Herausgeber: Jörg Meier (Innsbruck und Košice)
Deutsch- und mehrsprachige Tages- und Wochenzeitungen gehörten in vielen Regionen und Städten des multilingualen östlichen Europas bis zum Zweiten Weltkrieg selbstverständlich zum Alltag der Menschen. Neben Zeitungen mit überregionaler Bedeutung gab es zahlreiche Periodika mit eher regionaler Relevanz, die für uns heute jedoch in vielerlei Hinsicht von mindestens ebenso großem interdisziplinären Interesse sind.
Zeitungen und Zeitschriften greifen Neuartiges rasch auf, verbreiten es und üben dadurch einen nicht zu unterschätzenden gesellschaftlichen, politischen und sprachlichen Einfluss aus. Daher bietet die Beschäftigung mit Periodika, die am Rande oder außerhalb des geschlossenen deutschen Sprachgebiets erschienen sind, neben den sprachlichen und historischen Erkenntnissen die Möglichkeit, vielfältige soziokulturelle Zusammenhänge zu begreifen.
Einen ersten Überblick über die deutschsprachige Presse des östlichen Europas gibt der von Jörg Riecke und Britt-Marie Schuster 2005 herausgegebene Sammelband Deutschsprachige Zeitungen in Mittel und Osteuropa. Durch Projekte wie den Heidelberger Katalog Deutschsprachige Zeitungen im östlichen Europa (2019), das von der Österreichischen Nationalbibliothek koordinierte Projekt „ANNO“ oder die verschiedenen Digitalisierungsprojekte des Digitalen Forums Mittel- und Osteuropa (DiFMOE), wurden in den vergangenen Jahren wichtige Grundlagen für eine Archivierung und bibliographische Erschließung sowie für eine Bestandssicherung stark gefährdeter Materialien, aber auch für eine systematische, diachrone und synchrone Erforschung – vor allem historischer – deutschsprachiger Zeitungen und Zeitschriften im Ausland geschaffen.
Ungeachtet einer Reihe von Untersuchungen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu diesem Themenfeld entstanden sind, gibt es jedoch insbesondere in Hinblick auf Mehrsprachigkeit in Periodika erhebliche Forschungsdesiderate. Dies gilt vor allem für Zeitungen und Zeitschriften des 19. Jahrhunderts, doch auch zu Periodika aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts liegen trotz einer kaum überschaubaren Fülle von allgemeinen pressehistorischen Untersuchungen nur wenige interdisziplinär fundierte, historische Analysen vor.
So lässt die allenfalls punktuelle Bearbeitung kaum Rückschlüsse auf etwaige Ähnlichkeiten bzw. Unterschiede von Periodika in verschiedenen deutsch- und mehrsprachigen Regionen zu. Nicht nur vergleichende Analysen von Zeitungen und Zeitschriften verschiedener Sprachen einer Region gehören zu den Desiderata der Forschung, sondern auch größere diachrone Längsschnitt- bzw. Reihenuntersuchungen, die darüber informieren könnten, wie sich bestimmte Periodika im historischen Verlauf entwickelt haben. Ebenso fehlen interdisziplinär angelegte, empirische „Zeitreihenanalysen“, die synchron und diachron die gleichen Variablen möglichst verschiedener Periodika untersuchen und damit Aussagen über den sprachlichen Wandel ermöglichen könnten.
Der geplante Band möchte diese Forschungsdesiderate insbesondere in Hinblick auf Mehrsprachigkeit aufgreifen und dabei die Vielfalt der Presse im östlichen Europa sowohl räumlich als auch zeitlich abbilden, wobei die Schwerpunkte auf dem „langen“ 19. Jahrhundert und dem 20. Jahrhundert bis 1945 liegen sollen. Insbesondere Beiträge aus folgenden Bereichen sind willkommen:
- kritische Analysen zum Sprach- und Medienwandel sowie zur Rolle des Mediums Zeitung
- historische Periodika im Zentrum gesellschaftlicher Kontroversen und Debatten
- Untersuchungen zu Sprachkontakten und Mehrsprachigkeit sowie zur Kulturvermittlung
- Studien zur Rolle deutschsprachiger Periodika für die Entwicklung oder Bewahrung kultureller Zugehörigkeiten
- Untersuchungen zur Sprachnormierung, Sprachpolitik und Ideologisierung der Sprache
- vergleichende Untersuchungen zur historischen mehrsprachigen Situation und Entwicklung
Bitte senden Sie ein Abstract Ihres geplanten (unveröffentlichten) Beitrags in deutscher oder englischer Sprache (max. 2.500 Zeichen), dazu einen kurzen Lebenslauf bis zum 31.01.2022 per E-Mail an Prof. Dr. Jörg Meier (joerg.meier@uibk.ac.at) sowie an die Redaktion des JKGE (redaktion@bkge.uni-oldenburg.de).
Die für eine Veröffentlichung im JKGE 4 (2023) ausgewählten Beiträge müssten dann spätestens bis zum 1. November 2022 in deutscher oder englischer Sprache eingereicht werden (max. 50.000 Zeichen). Zur Qualitätssicherung durchlaufen die eingereichten Beiträge ein doppelt anonymisiertes Peer Review-Verfahren, bevor sie im JKGE online im Open Access sowie in einer kleinen Print-Auflage erscheinen werden.