Sprache und Gewalt. Zur Verflechtung von Ideologie- und Bildkritik

Sprache und Gewalt. Zur Verflechtung von Ideologie- und Bildkritik

Veranstalter
Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut
Veranstaltungsort
Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut
PLZ
50121
Ort
Florenz
Land
Italy
Findet statt
Hybrid
Vom - Bis
18.11.2022 - 19.11.2022
Deadline
21.09.2022
Von
Rafael Ugarte Chacón, Forschungskoordination und Öffentlichkeitsarbeit, Kunsthistorisches Institit in Florenz - Max-Planck-Institut

Sprache und Gewalt. Zur Verflechtung von Ideologie- und Bildkritik

Transdisziplinärer Workshop am Kunsthistorischen Institut in Florenz – Max-Planck-Institut, organisiert von Hana Gründler und Giovanna Targia.

Language and Violence. On the Nexus of Criticism of Ideology and Image

Transdisciplinary workshop at the Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut, organised by Hana Gründler and Giovanna Targia.

Sprache und Gewalt. Zur Verflechtung von Ideologie- und Bildkritik

Das Verhältnis von Gewalt und Logos wurde insbesondere in der politischen Theorie häufig im Zusammenhang mit Fragen der Rhetorik thematisiert. Ging man einerseits von einer Dichotomie zwischen dem angeblich rationalen Anteil des aufklärerischen Logos und dem Einbruch irrationaler Emotionen aus, wurde andererseits die manipulative Verflechtung von Logos und Emotionen betont, die selten so manifest wird wie in der politischen Propaganda. Gerade dem bildhaften Charakter der Sprache, deren Reich sich eben weit über das Logisch-Diskursive hinaus erstreckt, kommt dabei eine grundlegende Rolle zu. Ein Nachdenken über diese Macht des Bildhaften und Ästhetischen findet sich sowohl in poetologischen und sprachphilosophischen Diskursen als auch in kultur- und kunstphilosophischen Überlegungen zu den Gemeinsamkeiten zwischen Sprache und Mythos als „symbolischen Formen“ und zur „Macht des Mythos“ im politischen Diskurs. Logos und Gewalt, so könnte man es konzise auf den Punkt bringen, sind durch das Thema der Sichtbarkeit und der Sichtbarmachung untrennbar miteinander verwoben. Aber wie lässt sich dieses Verhältnis genauer analysieren?

Gerade im Zuge der gegenwärtigen kognitionswissenschaftlichen, philosophischen, bildwissenschaftlichen sowie sozioanalytischen und politischen Debatten hat der soeben grob skizzierte Themenkomplex wieder an Aktualität gewonnen, nicht zuletzt auch im Bereich des Nachdenkens über die Sprache der wissenschaftlichen Kommunikation. So kann man einerseits nachzeichnen, wie durch das Streben nach vermeintlicher wissenschaftlicher Objektivität und Neutralität eine Form der rationalisierenden Entfremdung stattfindet, der durchaus auch Momente der Gewalt eingeschrieben sind, und andererseits beobachten, wie eine in vielen Bereichen ausgeprägt performative Dimension der Sprache auftritt.

Bereits das prinzipielle Verhältnis zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was unausgesprochen bleibt, wie es in Leo Strauss’ Aufsatz "Persecution and the Art of Writing" von 1941 konzeptualisiert wird, erweist sich als ein wesentlicher Bestandteil einer Diskussion über Sprache und Gewalt. Die Frage, ob es eine Technik des Zwischen-den-Zeilen-Schreibens und -Lesens gibt, um sich mit einem Kreis von Eingeweihten auszutauschen, sowie die Unterscheidung zwischen exoterischen und esoterischen Lehren erfordert ein kritisches Nachdenken über den Sprachgebrauch und den medien- und institutionsgeschichtlichen Kontext, in dem jeder Sprechakt eingebunden ist. Eine solche Kontextanalyse kann die enge Verbindung zwischen Sprache und sozialen Hierarchien bzw. Hegemonieverhältnissen und -dynamiken ans Licht bringen, die zugleich unauflösbar mit Fragen nach epistemischer Gewalt verbunden ist. Wie Gaiatri Chakravorty Spivak in ihrem grundlegenden Aufsatz "Can the Subaltern Speak?" (1988) dargelegt hat, bedeutet das Wissen um akademische Sprache und Sprachspiele immer auch Teilhabe an oder eben Ausgrenzung von epistemischen Diskursen und somit automatisch auch politische Sichtbarkeit und Partizipation.

In diesem Zusammenhang kommt unter anderem der Analyse von Übersetzungen (und Selbstübersetzungen) ein zentraler Platz zu, sei es, dass man auf eine bestimmte Verlagspolitik aufmerksam macht, sei es in Bezug auf den allgemeinen Bereich der Exilforschung, sei es auch, dass man die Übersetzung als den potenziell „gewalttätigen“ Akt eines Interpreten im Sinne Martin Heideggers auffasst. Wenn man ferner das Wort „Übersetzung“ auch im übertragenen Sinne versteht, dann lässt sich die aktuelle Debatte über den Begriff der „Unübersetzbarkeit“ auf den breiten Bereich ästhetischer Phänomene ausdehnen. Spätestens Ludwig Wittgenstein hatte für die Schwierigkeit sensibilisiert, ein Kunstwerk in ein anderes Medium zu übertragen oder es sprachlich adäquat zu fassen, was zu Ende gedacht eben auch bedeutet, dass es Ästhetik im Sinne einer logisch-diskursiven Theorie nicht geben kann, sondern nur bewusstes Schweigen oder unendliche Beschreibung (von Sprachspielen) zur Disposition stehen.

