Städte und Städtelandschaften sind im Mittelalter immer wieder Schauplätze wichtiger rechtlicher Entwicklungen. Dies geschieht unter den Bedingungen der städtischen Anwesenheitsgesellschaft, in der sich die unterschiedlichen Gruppen im direkten Austausch gegenüberstehen können bzw. müssen. Die Frage, wie sich die Regelungen von gesellschaftlichen und privaten Aushandlungsprozessen in den europäischen Städten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit entwickeln, wird im Zentrum unserer Tagung stehen.
Unser Interesse gilt dabei der Vielfalt der rechtlichen Praktiken, die sich in den europäischen Städten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit herausbilden. In durchaus auch langen Prozessen bilden sich neue Formen der Konfliktbewältigung und Rechtssicherung heraus, werden bewährte juristische Formen weiterverwendet oder umgedeutet und wechseln sich Innovationen und Institutionalisierungsprozesse ab. Diese Prozesse sind geprägt von den unterschiedlichen regionalen Traditionen der jeweiligen Stadt oder Städtelandschaft. Sie nutzen die schriftliche Kommunikation und Archivierung genauso wie Formen der Konfliktschlichtung in der Anwesenheitskommunikation der Städte. Es sind Formen, die auf traditionelle Eliten zurückgehen, aber auch solche, die neue funktionale Eliten begründen.
Die internationale Jahrestagung des Forums Mittelalter „Städtische Rechtskulturen in der Vormoderne“ schlägt einen dezidiert interdisziplinären Zugang vor. Sie will historische, rechtsgeschichtliche, wirtschaftsgeschichtliche, kulturgeschichtliche und linguistische Forschungen bündeln, um die Variation und Variabilität der rechtlichen Praktiken der vormodernen Städte adäquat erfassen zu können. In dieser Hinsicht leistet sie auch einen wichtigen Beitrag zum Forschungsprogramm des GRK 2337 "Metropolität in der Vormoderne" an der UR.
Unser call for papers richtet sich an Vertreterinnen und Vertreter der oben angesprochenen Disziplinen und lädt sie ein, die ganze Bandbreite von historischen Zeugnissen zu nutzen, um die städtischen Rechtspraktiken sowohl aus der normativen wie der deskriptiven Perspektive der historischen Akteure zu rekonstruieren. Im Fokus steht dabei auch die komparatistische Perspektive. Ziel ist es, die unterschiedlichen urbanen, schriftkulturellen und rechtlichen Traditionslinien der Regionen und Städtelandschaften des vormodernen Europas fruchtbar zu machen, um aus dem Vergleich der Regionen ein differenziertes Bild der Entwicklungen gewinnen zu können. Besonders interessant scheint uns, Regionen mit unterschiedlich starkem Nachwirken der antiken Schriftkultur gegenüberzustellen und nach der Rolle der schriftkulturellen Prägung etwa in den Städten Norditaliens oder Südfrankreichs für die Entwicklung der städtischen Rechtskulturen zu fragen. Gerade die Gegenüberstellung der unterschiedlichen kulturellen Räume und der Vergleich der rechtlichen Entwicklungen ist ein wichtiges Ziel der Tagung.
Die Beiträge sollen 30 Minuten nicht überschreiten; sie können auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Italienisch gehalten werden. Das Programm wird – neben einem Abendvortrag am 15. Juni 2023 – auf zwei Tage verteilt (Freitag, 16. Juni 2023, 09:00–17:00 Uhr; Samstag, 17. Juni 2023, 09:00–13:00 Uhr). Im Falle einer Einladung zum Vortrag werden die Reise- und Unterbringungskosten übernommen. Es ist geplant, die Tagungsbeiträge in der seit 2005 jährlich fortgesetzten Reihe Forum Mittelalter Studien (Verlag Schnell&Steiner, Regensburg) zu veröffentlichen. Interessent:innen werden gebeten, bis zum 15.06.2022 einen Vortragsvorschlag zusammen mit einem Abstract (max. 350 Wörter) und kurzen biographischen Angaben einzureichen. Bitte senden Sie Ihre Unterlagen an maria.selig@ur.de