Nachhaltigkeit im Gebrauch: Bürokratische Prozesse und der Einsatz von Technologien in Afrika

Nachhaltigkeit im Gebrauch: Bürokratische Prozesse und der Einsatz von Technologien in Afrika

Veranstalter
Dr. Susann Baller (Merian Institute for Advanced Studies in Africa, Accra); Dr. Robert Heinze (DHI Paris); Prof. Dr. Thomas Maissen (DHI Paris)
Veranstaltungsort
DHI Paris
PLZ
75003
Ort
Paris
Land
France
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
12.12.2022 - 13.12.2022
Deadline
28.08.2022
Von
Robert Heinze, Abteilung Afrika, Deutsches Historisches Institut Paris

Die Konferenz untersucht bürokratische Prozesse, die sich Technologien bedienen, um Verfahren und Interaktionen zu standardisieren, mit dem Ziel, institutionelle, wirtschaftliche, soziale oder ökologische Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Damit verbindet sie zwei Forschungsfelder: die Geschichte der Technologie, insbesondere die Science and Technology Studies (STS), und die Geschichte der Bürokratie, indem sie sie unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit hinterfragt.

Nachhaltigkeit im Gebrauch: Bürokratische Prozesse und der Einsatz von Technologien in Afrika

Ziel der Konferenz ist es, die vielfältigen Interdependenzen von Bürokratie und Technologie in Afrika zu analysieren und sie mit der Frage der Nachhaltigkeit in Verbindung zu bringen. Sie fragt insbesondere nach Prozessen, die sich Technologien bedienen, um Verfahren und Interaktionen zu standardisieren, mit dem Ziel, institutionelle, wirtschaftliche, soziale oder ökologische Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Damit verbindet sie zwei Forschungsfelder: die Geschichte der Technologie, insbesondere die Science and Technology Studies (STS), und die Geschichte der Bürokratie, indem sie sie unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit hinterfragt. In den letzten Jahren haben beide Felder zunehmend eine Perspektive "von unten" eingenommen, die den alltäglichen Gebrauch von Technologie und Infrastruktur einerseits und die autonome Übernahme und Entwicklung bürokratischer Prozesse außerhalb staatlicher Institutionen andererseits ebenso betont wie eine "Nachhaltigkeit im Gebrauch", die über das Verständnis einer von (trans-)nationalen Organisationen geförderten Nachhaltigkeit hinausgeht. Die Konferenz geht von diesen Positionierungen aus, aus denen sich Verbindungen und Wechselwirkungen ergeben, die neue Perspektiven auf die Nachhaltigkeit von Technologien und den Institutionen, die sie verwalten, ermöglichen. Dabei betont sie die historische Dimension dieser Verflechtungen, die sich jeweils unter spezifischen Bedingungen in der moyenne durée des Zwanzigsten Jahrhunderts entwickelten, und in denen sowohl koloniale Traditionen als auch postkoloniale Interventionen, Umstrukturierungen und Globalisierungsprozesse sedimentiert sind.

Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Technikgeschichte mit der alltäglichen Nutzung von Technologien, ausgehend von wichtigen Interventionen der Science and Technology Studies und der Technikgeschichte (Arnold 2013, Edgerton 2008, Hård/Jamison 2013). Neben individuellen Technologien sind auch Infrastrukturen als Netzwerke und unter dem Aspekt der Versorgung mit notwendigen Gütern Gegenstand der Forschung und theoretischen Interventionen. Im Mittelpunkt stehen Praktiken der Nutzung und (Wieder-)Aneignung, wie Reparatur, Wiederverwendung/Rekontextualisierung und Recycling von Maschinen und Gebrauchsgegenständen, sowie Konflikte um die politische und soziale Integration verschiedener Gemeinschaften, die ebenfalls um und durch Technologien ausgetragen werden (Anand 2017; Manatouma 2020).

