Freiwilligkeit und Geschlecht. Neuverhandlung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung in der Moderne

Freiwilligkeit und Geschlecht. Neuverhandlung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung in der Moderne

Veranstalter
Regula Ludi, Sarah Probst und Matthias Ruoss
Veranstaltungsort
Universität Fribourg, MIS 11 2.102 (salle Laure Dupraz), Rue de l'Hôpital 4
PLZ
1700
Ort
Fribourg
Land
Switzerland
Vom - Bis
26.11.2021 -
Von
Sarah Probst, Universität Fribourg

Covid-19 hat die existentielle Bedeutung von Fürsorglichkeit und spontaner Nachbarschaftshilfe schlagartig vor Augen geführt. Freiwilligkeit ist erneut in aller Munde. In der historischen Forschung ist Freiwilligenarbeit hingegen noch kaum als eigenständige Arbeitsform anerkannt. Hier setzt die Tagung an, indem sie Freiwilligkeit ins Zentrum der zeithistorischen Analyse rückt.

Freiwilligkeit und Geschlecht. Neuverhandlung der gesellschaftlichen Arbeitsteilung in der Moderne

Covid-19 hat die existentielle Bedeutung von Fürsorglichkeit und spontaner Nachbarschafts-hilfe schlagartig vor Augen geführt. Freiwilligkeit ist erneut in aller Munde. Während Politik und Öffentlichkeit sie einmal mehr loben, wertschätzen und umwerben, versuchen sich die Sozialwissenschaften bereits seit einigen Jahren an der Kategorienbildung. In der historischen Forschung ist Freiwilligenarbeit hingegen noch kaum als eigenständige Arbeitsform anerkannt. Allgemein ist Freiwilligkeit nicht als geschichtswissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand etabliert, während theoretische Reflexionen zum Thema weitgehend fehlen. Hier setzt die Tagung an, indem sie Freiwilligkeit ins Zentrum der zeithistorischen Analyse rückt.

Ausgangspunkt der Tagung bildet die strukturelle Verzahnung der Organisation von Freiwilligkeit mit Geschlechterarrangements seit den 1970er-Jahren. Die Frage nach der Wechselwirkung von Freiwilligkeit und Geschlechterordnung steht auch im Zentrum eines vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützten Forschungsprojekts, das seit Mitte 2021 an der Universität Fribourg läuft. Unser Forschungsinteresse gilt einer Epoche, die im Zeichen des neoliberalen Umbaus von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft steht. In den letzten fünfzig Jahren haben die Prinzipien des Wettbewerbs und des individuellen Erfolgs immer weitere Lebensbereiche erfasst und durchdrungen. Gleichzeitig durchlief die Geschlechterordnung mit der Zunahme der Frauenerwerbsarbeit und der rechtlichen Gleichstellung grundlegende Transformationen, während die neue Frauenbewegung als Kraft der gesellschaftlichen Veränderung die herkömmliche Arbeitsteilung und damit auch den Arbeitsbegriff grundlegend in Frage stellte.

Die Tagung fragt danach, wie sich diese tiefgreifenden Umbrüche in der Freiwilligkeit manifestierten. Wie haben sich die Organisation und die Praktiken der Freiwilligkeit verändert und wie haben umgekehrt Freiwillige mit ihrem Engagement den sozialen Wandel geprägt – abgefedert, beschleunigt oder ihm entgegengewirkt? Wie haben Freiwillige ihre eigenen Tätigkeiten gedeutet und welche gesellschaftlichen Bedeutungen schrieben Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit der Freiwilligenarbeit zu? Wie korrespondierten freiwillige Praktiken und Diskurse über Freiwilligkeit miteinander?

Ziel der Tagung ist es, Freiwilligkeit als eigenständige historische Analysekategorie zu etablieren. Damit verbunden sind methodische Fragen rund um die Definition von Freiwilligkeit, ihre Abgrenzung zu anderen sozialen Praktiken und ihr Verhältnis zur geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung generell.

Programm

9.00h: Begrüssung und Einführung

9.15-10.45h: Politiken der Freiwilligkeit

Pia Herzan (Erfurt): Freiwilligkeit und Geschlecht während der Gelbfieber-Epidemie der 1790er Jahre in Philadelphia

Silke van Dyk (Jena): Umsonst und freiwillig? Zur Informalisierung von Arbeit im Community-Kapitalismus

Pause

11.15-12.45h: Freiwilligkeit in sozialen Bewegungen und im alternativen Milieu

Sarah Probst (Fribourg): Quellen der Freiwilligkeit. Methodische Überlegungen zur Erforschung des feministischen Milieus in Solothurn in den 1970er Jahren

Jonathan Pärli (Basel): Brennende Hemden oder der Horror der Sozialarbeit: Asylaktivismus und die Frage der Politik

Mittagessen

13.30-15.45h: Freiwilligkeit, Markt und Familien

Nicole Kramer (Köln): Mittendrin und dazwischen: Pflegende zwischen Gemeinnützigkeit und Ökonomisierung, 1970er-2000er Jahre

Carola Togni (Lausanne): Les frontières du travail bénévole sous le regard du care. L’exemple des centres de loisirs lausannois (1970-2020)

Brigitte Semanek (St. Pölten/Wien): Konzepte von Freiwilligkeit in Entscheidungsprozessen bei der familiären Altenbetreuung

Pause

16.00-17.45h: Wissen und Sprachen der Freiwilligkeit

Céline Angehrn (Basel): Die Logik der Checkliste: Anleitung zur feministischen Reflexionsarbeit um 1990

Sybille Marti (Bern): Informelle Arbeit, Self Service-Economy und Geschlecht. Debatten über die Zukunft der Arbeit in den 1980er Jahren

Abendessen

Kontakt

Die Tagung ist öffentlich. Wegen geltenden Pandemievorschriften bitten wir um Voranmeldung bis am 22.11.2021 bei Véronique Dupont, Institut für Ethik und Menschenrechte, Universität Fribourg (veronique.dupont@unifr.ch).

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