Konjunkturen des Staatsschutzes. Die Justiz und der Schutz von Republik und Verfassung (1922 – 1972 – 2022)

Konjunkturen des Staatsschutzes. Die Justiz und der Schutz von Republik und Verfassung (1922 – 1972 – 2022)

Veranstalter
Forum Justizgeschichte
Veranstaltungsort
Justizakademie Wustrau am Ruppiner See
PLZ
16818
Ort
Fehrbellin
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
23.09.2022 - 25.09.2022
Deadline
23.08.2022
Von
Sebastian Felz

Die 24. Jahrestagung des "Forum Justizgeschichte" möchte folgende Fragen diskutieren: Aus welchen Erfahrungswerten und Denktraditionen speist sich das Konzept der "wehrhaften Demokratie"? Gibt eine spezifische Sicht aus dem Exil auf den Untergang der Weimarer Republik? Welche – angeblichen – "Lehren" aus dem Scheitern von Weimar zogen die Westalliierten und die bundesdeutsche Politik? Wie wurde dies speziell von der Justiz verstanden und umgesetzt.

Konjunkturen des Staatsschutzes. Die Justiz und der Schutz von Republik und Verfassung (1922 – 1972 – 2022)

Am 21. Juli 1922 trat das Republikschutzgesetz („Gesetz zum Schutze der Republik“) in Kraft, einen Monat nach der Ermordung von Reichsaußenminister Walther Rathenau durch die völkische „Organisation Consul“. Das Gesetz enthielt eine Reihe neuer Strafbestimmungen, etwa die Herabwürdigung der „republikanischen Staatsform“, richtete einen speziellen „Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik“ ein und ermöglichte Verbote republikfeindlicher Vereinigungen, die Beschlagnahme entsprechender Druckschriften oder Wiedereinreiseverbote für „Mitglieder vormals landesherrlicher Familien“. Auf der Grundlage des Republikschutzgesetzes wurden etwa die „Organisation Consul“ und der „Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund“ verboten, stark betroffen war aber auch die KPD. Seit 1925 galt ihre Politik der Rechtsprechung als Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. Die Staatsfeindlichkeit der KPD verstand sich für die Justiz nach der Funktionärskörperlehre fast von selbst, während diejenige der NSDAP allenfalls im Einzelfall angenommen wurde. Grundsätzlich schützte die Weimarer Justiz den Staat an sich und verteidigte eher die Reichswehr oder die Ministerialbürokratie anstatt demokratische Institutionen und gesellschaftliche Partizipation.

Mitprägend für die Bundesrepublik und ihre Justiz wurde die (Fehl-)Interpretation, die nationalsozialistische Machtübernahme sei legal erfolgt und deutsche Juristen seien demgegenüber aufgrund ihres vermeintlichen Rechtspositivismus wehrlos gewesen. Der Anspruch, nunmehr eine „wehrhafte Demokratie“ zu sein, konkretisierte sich in den 1950er-Jahren juristisch im Schutz der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ („fdGO“). Angelegt im Grundgesetz (Artikel 9 Abs. 2, 18, 21 Abs. 2) waren die Grundrechtsverwirkung sowie Verbote von Vereinigungen und Parteien. Verfahren am BVerfG führten zum Verbot von SRP (1952) und KPD (1956). Behördlich wie gerichtlich breit praktiziert wurden nach dem Radikalenbeschluss von 1972 „Berufsverbote“ im öffentlichen Dienst.

Was aus einer Perspektive unvermeidlich ist, also Demokratie und Freiheitsgrundrechte zu ihrem eigenen Schutz staatlich zu beschneiden, wird umgekehrt als paradoxe Stärkung der Exekutive inklusive der Inlandsgeheimdienste kritisiert. Aktuelle Fälle von rechtsradikalen Netzwerken in Sicherheitsbehörden oder rechten Richtern zeigen die anhaltende Brisanz des Themas ebenso wie die Debatte darum, für Justizpersonal die sogenannte „Regelanfrage“ wieder einzuführen. Bestanden und bestehen Anknüpfungspunkte an einen demokratischen und verfassungsstaatlichen „Republikschutz“, können beim Umgang mit „Verfassungsfeinden“ die illiberalen Muster des hergebrachten Staatsschutzes vermieden werden?