In diesen Konflikten spielen wiederum bürokratische Prozesse eine wichtige Rolle – sowohl "von oben" in den Verwaltungen, die oftmals die Hauptentscheidung treffen, als auch "von unten" vermittels der Interessenverbände der Nutzer und informeller Anbieter. Sowohl Bürokratien als auch Technologien werden in der Forschung häufig als assemblages (Deleuze/Guattari 1980; De Landa 2009) verstanden, d. h. soziale und materielle Netzwerke, die aus vielen individuellen, dynamischen und fluiden, nicht notwendigerweise hierarchischen Beziehungen bestehen und in denen viele verschiedene Akteure und Strukturen interagieren (Anand 2017; Bierschenk/de Sardan 2019). Ohne dieses theoretische Modell zu übernehmen, zielt die Konferenz dennoch darauf ab, diese Beziehungen in ihrer Komplexität zu erforschen. Wasser-, Strom- und Verkehrsnetze beispielsweise sind Gegenstand und Schauplatz ständiger politischer und sozialer Aushandlungen, die weit über die Bereitstellung bestimmter Dienstleistungen hinausgehen. Ihre Nutzung ist wiederum mit spezifischen Technologien verbunden, die sich Nutzer aneignen, neu kontextualisieren oder schlichtweg für sich beanspruchen. In anderen Fällen werden Technologien wie Biometrie oder elektronische Karten für die Verwaltung soziopolitischer Bindungen wie Staatsbürgerschaft, Mobilität (Sheller 2018) oder Kommunikation (Willems 2018; Balbi/Berth 2019) eingesetzt. Zwar werden Staaten zumindest nominell häufig als Garanten für das Funktionieren bestimmter Technologien und ergänzender Infrastrukturen und damit als Adressaten von Beschwerden und Forderungen wahrgenommen; häufig sind die Anbieter jedoch Teil der Privatwirtschaft oder der informellen Ökonomien. Die Prozesse der Erstellung, Wartung und Verteilung von technologischen Geräten und Dienstleistungen nehmen selbst einen bürokratischen Charakter an. Damit geht Bürokratisierung als Prozess über den Staat hinaus (Baller 2021). Auch die Nutzer organisieren sich in Interessenverbänden, die ihrerseits bürokratische Prozesse etablieren. Die Grenzen sind fließend und dynamisch. Sie werden zwischen Nutzern, Betreibern, staatlichen Beamten und anderen Akteuren (z.B. NGOs) ständig neu verhandelt und gezogen. Dies erfordert eine genauere Konzeptualisierung der bürokratischen Prozesse und ihrer Funktion in dieser Aushandlung des Einsatzes von Technologien.

In beiden Bereichen spielen Fragen der Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Während das zunehmend kritisierte Konzept selbst zu einem diskursiven Instrument für nationale und internationale politische Akteure geworden ist, bleiben die Fragen, die es auf analytischer Ebene aufwirft, bestehen, insbesondere die folgenden: Wie können Institutionen und Gesellschaften Kontinuität gewährleisten? Wie kann das Wohlergehen der Mehrheit mit der Notwendigkeit, den Ressourcenverbrauch zu begrenzen, in Einklang gebracht werden? Welche Herausforderungen und Konflikte ergeben sich aus diesen Dynamiken? Es ist dabei nicht sinnvoll, von einem einzigen Konzept der Nachhaltigkeit auszugehen; vielmehr umfasst der Begriff zahlreiche miteinander verknüpfte Konzepte, insbesondere im Bereich der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit, die darauf abzielen, die Armut zu beseitigen oder zumindest drastisch zu verringern, ohne die natürlichen Systeme der Erde zu zerstören (Swilling 2020). In der entwicklungspolitischen Diskussion wird "Nachhaltigkeit" als vielseitiges Schlagwort häufig mit der Schaffung nachhaltiger Institutionen und Wirtschaftskreisläufe in Verbindung gebracht. Nachhaltige Entwicklung zielt auf die langfristige Wirksamkeit politischer Interventionen ab, die insbesondere eine Stabilität des staatlichen Handelns und der demokratischen Prozesse gewährleisten sollen. Kritiker bemängeln den Interventionismus internationaler Institutionen, die zwar selbst Nachhaltigkeit fordern, aber ständig neue Prozesse und Institutionen etablieren. Neuere Forschungen über Bürokratisierung und Verwaltung in Staaten und Gesellschaften des globalen Südens betonen hingegen die widersprüchliche Dynamik ihrer instabilen politischen Beziehungen, die "Auslagerungen" staatlichen Handelns mit Kontinuitäten bürokratischer Institutionen verbinden (Hibou/Samuel 2017).