Inwieweit kann man nun aber die radikale These der Unsagbarkeit der ästhetischen Erfahrung aufrechterhalten? Welche Rolle kommt der Negation, welche der Benennung zu? Wie viele Bedingtheiten schränken den (bild)wissenschaftlichen Sprachgebrauch ein? Existieren sprachliche Grenzen im Nachdenken über Bilder der Gewalt? Welche Funktion hat dabei die Technik der Ekphrasis sowie der Kunst- und Bildbeschreibung in den verschiedenen Epochen eingenommen? Und nicht zuletzt: in welchem Verhältnis stehen das Gewaltpotenzial der Sprache und die Bilder der Gewalt zueinander? Diese und andere Fragen sowie Themenspektren sollen in dem transhistorischen und transdisziplinären Workshop gemeinsam erörtert werden.

Der Workshop findet vom 18. bis 19. November 2022 online und – je nach Möglichkeit – am Kunsthistorischen Institut in Florenz – Max-Planck-Institut statt.

Die Beitragenden sind aufgefordert, einen Kurzvortrag von ca. 20 Minuten (mit anschließender Diskussion) zu präsentieren. Wir begrüßen sowohl spezifische case studies als auch methodisch-systematische bzw. theoretische Untersuchungen. Bitte senden Sie ein Abstract mit maximal 2.000 Zeichen und einen kurzen Lebenslauf (zusammengefasst in einem PDF) in deutscher, englischer oder italienischer Sprache per E-Mail an:

gruendler@khi.fi.it
giovanna.targia@khi.fi.it

Wir bitten um die Einreichung des Abstracts bis zum 21. September 2022. Die Rückmeldung über die Teilnahme am Workshop erfolgt bis zum 7. Oktober 2022.

Language and Violence. On the Nexus of Criticism of Ideology and Image

The relationship between violence and logos has frequently been thematised with reference to rhetoric, especially in political theory. While on the one hand a dichotomy between the supposedly rational part of the Enlightenment logos and the intrusion of irrational emotions has been assumed, the manipulative intertwining of logos and emotions has been emphasised on the other. This is nowhere so apparent as in political propaganda. However, it is precisely the figurative character of language, whose realm extends far beyond the logical-discursive, that endows it with a fundamental role in this respect. A reflection on this power of the figurative and aesthetic character of language can be found in poetological discourses, in the philosophy of language as well as in those theories of art and culture that have been addressing the similarities between language and myth as “symbolic forms” and the “power of myth” in political discourse. Logos and violence, we might succinctly put it, are inextricably intertwined through the theme of visibility and making visible. Yet how is this relationship to be more accurately analysed?

Currently, in the course of debates in cognitive science, philosophy, Bildwissenschaft, sociology, and politics, the thematic complex outlined above has once again become topical, not least in terms of thinking on the language of scientific communication. Thus, on the one hand, we can trace how, through the pursuit of a putative scientific objectivity and neutrality, a form of rationalising alienation takes place, in which moments of violence are clearly inscribed, and, on the other hand, we can observe how in many areas a distinctly performative dimension of language emerges.

The fundamental relationship between what is said and what remains unsaid, as conceptualised in Leo Strauss’s 1941 essay “Persecution and the Art of Writing”, can be seen as an essential component of any discussion of language and violence. The question of whether there is a technique of writing and reading between the lines in order to communicate with a circle of initiates, as well as the distinction between exoteric and esoteric teachings, demands critical interrogation of the use of language and media and the historical-institutional context in which each speech act is embedded. Such contextual analysis can bring to light the intimate connection between language and social hierarchies or hegemonic relations and dynamics, which is at the same time inextricably linked to questions of epistemic violence. As Gaiatri Chakravorty Spivak argues in her seminal essay “Can the Subaltern Speak?” (1988), knowledge of academic language and language games always implies involvement in, or exclusion from, epistemic discourses, and thus also automatic political visibility and participation.

In this context, among other things, the analysis of translations (and self-translations) is of central concern, be it in drawing attention to a particular publishing policy, in relation to the general field of exile studies, or in conceiving of translation as the potentially “violent” act of an interpreter in Martin Heidegger’s sense. Furthermore, if one also understands the word “translation” in a figurative sense, then the ongoing debate about the concept of “untranslatability” can be extended to the broader realm of aesthetic phenomena. Ludwig Wittgenstein had already sensitised us to the difficulty of translating a work of art into another medium or of adequately grasping it linguistically, which, taken to its logical conclusion, also means that aesthetics in the sense of a logical-discursive theory cannot exist; we have conscious silence or unending description (of language games) at our disposal.

To what extent, then, can the radical thesis of the unspeakability of aesthetic experience be upheld? What is the role of negation, what is the role of denotation? How many conditionalities limit the use of language in image criticism and in scientific writing? Do linguistic limits exist in critical reflections about images of violence? What function does the technique of ekphrasis and the description of art and images have in this context over different epochs? Last but not least, what is the relationship between the potential for violence in language and images of violence? These and other questions as well as the range of related thematic issues will be discussed at the transhistorical and transdisciplinary workshop.

The workshop will take place from 18 to 19 November 2022 online and – if possible – at the Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut.

Contributors are invited to present a short talk of about 20 minutes (followed by a discussion). We welcome specific case studies as well as methodological-systematic or theoretical investigations. Please send an abstract of max. 2,000 characters and a short CV (summarised in a pdf) in German, English or Italian by e-mail to:

gruendler@khi.fi.it
giovanna.targia@khi.fi.it

We kindly request that the abstract be submitted by 21 September 2022. Feedback on workshop participation will be provided by 7 October 2022.

Kontakt

E-Mail: gruendler@khi.fi.it
E-Mail: giovanna.targia@khi.fi.it

https://www.khi.fi.it/en/aktuelles/call-for-papers-applications.php