Politisches Handeln von Frauen ist ein bisher kaum beachtetes Thema in der Geschichte der Habsburgermonarchie im „langen“ 19. Jahrhundert. Dass sich die „Neue Politikgeschichte“ mit ihrem ersten Charakteristikum eines breit gefassten, nicht auf den Staat und sein Personal verengten Politikbegriff in den letzten Jahren auch der Frauen- und Geschlechtergeschichte geöffnet hat, ist kein neuer Befund. Politik steht aus dieser Sicht für jenen Handlungsraum, „in dem es um die Herstellung und Durchführung kollektiv verbindlicher Entscheidungen geht, wobei der Raum des Politischen historisch jeweils unterschiedlich abgegrenzt und ausgestaltet worden ist“ (B. Stollberg-Rilinger). Themen, Akteur:innen und Medien des Kommunikationsraums des Politischen müssen als dynamisch und historisch variabel verstanden werden, um verstärkt soziale Gruppen mit, in der engen Definition, ausgesprochen begrenzter politischer Einflussnahme in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken. Frauen werden zu Handelnden der politischen Geschichte, indem einerseits politische Strategien im klassischen Sinne sichtbar gemacht werden, andererseits ihre bislang als „unpolitisch“ kategorisierten Aktivitäten als politische Artikulationsmöglichkeiten im weiteren Sinn verstanden werden (U. Frevert).
Für die Geschichte der Habsburgermonarchie vom späten 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert ist Glenda Slugas – mit Blick auf die International History beschriebener – Zugang des „add women and stir“ und damit das Unterfangen, neue Themen in das Forschungsfeld einzubringen, aber auch traditionellere Themen neu zu erzählen, bisher verhältnismäßig wenig nutz- und sichtbar gemacht worden: Die politischen Handlungsräume von Frauen in der Habsburgermonarchie fordern zu Darstellungen auf, die die althergebrachte Dichotomie von Öffentlichkeit und Privatheit weiter aufbrechen sowie den Umgang mit und das Verhandeln von geschlechterspezifischen Normen thematisieren.
Insofern wollen wir mit unserem Buchprojekt, das rezente, quellenbasierte Forschungen bündeln will, die Agency von Frauen aus unterschiedlichen sozialen Kontexten und geographischen Räumen der Habsburgermonarchie sichtbar machen. Damit verbunden ist nicht zuletzt die Hoffnung, einen Kontrapunkt zur auffallenden Beharrlichkeit der großen Narrative über die Geschichte der Habsburgermonarchie (P. Judson) zu setzen.
Wir sind themenoffen und freuen uns insbesondere über Vorschläge mit den folgenden Akzentsetzungen, wobei gerade auch Beiträge aus dem Zeitraum vor 1848 willkommen sind:
- Politische Handlungsräume von Frauen
- Aktivismus, auch abseits bekannter Pionierinnen und Wegbereiterinnen
- Verflechtungen unterschiedlicher Aspekte der Differenz (sozialer Hintergrund, Religion, race/ethnicity)
- Kontinuitäten und Diskontinuitäten
- Argumentations- und Verhandlungsstrategien von Frauen in den Quellen
- Frauen in Beziehung (Arbeitspaar, Geschwister, Gruppen, Milieus, …)
- Theoretische Zugänge: z. B. Handlungsmöglichkeiten vs. Machtstrukturen
- Methodische Aspekte
- Verbindung unterschiedlicher räumlicher Analyseebenen
Wir ersuchen um Zusendung eines kurzen Abstracts (300 Wörter) in deutscher oder englischer Sprache und einer Kurzbiographie bis spätestens 23. Dezember 2021 an:
Barbara Haider-Wilson und Waltraud Schütz
barbara.haider@oeaw.ac.at, waltraud.schuetz@oeaw.ac.at
Institute for Habsburg and Balkan Studies
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Hollandstraße 11–13/1. Stock
A-1020 Wien
Sie erhalten Rückmeldung bis 17. Jänner 2022.
Abgabetermin für die ausgearbeiteten Beiträge ist der 30. Juni 2022.