Call für DVPW-THEORIEKONGRESS
Ungewissheit ließe sich wohl ohne Übertreibung als die Signatur unserer Zeit beschreiben. So ist eine Vielzahl an Krisen und Herausforderungen der Gegenwart zu konstatieren, die uns in oftmals existenzieller Zuspitzung mit Ungewissheit konfrontieren: Von der Klimakrise über die COVID-Pandemie, die Krisen der neoliberalen Hegemonie und der liberalen Demokratien bis hin zu jüngst erneut deutlich aufbrechenden Konflikten über die Machtverteilung in der Weltgesellschaft gehen massive Ungewissheitserfahrungen aus. Nicht nur sind hier mögliche Lösungswege ungewiss, sondern es lässt sich zudem auch nicht antizipieren, welche neuen Krisen und Herausforderungen sich in womöglich bereits nächster Zukunft einstellen werden. Diese Situation bedarf der Reflexion durch die Politische Theorie und Ideengeschichte umso mehr, da sie sowohl etablierte politische Bewältigungsstrategien an ihre Grenzen bringt als auch gängige Narrative der neuzeitlichen Politischen Theorie in Zweifel zu ziehen scheint.
Erforderlich ist deshalb eine offene Problemexploration jenseits eingespielter paradigmatischer Positionen der Politischen Theorie der Gegenwart. Zudem ist Ungewissheit nicht nur ein drängendes Problem unserer Zeit, sondern die stete Begleitmelodie der Geschichte politischen Denkens, die sich mal mehr und mal weniger stark bemerkbar macht. Die Reflexion der Probleme unserer Zeit verspricht deshalb nicht nur durch einen synchronen Blick auf die pluralen Theorieangebote der Gegenwart Inspirationsquellen zu finden, sondern macht auch den diachronen Blick in die Wechselfälle der politischen Ideengeschichte erforderlich.
Zudem ist die Ungewissheit der Gegenwart fraglos kein Problem, das sich allein durch die Perspektive der Politischen Theorie im engeren Sinne erschließen lässt: Nicht nur reizvoll, sondern unabdingbar sind deshalb erkundende Dialoge zwischen der Politischen Theorie und anderen politikwissenschaftlichen Teildisziplinen. Schließlich ist es über den disziplinären Blickwinkel der Politikwissenschaft hinaus von großer Bedeutung, andere Disziplinen einzubeziehen und dabei die Perspektive von vornherein über den engen Blickwinkel westlichen Denkens hinauszutreiben: Bei den Ungewissheiten, mit denen wir gegenwärtig konfrontiert sind, handelt es sich zumeist um Weltprobleme, wobei die Welt, die den Kontext der Krisen und Herausforderungen darstellt, ihrerseits durch massive Ungleichheiten, Machtasymmetrien, Konflikte und epistemische Dissonanzen gekennzeichnet ist, die die Unsicherheiten und Ungewissheiten nicht nur verstärken, sondern in nicht unerheblichem Maße überhaupt erst konstituieren.
Der Kongress nimmt diese komplexe und herausfordernde Situation zum Anlass, zu einer gemeinsamen Problemreflexion einzuladen. Er ist offen für Beiträge aus allen Richtungen und Paradigmen der Politischen Theorie und Ideengeschichte und legt einen starken Akzent auf den Austausch zwischen Politischer Theorie und anderen Teil- und Nachbardisziplinen. Besonders willkommen sind deshalb Formate, die die Politische Theorie und andere politikwissenschaftliche Teildisziplinen oder Nachbarwissenschaften in einen kooperativen oder kontroversen Dialog bringen und dabei internationale Kolleg:innen einbeziehen. Theorieinteressierte Kolleg:innen aus anderen Teilen der Politikwissenschaft und anderen Disziplinen sind herzlich zur Einreichung von Vorschlägen eingeladen.
Der Kongress wird Panel- und Plenarformate kombinieren und nach Möglichkeit einen englischsprachigen International Track anbieten, der es insbesondere internationalen Teilnehmer:innen ermöglichen soll, möglichst durchgängig englischsprachige Veranstaltungen besuchen zu können.
In einer ersten Phase sind Vorschläge für Panels erbeten. Möglich sind Einreichungen in unterschiedlichen Formaten, wobei pro Panel-Veranstaltung nicht mehr als drei bis vier Vortragende eingeplant werden sollten:
- Geschlossene, halboffene und offene Panels
- Podiumsdiskussionen
- Author meets Critics
Die Auswahl der Einreichungen erfolgt durch eine Jury, die sich aus den Veranstalter:innen zusammensetzt. Deadline für Einreichungen von Panel-Vorschlägen im Umfang von max. 250 Wörtern ist der 31.10.2022. Im Falle von geschlossenen bzw. halboffenen Panels sind neben der Panel-Beschreibung die Namen, Vortragstitel und Kurzbeschreibungen der vorgesehenen Vortragenden anzugeben; im Falle von Podiumsdiskussionen und Author meets Critics-Veranstaltungen die Namen der vorgesehenen Diskutant:innen.
Die Entscheidung über die Annahme wird im Laufe des November 2022 mitgeteilt. Für die angenommenen halboffenen und offenen Formate wird danach ein separater Call for Papers mit der Deadline 08. Januar 2023 veröffentlicht.
Der Kongress wird im Rahmen der Sektion für Politische Theorie und Ideengeschichte der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) veranstaltet. Informationen finden sich auf der Homepage des Kongresses: http://www.timesofuncertainty.org/.
Veranstalter:innen:
- Laura Achtelstetter, Universität Augsburg (laura.achtelstetter@phil.uni-augsburg.de)
- Marlon Barbehön, Universität Heidelberg (marlon.barbehoen@ipw.uni-heidelberg.de)
- Oliver Flügel-Martinsen, Universität Bielefeld (oliver.fluegel-martinsen@unibielefeld.de)
- Verena Frick, Universität Göttingen (verena.frick@uni-goettingen.de)
- Viktoria Hügel, Universität Heidelberg (viktoria.huegel@ipw.uni-heidelberg.de)
- Sebastian Huhnholz, Universität Hannover (s.huhnholz@ipw.uni-hannover.de)
- Regina Kreide, Universität Gießen (Regina.Kreide@sowi-uni-giessen.de)
- Christian Leonhard, Universität Bremen (chleon@uni-bremen.de)
- Samia Mohammed, Universität Bremen (samia.mohammed@uni-bremen.de)
- Anna Meine, Universität Siegen (meine@politikwissenschaft.uni-siegen.de)
- Martin Nonhoff, Universität Bremen (mnonhoff@uni-bremen.de)
- Frank Nullmeier, Universität Bremen (frank.nullmeier@uni-bremen.de)
- Markus Patberg, Universität Hamburg (Markus.Patberg@uni-hamburg.de)
- Vanessa Ullrich, Universität Bielefeld (vanessa.ullrich@uni-bielefeld.de)
- Ragna Verhoeven, Bielefeld University (ragna.verhoeven@sciencespo-lille.eu)
Für organisatorische Fragen: Christian Leonhard, Universität Bremen (uncertain@uni-bremen.de).