Am 22. Juli 2020 beschloss der Bamberger Stadtrat auf Antrag der Fraktionen Grünes Bamberg, SPD, ÖDP und Volt vier großformatige Gemälde mit Ansichten der Stadt von dem Maler Fritz Bayerlein (1872-1955) aus dem Ratssaal und dem Trauungssaal des Bamberger Rathauses zu entfernen. Dieser Entschluss und seine Ausführung provozierten eine anhaltende Kritik, die vor allem in einer nicht enden wollenden Reihe von Leserbriefen im Fränkischen Tag bekundet wurde. Bayerleins Werk, das fast ausschließlich aus politisch unverdächtig scheinender Landschaftsmalerei besteht, wird, wie diesen zu entnehmen war, von vielen Bambergern immer noch als fester Bestandteil der kulturellen Identität der Stadt angesehen, obwohl bereits zu Beginn der 1990er Jahre Kritisches zur Biografie des Malers vorgebracht und die Forderung erhoben wurde, seine Gemälde im Rathaus abzuhängen. Bayerlein war ein Nazi der ersten Stunde, wozu er sich noch an seinem Lebensende Mitte der 50er Jahre bekannte, und z. B. auf der ab 1937 jährlich stattfindenden Großen Deutschen Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst in München mit zahlreichen Werken vertreten. Seine nun aus dem Rathaus entfernten vier Ansichten Bambergs, darunter die beiden in den späten 30er Jahren, in der Regierungszeit des berüchtigten Oberbürgermeisters und NSDAP-Kreisleiters Lorenz Zahneisen für den Ratssaal gemalten Bilder, vergegenwärtigen keinerlei Zeugnisse der Moderne, wie z. B. Pkws oder Industriearchitektur. Das Gemälde mit dem Titel Arbeit, Heimat, Familienglück und Fruchtbarkeit, das 1944 von der Stadt für 10.000 Reichsmark erworben und im Trauungsaal aufgehängt wurde, zeigt am rechten Rand die Staffagefiguren einer stillenden Mutter und eines seine Sense schärfenden Vaters. Gemäß den Beschlüssen des Stadtrates und des Kultursenats der Stadt Bamberg sollen Bayerleins Werk und sein Bezug zur nationalsozialistischen Kulturpolitik wissenschaftlich aufgearbeitet werden.
Die diesem Ziel verpflichtete Tagung >>Die Stunde der Heimatmaler. Fritz Bayerlein, die „Gottbegnadeten“ und die NS-Kulturpolitik<< wird am 21./22. Oktober 2022 in Bamberg stattfinden. Die Beiträge sollen anschließend in einem Tagungsband publiziert werden. Die Veranstaltung wird Bayerlein als Akteur der NS-Diktatur profilieren, der nur aufgrund derselben, ihrer Kulturpolitik und Verfemung der Avantgarde überhaupt solche Sichtbarkeit erhalten konnte. Im Einzelnen sollen Kernelemente der NS-Kulturpolitik und die persönlichen Voraussetzungen Bayerleins in den Blick genommen werden. Unter welchen Vorzeichen wurde eine abbildliche, handwerklich gediegene, heroisches Soldatentum und gemüthafte Bodenständigkeit feiernde ‚Kunst‘ verordnet und konnte ein Landschaftsmaler wie Fritz Bayerlein zu einer überregionalen Größe, von Hitler zum Professor ernannt und in die Liste der „Gottbegnadeten“ aufgenommen werden?
Nach einer einleitenden Vorstellung des Konzepts der Tagung werden die NS-Kunstpolitik, die Münchener Malerschule als kulturpolitisches Leitbild Hitlers, die Verfemung der Avantgardekunst und Zerstörung ihrer Logistik und die Große Deutsche Kunstausstellung behandelt.
Beiträgen über die Biografie und das Werk von Fritz Bayerlein sollen solche über Künstler folgen, die ebenfalls im „Dritten Reich“ Karriere gemacht haben. Die Wahl fiel dabei auf Carl Theodor Protzen, den Maler der Reichsautobahnen, ein Motiv, das auch Bayerlein dargestellt hat, und die vier „unersetzlichen“ Maler aus der 1944 aufgestellten „Sonderliste“ der „Gottbegnadeten-Liste“, nämlich Hermann Gradl, Arthur Kampf, Willy Kriegel und Werner Peiner. Der Nürnberger Gradl war Hitlers liebster Landschaftsmaler, Kampf ein renommierter Historienmaler der wilhelminischen Epoche, der sich nach seinem Bedeutungsverlust in den 20er Jahren freudig in den Dienst des NS-Regimes stellte, Kriegel ein Lieblingsschüler Kokoschkas, der sich mit den Goebbels anfreundete, und Peiner der Maler der Deutschen Erde und Leiter der Hermann-Göring-Meisterschule für Malerei in Kronenburg in der Eifel, der der NS-Ideologie vor allem in allegorischen Bildteppichentwürfen Ausdruck verliehen hat. Die hier getroffene, durchaus repräsentative Auswahl lässt erkennen, dass auch im Werk vieler prominenter Künstler des Dritten Reichs scheinbar unpolitische Bildthemen dominierten. Zugleich macht sie anschaulich, dass die damals erfolgreichen Künstler nicht aus avantgardistischen Milieus kamen – Arno Breker, in jungen Jahren von den jüdischen Galeristen Daniel-Henry Kahnweiler und Alfred Flechtheim geförderter frankophiler Schüler von Wilhelm Kreis, war in dieser Hinsicht eine Ausnahme; unter den hier ausgewählten Künstlern war der mit Otto Dix befreundete Kriegel eine solche. Tatsächlich rekrutierte sich ein nicht geringer Teil der Exponenten der NS-Kunst aus Künstlern, die in der Tradition der Genre- und Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts jenseits der Kulturmetropolen, nicht selten in touristischen Gebieten konventionelle Kunst produzierten.
Beiträge von Wolfgang Brauneis, der die rezente Ausstellung im Deutschen Historischen Museum in Berlin über die „Gottbegnadeten“ NS-Künstler in der Bundesrepublik kuratiert hat, und von Christian Fuhrmeister vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte werden anschließen. Die Tagung endet mit einer abschließenden Podiumsdiskussion zu dem zurzeit vieldiskutierten Thema „Wie geht man um mit Nazi-Kunst?“ mit Dorothea Schöne, der Leiterin des Kunsthauses Dahlem, Kristin Knebel, der neuen Direktorin der Bamberger Museen, und weiteren Vertreter*Innen aus dem Museums- und Ausstellungsbereich.