Tagungskosten
(zwei Übernachtungen, Vollpension):
€ 195,00 Nichtmitglieder
€ 175,00 Mitglieder
€ 90,00 Studierende, Referendar_innen und Teilnehmende ohne Einkommen

Es besteht dank der Unterstützung durch ein Vereinsmitglied die Möglichkeit, für die Tagung ein Stipendium zu erhalten. Die Bewerbung auf ein Stipendium muss bis spätestens zum 23. August 2022 beim Forum Justizgeschichte eingehen. Der Wunsch nach einem Stipendium ist kurz zu begründen. Die Vergabe erfolgt entsprechend der zur Verfügung stehenden Mittel. Ein Rechtsanspruch besteht nicht. Das Stipendium umfasst die Reisekosten, die Teilnahmegebühren für zwei Übernachtungen und Verpflegung in Wustrau.
info@forum-justizgeschichte.de

Tagungsort
Deutsche Richterakademie
Am Schloß 1
16818 Wustrau-Altfriesack
Tel.: 033925 897-0
Fax: 033925 897-202
E-Mail: wustrau@deutsche-richterakademie.de

Programm

Freitag, 23.9.2022
15.45 Uhr
Begrüßung durch Richterakademie und Vorstand
16.00 Uhr
Inhaltliche Einführung
16.15 Uhr
Christoph Gusy, Republikschutzgesetz - Ein Schritt zur wehrhaften Republik
17.15 Uhr
Kaffeepause
17.30 Uhr
Nathalie Le Bouedec, Weimar als Argument: Das Republikschutzgesetz in den Debatten um Staats- und Verfassungsschutz in der frühen Bundesrepublik
18.30 Uhr
Abendessen
19.30 Uhr
Informelle Fortsetzung im Märkischen Keller oder am Seeufer

Samstag, 24.9.2022
09.00 Uhr
Christoph Schuch, Antisemitismusbekämpfung und Republikschutz
10.00 Uhr
Malte Feldmann, Sprung über Schmitts Stöckchen: Hans Kelsen und die wehrhafte Demokratie
10.45 Uhr
Kaffeepause
11.00 Uhr
Yvonne Hilges/Mirjam Schnorr, Radikale Richter? Der „Extremistenbeschluss“ von 1972 und seine Anwendung auf den baden-württembergischen Justizdienst
12.00 Uhr
Mittagessen
13.30 Uhr
Friedrich Kießling, Die Bundesanwaltschaft und der lange Weg zum demokratischen Staatsschutz 1950 bis 1974
14.30 Uhr
Kaffeepause
14.45 Uhr
Inga Schuchmann, Der Stammheim-Prozess – Staatsschutz mit den Mitteln des Straf(prozess)rechts?
15.45 Uhr
Verleihung des Richard-Schmid-Preises 2022
16.45 Uhr
Mitgliederversammlung
18.30 Uhr
Abendessen
19.30 Uhr
Informelle Fortsetzung im Märkischen Keller oder am Seeufer

Sonntag, 25.9.2022
09.00 Uhr
Tim Wihl, Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung - Zur Geschichte und Krise eines unbestimmten Rechtsbegriffs (1950-2022)
10.00 Uhr
Kaffeepause
10.15 Uhr
Marlene Grunert und Sarah Schulz: „Rechte Richter“, neue Regelanfrage? (Podiumsdiskussion, moderiert von John Philipp Thurn)
11.15 Uhr
Abschluss: fish bowl – Tagungsfazit und Ausblick
12.00 Uhr
Mittagessen
13.00 Uhr
Abreise

Kontakt

Forum Justizgeschichte e. V.
Fitzmauriceweg 18
48155 Münster
info@forum-justizgeschichte.de

https://www.forumjustizgeschichte.de/
Redaktion
Veröffentlicht am
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Region(en)
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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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