Am 24. Oktober 1492 wurden insgesamt 25 Männer und zwei Frauen jüdischen Glaubens auf dem später so genannten „Judenberg“ außerhalb Sternbergs auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Vorausgegangen war dieser Hinrichtung ein Prozess unter Beteiligung der Mecklenburger Herzöge und anderer Adeliger und Prälaten aus den umliegenden Territorien, in dem es um den Vorwurf eines Hostienfrevels und (wohl auch) um die Authentizität der vermeintlich blutenden Wunderhostien ging. Wohl spätestens seit 1493 entwickelte sich Sternberg zu einem neuen überregionalen Wallfahrtszentrum der damals überaus populären Heiligblutfrömmigkeit. Etwa in der Mitte des 16. Jahrhunderts kam der Wallfahrtsbetrieb endgültig zum Erliegen, nicht zuletzt auch durch die reformatorische Kritik am spätmittelalterlichen Wallfahrtswesen, wie sie Martin Luther auch explizit im Hinblick auf Sternberg (und andere Orte) formulierte.
Sternberg steht somit exemplarisch für viele ähnliche Phänomene dieser Zeit, in denen sich Antijudaismus und sich fortentwickelnde Formen christlicher Frömmigkeit in folgenschwerer Weise miteinander verbanden. Trotz der bis heute erhaltenen Zeugnisse in und an der Kirche und den zahlreichen Schriftzeugnissen aus den Jahrzehnten nach 1492 ist die Geschichte des Sternberger Hostienfrevelprozesses und der Heiligblutwallfahrt bis dato nur ansatzweise erforscht worden.
Der Workshop wird daher erste Ergebnisse bündeln, die sich
a) aus der intensiven Auseinandersetzung mit einzelnen Zeugnissen des Sternberger Hostienfrevelprozesses und/oder der Sternberger Heiligblutwallfahrt ergeben;
b) die sich aus der Untersuchung der konkreten historischen, politischen, gesellschaftlichen, rechtlichen und theologischen Kontexte des Sternberger Falls (idealerweise auf lokaler, regionaler und auch europäischer Ebene) ergeben. Gefragt wird dabei nicht nur nach der Bedeutung dieser Ereignisse in ihrer Zeit, vielmehr sollen auch
c) deren Nachwirkungen über epochale Brüche hinweg sowie die Herausforderungen einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit ihnen diskutiert werden. Dementsprechend soll auch eine Perspektive der „langen Dauer“ eingenommen und der Bogen bis in die erinnerungskulturellen Aufarbeitungen der Gegenwart geschlagen werden.