Die überwältigende Katastrophe

Die überwältigende Katastrophe. Wahrnehmungskonstellationen destruktiver Naturereignisse im europäischen Realismus

Veranstalter
Dr. Clemens Günther (FU Berlin), Laura Isengard (Universität Hamburg)
PLZ
20354
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.12.2022 -
Von
Laura Isengard, Universität Hamburg

Der literaturwissenschaftliche Workshop untersucht Wahrnehmungskonstellationen destruktiver Naturereignisse im europäischen Realismus

Die überwältigende Katastrophe. Wahrnehmungskonstellationen destruktiver Naturereignisse im europäischen Realismus

Katastrophale Naturereignisse stehen im Spannungsfeld von Überwältigung und Bewältigung. Einerseits schlägt einen die von ihnen ausgehende Gewalt sowie die Plötzlichkeit ihres Erscheinens in den Bann, sie macht sprach- und schriftlos, reduziert alles Niedere auf reine phýsis, in dem sich eine vermeintlich zeitlose und unerkenntliche, über-weltliche Macht offenbart. Andererseits setzt der anfänglich aphasische Schock aber auch politische, soziale und kreative Energien zur Transformation (oder Restitution) der verwalteten Welt frei. Die Neujustierung dieses Spannungsverhältnisses an der Schwelle zur Moderne im ausgehenden 18. Jahrhundert steht im Zeichen einer zunehmenden Säkularisierung und Empirisierung. In der nachkantischen Erkenntnisphilosophie wird die metaphysische Suche nach letztgültigen Wahrheiten durch eine dynamisierte Welt- und Wissensordnung abgelöst, was sich u.a. in den sich herausbildendenden Disziplinen der Biologie und der Geologie niederschlägt. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts jedoch manifestieren sich fundamentale epistemologische Unsicherheiten. Diese betreffen neben der grundsätzlichen Störanfälligkeit der menschlichen Wahrnehmung auch die Erkenntnisproblematik der sich nun auftuenden extremen räumlichen und zeitlichen Horizonte. Thermodynamik und Evolutionsbiologie führen zudem den Kontingenzcharakter des Realen vor Augen.

An diesem Punkt möchte der Workshop einsetzen und den Interferenzen zwischen Wissenschaft und Literatur in der konkreten Erkenntnissituation der ‚gestörten‘ Wahrnehmung nachgehen. Diese stellen sich dort ein, wo kleine und große Katastrophen das prästabilierte Gleichgewicht des Gewohnten stören.. In einer Epoche, die sich selbst mit dem Prädikat ‚realistisch‘ versieht, interessieren uns dabei die konkreten Einzelfälle, an denen epistemologische Verunsicherungen in die Erzählliteratur Einzug halten und dort jenseits der romantischen Wirklichkeitsflucht in Sinnzusammenhänge integriert werden. Dies führt mittelfristig durch das wachsende Wissen um die Ursachen von verheerenden Naturereignissen zu einem neuen Katastrophenbewusstsein sowie zu neuen Prognostik-, Vorsorge- und Bewältigungsstrategien. Was aber sind die ästhetischen und epistemischen Voraussetzungen der Katastrophenwahrnehmung, die solche Strategien überhaupt erst ermöglichen? Hierum soll es in dem geplanten Workshop gehen, dessen Leitfragen lauten:

- Welchen innerdiegetischen Modus hat das Sprechen über eine unbegreifliche Naturgewalt?

- Wie und über welche Figuren kann innerhalb der erzählten Welt Zukünftiges und kaum Wahrnehmbares antizipiert werden?

- In welches Verhältnis setzen die Texte diese Figuren zu den kulturellen und erzähltechnischen Verfahren der Restitution einer bestehenden Ordnung?

- Wie kann man den Umschlag vom Gesetzmäßigen in das Außergewöhnliche skalieren, wie kann man diese Grenze markieren und darstellen?

Der Workshop zu literarischen Verhandlungen katastrophischer Wahrnehmungskonstellationen im europäischen Realismus soll am 16.12.2022 in Hamburg in Präsenz stattfinden. Wir laden ein zur Einreichung von Beiträgen, die sich u.a. beschäftigen mit:
- Animalischer Naturwahrnehmung und der damit verbundenen impliziten und expliziten Neujustierung der anthropologischen Differenz

- Narrativen Verfahren der Prognostik und Antizipation von Störfällen in spezifischen diskursiven Verschränkungen

- Argumentativen Konstruktionen katastrophischer Ereignisse im Spannungsfeld von Kausalität und Kontingenz

Bitte schicken Sie Ihre Themenvorschläge als Abstract (ca. 500 Wörter) und einen kurzen Lebenslauf bis zum 15.6.2022 an Laura Isengard (laura.isengard@uni-hamburg.de) und/oder Dr. Clemens Günther (clemens.guenther@fu-berlin.de).

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