Die andere Seite der Verfolgung. Selbstzeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts revisited

Die andere Seite der Verfolgung. Selbstzeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts revisited

Veranstalter
Redaktionsteam "Die andere Seite der Verfolgung. Selbstzeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts revisited"
PLZ
10117
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Findet statt
Digital
Vom - Bis
15.01.2023 - 01.03.2023
Von
Lara Raabe

Die Online-Plattform "Die andere Seite der Verfolgung. Selbstzeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts revisited" ist ein Quellen-Portal zu Selbstzeugnissen von Verfolgung. Gesucht werden Beiträge, die sich exemplarisch mit einem ausgewählten Selbstzeugnis einer verfolgten Person auseinandersetzen. Im Mittelpunkt soll dabei das Selbstzeugnis als geschichtswissenschaftliche Quelle stehen. Die Redaktion bittet um Vorschläge bis zum 15. Januar 2023.

Die andere Seite der Verfolgung. Selbstzeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts revisited

Immer noch werden Selbstzeugnisse verfolgter Menschen vor allem als Illustration zu bereits ausgearbeiteten Inhalten genutzt. Dabei bieten sie wesentlich mehr als nur eine Ergänzung, lässt sich doch anhand von Ego-Dokumenten auch auf eine andere Perspektive auf die Geschichte verweisen. Die Online-Plattform Die andere Seite der Verfolgung macht auf das Erkenntnispotential von Selbstzeugnissen aufmerksam und verdeutlicht deren Wert als historische Quellen. Dabei wollen wir vom Status der „lediglich“ Verfolgten weglenken, die Personen und ihre Verfolgungsgeschichten in den jeweiligen Erfahrungskontext einbetten und den Blick auf ein Individuum richten, das weit mehr als nur Verfolgte:r ist.Die auf der Plattform vorgestellten Quellen geben Menschen dabei eine Stimme zurück, die in der Geschichtsschreibung oft untergeht. Wie der Titel des Projekts bereits andeutet, wird so eine nahezu ausschließlich auf Täter:innenquellen gestützte Historiographie hinterfragt. Der Blick von der anderen Seite bietet die Möglichkeit für neue Betrachtungen. Der Fokus wird auf die eigene Wahrnehmung, Verarbeitung und den individuellen Umgang der Verfolgten mit ihren Geschichten gelenkt. Angestrebt wird dadurch ein multiperspektivischer Blick auf die dynamische Geschichte von Verfolgung im Sinne einer „integrierten Geschichte“ (Saul Friedländer).

Die Ursachen einer nach heutigen Rechtsmaßstäben unrechtmäßigen Verfolgung können vielfältiger Gestalt sein. Ein weiter Begriff von Verfolgung umfasst dabei politische, rassistische, sozialdarwinistische oder religiöse Motive sowie Verfolgung auf Basis von sexueller Orientierung oder Gender. Dementsprechend vielfältig sind auch die Selbstzeugnisse von Verfolgten. Sie reichen von Tagebucheinträgen, Briefen und Kalendern bis hin zu Reise- und Erinnerungsberichten in Prosaform.

Den zeitlichen und geografischen Schwerpunkt der Plattform bildet das Europa des 19. und 20. Jahrhunderts. Die extreme Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts wurde zurecht bereits häufig hervorgehoben. Mit seinen teils genozidalen Verfolgungsdynamiken kann es auch als Jahrhundert der Verfolgung gelten. Institutionelle Voraussetzungen dieser Dynamiken prägten allerdings schon das 19. Jahrhundert. So sind Schlüsselideologien wie der moderne Rassismus und Antisemitismus und die Herausbildung moderner bürokratischer Apparate samt technischer Zwangs- und Kontrollmechanismen bereits hier wiederzufinden. Das 19. und 20. Jahrhundert umfasst daher eine Zeitspanne, die es möglich macht, fundamentale Dynamiken von Verfolgung nachzuvollziehen und herauszuarbeiten. Dabei verlaufen Kontinuitäten von Verfolgungsgeschichten über klassische Periodisierungen wie Regierungswechsel oder Epochengrenzen hinaus und hinterfragen diese somit.

Gesucht werden Beiträge mit einer Länge von 1000-1400 Wörtern, die sich exemplarisch mit einem eigens ausgewählten Selbstzeugnis einer verfolgten Person auseinandersetzen. Im Mittelpunkt soll dabei das Selbstzeugnis als geschichtswissenschaftliche Quelle stehen. Die besprochenen Quellen sollten entweder in der Zeit der Verfolgung selbst verfasst worden sein oder einen Bezug zur Verfolgung herstellen. Die Beiträge sollten grundsätzliche Überlegungen zu den jeweiligen Potentialen und Grenzen der vorgestellten Quelle enthalten und diese in den historischen Kontext einordnen. Darüber hinaus könnten folgende Fragen thematisiert werden:

- Welche alternativen oder neuen Perspektiven eröffnen uns die Quellen auf die Geschichte der jeweiligen Verfolgung?
- Welche emotions- und erfahrungsgeschichtlichen Zugänge zur Verfolgungspraxis sind möglich? Wie nahmen die Individuen ihre Verfolgung war?
- Welche Aussagen über Agency lassen sich treffen? Welche Gegenstrategien entwickelten die Verfolgten?
- Ist die Einordnung in eine herkömmliche Zeiteinteilung für die Geschichte der Verfolgung sinnvoll? Bieten sich dafür, abseits von kanonischen Einteilungen, wie z.B. 1933-1945, neue Perspektiven?

Vorschläge für Beiträge senden Sie bitte mit einem kurzen Abstract sowie Lebenslauf bis zum 15.01.2023 an das Redaktionsteam unter redaktion@selbstzeugnisse-revisited.de. Die Beiträge erscheinen dann ab 01.03.2023 auf der wissenschaftlichen Plattform http://selbstzeugnisse-revisited.de/.

Das Projekt ist einer der Gewinner der internationalen Veranstaltung HistoryLab2022 des IBB Dortmund und wird mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes durchgeführt.