Vormoderne Organisationen: Anfänge, Funktionen, Folgen

Vormoderne Organisationen: Anfänge, Funktionen, Folgen

Veranstalter
Franziska Neumann (Braunschweig), Matthias Pohlig (Berlin), Hannes Ziegler (München)
Veranstaltungsort
Historisches Kolleg, München
PLZ
80539
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.03.2023 - 24.03.2023
Deadline
30.04.2022
Von
Hannes Ziegler, Abteilung Frühe Neuzeit, LMU München

Die geplante Tagung befasst sich mit formalen Organisationen in der Vormoderne, und verbindet eine geschichtswissenschaftliche Perspektive mit organisationssoziologischen Anregungen.

Vormoderne Organisationen: Anfänge, Funktionen, Folgen

Formale Organisationen mit ihrer Trennung von Amt und Person, strikten, auf Entscheidungen beruhenden Mitgliedschaftsrollen, eindeutigen Hierarchien und formalen, schriftlichen Regeln gelten gemeinhin als Kennzeichen der Moderne: Die moderne Gesellschaft sei eine „Organisationsgesellschaft“ (Uwe Schimank), die in Verwaltungen, Wirtschaftsunternehmen, Justizinstitutionen, Universitäten, Kirchen, dem Militär etc. organisationsförmige Elemente relativ flächendeckend durchgesetzt habe. Der Vormoderne kommt aus dieser Sicht einmal mehr die zweifache Rolle der Negativfolie und der Vorgeschichte zu: In der Kontrastierung zur Moderne wird betont, dass sich erst in der zweiten Hälfte der Frühen Neuzeit respektive in der Sattelzeit das Prinzip der formalen Organisation gegen vormoderne Elemente wie Patronage, Nichttrennbarkeit von Amt und Person, etc. durchgesetzt habe. Charakteristisch für die Vormoderne seien hingegen korporative, den ganzen Menschen inkludierende, Status und Stand integrierende soziale Strukturformen (wie etwa Zünfte, Korporationen, etc.). Betrachtet man die Vormoderne dagegen primär als Vorgeschichte der Moderne, wird oft mit Prozessbegriffen wie etwa der „Bürokratisierung“ operiert, die laut der älteren Verwaltungsgeschichte bereits im Spätmittelalter einsetzte, aber bis mindestens 1800 unter eher dysfunktionalen Rahmenbedingungen stattfand. Die Frühe Neuzeit wird aus dieser Perspektive häufig unter dem Rubrum des „Noch nicht“ gefasst.

Ausgangspunkt der geplanten Tagung ist die Absicht, gezielt nach dem Verhältnis von Vormoderne und formaler Organisation zu fragen. Forschungen zur Vormoderne haben im Zuge einer kulturhistorischen Reformulierung etwa der Verwaltungsgeschichte teleologische Großdeutungen wie jene der „Bürokratisierung“ kritisiert und relativiert, ohne dass bereits klar ist, wie Vormoderne und Moderne in neuer Weise miteinander verbunden werden könnten. Die Organisationsforschung betont hingegen das funktionale und dysfunktionale Nebeneinander von Formalität und Informalität auch in der Moderne, findet also in der vermeintlichen Reinform formaler Organisation zunehmend „vormoderne“ Charakteristika. Die hergebrachte Perspektive, die formale Organisation mit Prozessen steigender Rationalität gleichsetzt, wird auch in der soziologischen Organisationsforschung kaum noch vorbehaltlos vertreten. Hier wie auf anderen Forschungsfeldern zeigt sich, dass die Annahme kohärenter und linearer Entwicklungsprozesse kaum mehr trägt und dass insbesondere die Behauptung eines abrupten Wandels im Laufe der Sattelzeit zunehmend brüchig wird.

Verantwortlich für dieses Bild ist unter anderem, dass nach dem Entstehen sowie den Entstehungsbedingungen formaler Organisation weder in der Geschichtswissenschaft noch der Organisationssoziologie kaum je gezielt gefragt wurde. Hier setzt die geplante Tagung an. Die Ausgangsüberlegung lautet, dass die Gegenüberstellung von Moderne und Vormoderne sowohl die ‚Organisationsförmigkeit‘ auch der Vormoderne, als auch die Potentiale verkennt, die eine tiefergehende historische Auseinandersetzung mit formalen Organisationen als sozialen Strukturformen bieten kann. In Anwendung organisationssoziologischer Überlegungen möchte die Tagung mit Blick auf die Vormoderne systematisch nach formalen Organisationen fragen. Das Ziel der Tagung ist es, verschiedene Gesellschaftsbereiche und thematische Schwerpunkte zueinander in Beziehung zu setzen, diese vergleichend zu diskutieren, auf diesem Wege den aktuellen Forschungsstand zu bündeln und die Diskussion fortzuführen.

Wir laden Interessierte dazu ein, sich mit Vorschlägen für Einzelvorträge an uns zu wenden, die zu der skizzierten Fragestellung beitragen. Im Einzelnen sind die nachfolgenden Fragen von besonderem Interesse:
- In welchen gesellschaftlichen Bereichen und in welchem Ausmaß ist es sinnvoll oder angebracht, von ‚Organisationen‘ zu sprechen? Gibt es, mit anderen Worten, formale Organisation auch in der Vormoderne?
- Welche diachronen Entwicklungen oder gegenläufigen Tendenzen sind zu beobachten, die es erlauben, für einzelne Felder neue Narrative und Langzeitperspektiven jenseits der Teleologien von „Bürokratisierung“ oder „Modernisierung“ zu entwickeln?
- Welche methodischen Vorteile bietet eine solche Perspektive auf der Ebene einzelner thematischer Felder wie auch in der Positionierung der Frühen Neuzeit zur „Moderne“?

Thematisch machen die OrganisatorInnen keine Vorgaben. Vorstellbar sind Einzelstudien zu gesellschaftlichen Bereichen wie Verwaltung, Hof, Wirtschaft, Politik, Recht, Religion/Kirche, Militär oder Universität. Der zeitliche Rahmen reicht vom Spätmittelalter bis in die Sattelzeit. Wesentliche Voraussetzung ist die Bereitschaft, sich im Hinblick auf das eigene empirische Themenfeld gezielt auf Impulse der organisationssoziologischen Forschung einzulassen.

Vorschläge für einen Vortrag sollten den Vortragstitel, ein Abstract (ca. 500 Wörter) und einen kurzen Lebenslauf enthalten und können bis zum 30.04.2022 an hannes.ziegler@lmu.de gesandt werden. Die Tagung wird vom 22. bis 24. März 2023 in München stattfinden. Eine Erstattung der anfallenden Reisekosten ist geplant, steht jedoch unter dem Vorbehalt erfolgreicher Drittmitteleinwerbung.

Kontakt

hannes.ziegler@lmu.de

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Deutsch
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