Biologie und Literatur

Veranstalter
Deutsche Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie e. V.
Veranstaltungsort
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Zoologie und Evolutionsforschung mit Phyletischem Museum, Ernst-Haeckel-Haus und Biologiedidaktik, Erbertstr. 1, 07743 Jena
PLZ
07743
Ort
Jena
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.06.2022 - 26.06.2022
Deadline
30.04.2022
Von
Stefan Lux

Auf ihrer 30. Jahrestagung wendet sich die DGGTB dem Thema Biologie und Literatur zu: Obwohl die Überlappung von schöngeistigen und naturwissenschaftlichen Motiven in rezenten Publikationen zur Sprache kommt, wird sie selten direkt thematisiert. Im Zentrum soll daher die Frage stehen, welchen Einfluss die biologischen Wissenschaften auf die Produktion von Romanen, Kurzgeschichten und Gedichten haben, und, wie literarische Figuren, Themen und Stilmittel auf die Lebenswissenschaften rückwirken.

Biologie und Literatur

Die Deutsche Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie e. V. (DGGTB) verfolgt das Ziel, die Erforschung und Vermittlung der Geschichte und Theorie der Biologie zu fördern. Unsere Jahrestagungen sollen den wissenschaftlichen Austausch zwischen unseren Mitgliedern, Institutionen mit ähnlichen Themenschwerpunkten und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, sowie interessierten Lehrkräften ermöglichen und so das gesellschaftliche Bewusstsein für die wissenschaftshistorischen und theoretischen Grundlagen unseres heutigen Verständnisses von Biologie zu schärfen.

Themenskizze:

Für die 30. Jahrestagung im Juni 2022 hat die DGGTB das Thema Biologie und Literatur ausgewählt. Obwohl die Überlappung von schöngeistigen und naturwissenschaftlichen Motiven und Ideen in vielen rezenten Publikationen zur Sprache kommt, wird sie selten direkt thematisiert. Ein Grund mag in der Reichhaltigkeit und Vielfalt der Facetten liegen, die es hierbei zu bedenken gilt – die Jubiläumstagung lädt somit zu einem glitzernden Feuerwerk ein.

Die Biologie wird, wie auch die Naturwissenschaften generell, seit jeher und bedeutend von der Erschaffung unterschiedlichster literarischer Produkte begleitet: Noch vor den wissenschaftlichen Sammlungen, fungieren verbale Aufzeichnungen – Monographien, Essays, Einträge in Enzyklopädien, Text- und Schulbücher, Berichte, Protokolle, Übersetzungen usw. – als die wichtigsten Träger der Fixierung und der Kommunikation von Theorien, Konzepten und Forschungsergebnissen. Dennoch hat sich gerade in der zeitgenössischen Geschichtstheorie eine kategorische Gegenüberstellung z.B. bei der Behandlung von Lebewesen als literarische Fiktion oder als reale Gegenstände wissenschaftlicher Erforschung erhalten. In den letzten Jahren ist diese Grenze zwischen den „zwei Kulturen“ vermehrt verschwommen – Anlass für die DGGTB diese Abgrenzung bzw. Wechselwirkung zu hinterfragen. Gegenstand des Tagungsthemas ist sowohl der Einfluss der biologischen Wissenschaften auf die Produktion von Romanen, Kurzgeschichten und Gedichten, als auch umgekehrt die Aufnahme oder Reflektion schöngeistiger Figuren, Themen und Stilmittel in den Lebenswissenschaften.

Die Tagung wird sich – in historischer und in aktueller Perspektive – mit folgenden Aspekten im Spannungsfeld zwischen den Biowissenschaften und Literatur befassen:

