Die Agrarfrage in der Globalisierung. Perspektiven im Lichte der neueren Agrargeschichte

Die Agrarfrage in der Globalisierung. Perspektiven im Lichte der neueren Agrargeschichte

Veranstalter
Archiv für Agrargeschichte in Zusammenarbeit mit dem Historischen Institut der Universität Bern und dem Institut für Geschichte des ländlichen Raumes (IGLR), St. Pölten
Veranstaltungsort
Käfigturm Bern
PLZ
3011
Ort
Bern
Land
Switzerland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
18.11.2022 - 18.11.2022
Von
Juri Auderset, Historisches Institut, Universität Bern

Das Aufkommen der «Agrarfrage» und die erste wirtschaftliche Globalisierung sind zwei untrennbar miteinander verflochtene historische Phänomene. Der Workshop beabsichtigt, diesen Wechselbeziehungen zwischen Agrarfrage und Globalisierung und dem Wandel der Landwirtschaft in der industriellen Moderne nachzugehen.

Die Agrarfrage in der Globalisierung. Perspektiven im Lichte der neueren Agrargeschichte

Das Aufkommen der «Agrarfrage» und die erste wirtschaftliche Globalisierung sind zwei untrennbar miteinander verflochtene historische Phänomene. Der Aufstieg des Industriekapitalismus sowie die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf der Grundlage des Zugriffs auf mineralische Ressourcen möglich gewordene Transport- und Verkehrsrevolution veränderten die globalen Marktordnungen für landwirtschaftliche Güter, Lebensmittel und Produktionsmittel grundlegend und schufen neue Herausforderungen, welche die Arbeits- und Lebenswelten der landwirtschaftlichen Produzent:innen ebenso veränderten wie die Ernährungskulturen der Konsument:innen. Kein anderer Wirtschaftszweig wurde von der ersten Globalisierung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts stärker getroffen als die Landwirtschaft, waren es doch in erster Linie Nahrungsmittel, die den Löwenanteil des globalen Handels ausmachten. Wenn die Zeitgenossen mit dem Begriff «Weltwirtschaft» die neuen Realitäten global verflochtener Güterströme zu fassen versuchten, dann waren dies zwar nicht ausschliesslich, aber doch mehrheitlich Ströme von Agrarprodukten. Mit diesen Nahrungs- und Futtermitteln zirkulierten indes immer auch Wissen, Technologien, Tiere und Menschen. Wissenschaftliche und praktische Studienreisen, die Beschäftigung mit landwirtschaftlichen Verhältnissen andernorts und wechselseitige transnationale Beobachtungsbewegungen intensivierten sich in diesem Zeitraum. Es ist kein Zufall, dass eine erste Welle der Gründung nationaler und internationaler Institutionen und der Organisation wissenschaftlicher Kongresse in den Bereichen Landwirtschaft und Ernährung in diese Jahrzehnte fällt. Als sich um die Wende zum 20. Jahrhundert die Debatten über die Rolle der Landwirtschaft in den Industriegesellschaften verdichteten, gehörten die Auseinandersetzungen mit den globalen Verflechtungen der landwirtschaftlichen Produktion, die aber immer unter lokal sehr unterschiedlichen Bedingungen stattfand, zu einem zentralen Diskussionspunkt, der seither kaum an Relevanz eingebüsst hat.

Dieser Workshop beabsichtigt, diese Wechselbeziehungen zwischen Agrarfrage und Globalisierung in historischer Perspektive zu beleuchten. Die Historiografie hat in den letzten zwei Jahrzehnten neue konzeptuelle Perspektiven entwickelt, um den Wandel der Landwirtschaft in der industriellen Moderne zu analysieren und zu interpretieren. Inwiefern ermöglichen praxeologisch inspirierte Ansätze wie die historische Untersuchung von «farming styles» oder wissenshistorische Perspektiven wie diejenige der «agrarisch-industriellen Wissensgesellschaft» das Themenfeld «Agrarfrage in der Globalisierung» neu zu befragen? Inwiefern lässt sich die Geschichte nationaler und internationaler Organisationen sowie transnationaler Kooperationen im Agrar- und Ernährungsbereich als Antwort auf die Erfahrungen und Herausforderungen der Globalisierung verstehen? Welche neuen historischen Erkenntnisse ermöglichen Konzepte wie «agro-food-regimes» oder «commodity regimes», wenn es darum geht, den Wandel der Landwirtschaft im Zeitalter verdichteter, aber stets auch fragiler und krisenanfälliger globaler Integrationsprozesse zu verstehen und zu erklären?

Programm

09:15 - 09:45
Begrüssung und Einführung: Juri Auderset, Peter Moser, Jessica Richter

09:45 - 10:45
Frontiers agrarisch-industriellen Wissens. Überlegungen zu einer Wissens- und Ressourcengeschichte der Landwirtschaft im Zeitalter der ersten Globalisierung, 1870er–1950er Jahre.
Juri Auderset, Universität Bern, Archiv für Agrargeschichte, Peter Moser, Archiv für Agrargeschichte

11:00 - 12:00
Bewegung von Wissen, Bewegung von Energie: Die Globalisierung der agrarisch-industriellen Wissensgesellschaft im späten neunzehnten Jahrhundert in Deutschland und den Vereinigten Staaten
Justus Hillebrand, Digital History Consulting, Maine

12:00 - 13:30
Mittagspause

13:30 - 14:30
Yangambi und die globale Kautschukfrontier. Cash Crops, Ernährung und sozialer Wandel in Belgisch-Kongo
Christof Dejung, Universität Bern, David Rentsch, Universität Bern

14:45 - 15:45
Das Erfassen der Globalisierung in Daten: „Wesentliche landwirtschaftliche Produkte“ in der Zwischenkriegszeit
Ines Prodöhl, University of Bergen

16:00 - 17:00
Landwirtschaftsstile, Nahrungsregime, Agrartransitionen: Perspektiven einer relationalen Agrargeschichte
Ernst Langthaler, Johannes Kepler Universität Linz, IGLR

17:00 - 17:30
Schlussdiskussion

Kontakt

info@agrararchiv.ch

https://www.histoirerurale.ch/afa/index.php/de/
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