Gleichzeitig wird die Idee der Nachhaltigkeit häufig mit Diskursen über Technologie in Verbindung gebracht, die entweder ein Narrativ des technologischen Fortschritts oder eine radikale Skepsis kultivieren. Erst in den letzten Jahren legen Forschungsarbeiten hingegen den Schwerpunkt auf die alltägliche Praxis der nachhaltigen Nutzung von Technologien – ganz im Sinne der oben genannten Trends. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Reparatur und Recycling, Wartung und Wiederverwendung vorhandener Technologien. Die niederschwellige Transformation und Popularisierung "alter" Technologien für neue, insbesondere ökologische Herausforderungen erforderte auch eine organisierte soziale Bewegung, die in der Lage war, Politik und staatliche Praxis zu beeinflussen (Oldenziel/Trischler 2016). Gleichzeitig standen diese Bewegungen im Konflikt mit bürokratischen und technologischen Systemen, deren Pfadabhängigkeiten nur schwer zu durchbrechen waren: "monuments of unsustainability" (Emanuel 2016). Hier zeigt sich die Ambivalenz des Begriffs der Nachhaltigkeit: Es ist gerade die institutionelle Dauerhaftigkeit der alten, in Verwaltungspraktiken sedimentierten Systeme und Logiken der Technologienutzung, die dem Übergang zu ökologisch nachhaltigen Technologien oder einer ökologisch nachhaltigen Nutzung entgegensteht. Ein Ansatz, der sich auf die Interdependenz von Technologie und Bürokratie konzentriert, kann diese spezifischen Widersprüche in der Geschichte der Nachhaltigkeit hervorheben.

In diesem Sinne laden wir dazu ein, Beiträge zu folgenden Fragen zu formulieren:

- Wie stellen bürokratische Prozesse den Fortbestand und das Funktionieren verschiedener Technologien und ihrer Verteilung sicher? Wie interagieren Bürokratie und Technologie als assemblage?
- Wie relevant sind Technologien für den Alltag in Bürokratien oder in bürokratischen Strukturen und Prozessen, auch außerhalb der öffentlichen Verwaltung? Was passiert, wenn Kontinuitäten nicht mehr gewährleistet werden können und Funktionalitäten zusammenbrechen?
- Welche Ansätze zur nachhaltigen Nutzung von Technologien bestimmen das bürokratische Handeln von internationalen Institutionen bis hin zu lokalen Verwaltungen in Afrika? Welche Praktiken der Wartung und Reparatur haben sich bei der täglichen Nutzung der technologischen Infrastruktur entwickelt und wie verhalten sie sich zu den Top-down-Ansätzen? Und inwieweit werden in Bottom-up-Bewegungen bürokratische Praktiken eingesetzt?
- Welche Rolle spielen Infrastrukturen (Wasser-, Strom- und Verkehrsnetze, Biometrie, Müllabfuhr usw.) im Alltag afrikanischer Gesellschaften? Wie werden sie verwaltet und organisiert? Wie wird Nachhaltigkeit gewährleistet, sowohl im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit als auch im Sinne des Fortbestands der betreffenden Infrastrukturen?

Abstracts von nicht mehr als 300 Wörtern können bis zum 28. August 2022 an rheinze@dhi-paris.fr eingereicht werden.

Kontakt

E-Mail: rheinze@dhi-paris.fr

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