- Auf der theoretischen Ebene lädt das Thema zu Gedanken darüber ein, welche positive Form der Zusammenarbeit es zwischen beiden Bereichen geben kann oder darf, oder ob diese als missglückte Interferenz abzulehnen ist. Wie viele biologische Kenntnisse flossen in die Erfindung pflanzlicher oder tierischer Roman- oder Gedichtfiguren? Speziell aus dem Bereich der Science-Fiction laden viele Fallstudien zu derartigen Überlegungen ein. Zukunftsängste liegen zahlreichen naturwissenschaftlich-technischen Dystopien zugrunde. Krankheiten und Pandemien sind spätestens seit Boccaccios Decameron (ca. 1353) beliebte Themen ebenso wie biologisch-medizinische Methoden wie Transplantationen (z.B. in M. Shelleys Frankenstein), Radiobiologie (R. M. Frescos Tarantula) und Gentechnologie (A. Huxleys Schöne neue Welt).
- Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, in welcher Form Naturwissenschaftler von literarischen Lebensformen inspiriert wurden? Literarische und poetische Vorlagen dienten beispielsweise Carl von Linné bei der wissenschaftlichen Namensgebung von neuen Pflanzenspezies und stimulierten Ernst Haeckels Kreativität bei der Findung von Neologismen.
- Populärwissenschaftliche und populärbiologische Werke, aber auch Schul- und Textbücher befinden sich in einem space in between und verdienen damit ein besonderes Augenmerk. Im 19. Jahrhundert fand eine naturwissenschaftliche Aufklärung mit den Mitteln der Literatur statt (E. Haeckel, W. Bölsche, W. Breitenbach, Kosmos-Verlag, Insel-Verlag, Friedrichshagener Kreis) und es stellt sich die Frage, wozu dienten und inwieweit prägten literarische und populäre Darstellungen unser Bild der Biologiegeschichte?
- Bestimmte Epochen, wie die Romantik, aber auch Autoren wie Goethe zeichneten sich durch ein besonderes Verhältnis von literarischer und naturwissenschaftlicher Produktion aus. Doch auch in anderen Perioden wurden Koalitionen zwischen Literatur und Biologie eingegangen, die von Gedichten über Bauernromane bis hin zur monistischen und sozialistischen Literatur reichen.
- Biologische Konzepte wie Evolution, Darwinismus, Symbiose, Parasitismus oder Ökologie werden ebenfalls gern in der schöngeistigen Literatur aufgegriffen und hinterlassen bei ihren Lesern oft eine nachhaltigere Wirkung als das wissenschaftliche Konzept selbst.
- Historische aber auch noch lebende Autoritäten der Lebenswissenschaften treten gelegentlich ebenso in der Prosa-Literatur auf, wie etwa Lazzaro Spallanzani in E.T.A Hoffmanns Der Sandmann (1816), Charles Darwin in J. Darntons The Darwin Conspiracy (2005) oder Gregor Mendel in S. Mawers Mendel’s Dwarf (1999).
- Bei der Einarbeitung von bestimmten Lebewesen – Tiere, Pflanzen, Viren, Algen – in literarische Texte nahmen viele Autoren Rückgriff auf die zeitgenössische wissenschaftliche Literatur oder, wie die bekannten Beispiele des Axolotls oder Melvilles Moby Dick zeigen, auf eigene Studien und Erfahrungen. Das Thema Biologie und Literatur lädt jedoch auch zu autoren- und epochenübergreifenden Studien zur Darstellung bestimmter Organismen oder Organismengruppen, beispielsweise der Honigbiene, ein.
- Die bewusste Anwendung literarischer Stilmittel in wissenschaftlichen Texten, beispielsweise in Charles Darwins Origin of Species, ist eine weitere Perspektive, die bei der Verhandlung von Biologie und Literatur nicht fehlen sollte.
- Rezente Mittel literaturwissenschaftlicher Analyse naturwissenschaftlicher Texte, wie das literature data mining, aber auch der Einfluss von textverarbeitenden Medien und Textsuchmaschinen, versprechen neue theoretische Einblicke, ebenso wie umgekehrt Vertreter des evocriticism versuchen, die naturwissenschaftliche Methoden zum Studium der Literatur und der schönen Künste zu nutzen.
- freie Themen

Die interdisziplinäre und multidisziplinäre Auseinandersetzung ist explizit erwünscht. Hierbei soll jedoch, ungleich den rezent entwickelten cultural animal studies und cultural plant studies, der Fokus nicht auf den biologischen Subjekten, also Tieren, Pflanzen, Algen, Viren u. ä. selbst, sondern auf deren naturwissenschaftlicher, speziell biologischer Betrachtung, Verhandlung und Theoretisierung liegen.

Zur Bewerbung:

Es besteht die Möglichkeit, Panels anzubieten. Besonders erwünscht sind Beiträge, die mehrere Aspekte des Themas zusammenführen. Die Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Die Beiträge der Jahrestagung können nach Begutachtung im 26. Band der Verhandlungen zur Geschichte und Theorie der Biologie, dem zentralen Publikationsorgan der DGGTB, veröffentlicht werden.

Themenvorschläge im Umfang von ca. 2.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) werden bis spätestens 30. April 2022 erbeten an den stellv. Vorsitzenden der Gesellschaft: Dr. Karl Porges, Am Steiger 3 (Bienenhaus), 07743 Jena, karl.porges@uni-jena.de. Bitte teilen Sie auch einige kurze Angaben zu Ihrer Person (Funktion, Wirkungsstätte) mit. Die Rückmeldung über die Annahme oder Ablehnung des Vorschlags erfolgt bis Mitte Mai 2022.

Literaturauswahl:

Bono, James J. (ed.) (2010). History of science and Literature and science: Convergences and divergences. Isis 101(3, Special issue): 555–598.
Borges, Roland. (2015). Introduction: Cultural and literary animal studies. Journal of Literary Theory 9(2): 155–160.
Hoare, Philip. (2013). Cetology: How science inspired Moby-Dick. Nature 493: 160–161.
Kranz, Isabel. (2020). Zur Poetik der Pflanzennamen in der Botanik: Carl von Linné. Poetica 50 (1–2): 2.
Michler, W. (1999): Darwinismus und Literatur. Naturwissenschaftliche und literarische Intelligenz in Österreich, 1859–1914. Wien: Böhlau-Verlag.
Parker, Helen N. (1984). Biological Themes in Modern Science Fiction. Ann Arbor, MI: UMI Research Press.
Peterfreund, Stuart (ed.) (1990). Literature and Science: Theory and Practice. Boston: Northeastern University Press.
Schmeink, Lars (2016). Biopunk Dystopias: Genetic engineering, society, and science fiction. Liverpool University Press.
Schümann, D. (2015): Kampf ums Da(bei)sein: Darwin-Diskurse und die polnische Literatur bis 1900. Wien: Böhlau-Verlag

Kontakt

Dr. Karl Porges
Am Steiger 3 (Bienenhaus)
07743 Jena
E-Mail: karl.porges@uni-jena.de

https://www.geschichte-der-biologie.de/jahrestagungen/30-jahrestagung-2022
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