz 1, Haus 30
Gefördert durch
Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung
PLZ
06110
Ort
Halle/Saale
Land
Deutschland
Vom - Bis
12.09.2021 - 15.09.2021
Von
Thomas Ruhland, Interdisziplinäres Zentrum für Pietismusforschung, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Die Erforschung der Physikotheologie als religionsgeschichtliche sowie naturkundliche Bewegung konzentriert sich auf die Zeit zwischen 1650 und 1750. Demgegenüber nimmt die interdisziplinäre Tagung physikotheologische Konzepte und Praktiken von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis ins 19. Jahrhundert in den Fokus und hinterfragt deren Langlebigkeit, Transformationen und Diskontinuitäten im Kontext von Vitalismus, Mesmerismus und romantischer Naturphilosophie.

Von der Physikotheologie zum Vitalismus? Transformationen des Verhältnisses von Naturforschung und Religion im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert

Die Erforschung der Physikotheologie als eine sowohl theologie- und im weiteren Sinne religionsgeschichtliche als auch naturkundliche Bewegung, die ihre Hochzeit zwischen 1650 und 1750 gehabt haben soll, befindet sich seit Längerem im interdisziplinären Interesse und wird aus unterschiedlichen fachwissenschaftlichen Perspektiven betrieben. Zum einen scheint es der interdisziplinäre Charakter der Physikotheologie selbst zu sein, der deren Beforschung fortlaufend befeuert, zum andern die unübersehbar starke Rezeption und Produktion physikotheologischer Akteure in diesen Jahren. Die Amalgamierung von Konzepten und Praktiken empirischer Naturforschung mit theologischen bzw. - im weiteren Sinne - religiösen Perspektiven und Debatten hatte aber die Zeitgenossen, insbesondere die protestantischen, an der Grenze zwischen Früher Neuzeit und beginnender Moderne ebenso stark umgetrieben wie deren aktuelle Erforschung in einem breit aufgestellten interdisziplinären Feld Raum greift.
Die hier anschließende interdisziplinäre Tagung „Von der Physikotheologie zum Vitalismus?“ verschiebt den Betrachtungszeitraum und den inhaltlichen Schwerpunkt hingegen auf die Prozesse der Transformation und Umgestaltung physikotheologischer Konzepte und Denkfiguren, Praktiken und Objekte in die Mitte des 18. Jahrhunderts und bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gefragt werden soll sowohl nach Kontinuitäten und der anhaltenden Wirkung als auch nach Diskontinuitäten und Transformationen von thematischen Feldern, die sonst kaum im Kontext der Physikotheologie zur Sprache kommen wie „aufgeklärter Vitalismus“ (P.H. Reill 2005), Mesmerismus, inmitten der aufklärerischen Debatten revitalisierte theosophisch-hermetische oder pansophische Modelle, die scheinbar zur Transmission der älteren Physikotheologie über 1800 hinaus bis in die sogenannte romantische Naturphilosophie und darüber hinaus beigetragen haben.

Die Tagung ist eine Präsenzveranstaltung mit begrenzter Personenzahl unter Einhaltung der geltenden Hygienevorschriften. Anmeldung wird erbeten bis 9.9.2021. Eine Online-Teilnahme ist möglich. Den Tagungslink erhalten Sie auf Anfrage.

Programm

Sonntag 12.09.2021

17.00 Eröffnungsvorträge

Kaspar von Greyerz (CH-Basel):
Erscheinungsformen der europäischen Physikotheologie im 18. Jahrhundert

und

Anne-Charlott Trepp (Kassel):
Sinn und Sinnlichkeit des Materiellen: Physikotheologische Praktiken und Diskurse im 18. und frühen 19. Jahrhundert

Montag 13.09.2021

I. Anschaulichkeit und Sammeln: Praktiken und Institutionen der Physikotheologie vor 1800

9.00-9.45 Thomas Ruhland (Halle):
Halle, Nordhausen, Barby. Die Bedeutung der Physikotheologie in den pietistischen Naturaliensammlungen des 18. Jahrhunderts

9.45-10.30 Simon Rebohm (Berlin):
Testaceologie und Conchylienkunde in der Leopoldina

11.00-11.45 Bernd Roling (Berlin):
Linnés Gottesgelehrte: Gustav Bonde, Carl Frederik Mennander und die Physikotheologie in Schweden

11.45-12.30 Julia Bloemer (München):
Empirie im Mönchsgewand. Naturforschung in süddeutschen Klöstern des 18. Jahrhunderts

II. Verhältnisbestimmungen zwischen Religion und Natur vor 1800

14.00-14.45 Julia A. Schmidt-Funke (Leipzig):
Wasserkunst und Erdentstehung. Johann Esaias Silberschlag (1721–1791) und seine Geogenie

14.45-15.30 Silke Förschler (Berlin):
Buffons Heilsversprechen der Naturgeschichte in der Histoire naturelle

16.00-16.45 Baptiste Baumann (Halle):
Von der Sinnesphysiologie zur ganzheitlichen Wahrnehmung: eine Form religiöser Bestimmung des Menschen 1770-1800

16.45-17.30 Damien Tricoire (Trier) / Andreas Pečar (Halle):
Theokratische Aufklärung? Gott und Natur in den Schriften französischer Philosophen des 18. Jahrhunderts

Dienstag 14.09.2021

III. Literarisierungen physikotheologischer Konzeptionen um 1800

9.00-9.45 Anett Lütteken (CH-Zürich):
Brüchige Synthese in unruhigen Zeiten: Johann Gottfried Herder, der „Linnéische Klassifikator“ und die „Astronomischen Predigten“

9.45-10.30 Annette Graczyk (Berlin):
Göttliche Hieroglyphe und Allegorie der Lebenskraft. Zwei frühe Literarisierungen von Friedrich Schiller und Alexander von Humboldt

11.00-11.45 Ursula Caflisch-Schnetzler (CH-Zürich):
„dass der Cörper Christi seine Wirksamkeit auf alle Atomen erstrekt“. Physikotheologie und Naturauffassung bei Johann Caspar Lavater

11.45-12.30 Felix Knode (Göttingen):
Idyllik als Ontographie. Zur Seelenlandschaft als Veranschaulichung von Daseinsstrukturen

14.00-14.45 Friedemann Stengel (Halle):
Physikotheologie und Vitalismus in der Theosophischen Aufklärung

14.45-15.30 Dominik Hünniger (Hamburg):
Von der Zeugungskraft zum Bildungstrieb? – Meta/Physik in der Diskussion um die Fortpflanzung bei Insekten, ca. 1730–1830

16.00-16.45 Tilman Schreiber (Jena):
Johann Heinrich Wilhelm Tischbein – „Mit Tigerreitz und Kraft“

16.45-17.30 Norman Kasper (Halle):

Wahre Fluten. William Bucklands deluviale Geologie im Spiegel ihrer deutschen Kommentatoren

Mittwoch 15.09.2021

V. Sub(til)materielle Kräfte in der Natur. Akteure, Konzepte und Debatten nach 1800

9.00-9.45 Sophie Ruppel (CH-Luzern/Basel):
Von Netzen, Ketten, Gradationen: Physikotheologische Grundlagen romantischer Naturwissenschaft bei Gottfried Reinhold Treviranus (1776–1837)?

9.45-10.30 Karl Baier (A-Wien):
Mesmers Naturverständnis mit Blick auf seine Rezeption im Magiediskurs der Romantik

11.00-11.45 Diethard Sawicki (Paderborn):
„Ueber das rechte Verhältniß des Magnetismus zur Religion“: Naturforschung, wunderbare Phänomene und Katholizismus 1820–1850

Kontakt

Anmeldung unter:
annegret.jummrich@izp.uni-halle.de
weitere Informationen unter:

https://izp.uni-halle.de/