Johann Arnold Kanne (1773-1824): Literat und Soldat, Philologe und Mythologe, Orientalist und Christ

Johann Arnold Kanne (1773-1824): Literat und Soldat, Philologe und Mythologe, Orientalist und Christ

Veranstalter
Jonas Meurer
Veranstaltungsort
Otto-Friedrich-Univesität Bamberg
PLZ
96047
Ort
Bamberg
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
28.09.2023 - 29.09.2023
Deadline
15.03.2023
Von
Jonas Meurer, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Call for Papers - Tagung anlässlich des 250. Geburtstags 2023 und des 200. Todestags 2024 - Otto-Friedrich-Universität Bamberg

Johann Arnold Kanne (1773-1824): Literat und Soldat, Philologe und Mythologe, Orientalist und Christ

Einig waren sich die Zeitgenossen in ihrer Einschätzung Johann Arnold Kannes (1773-1824) nicht: Der Nobilitierung als „vielleicht tiefster Sprachforscher, der gelebt hat“ (August von Platen), als „genialer Altherthumsforscher“ (F. W. J. Schelling) mit „außerordentlichen Schreibkräften“ (Jean Paul) steht der Unmut oder Spott gegenüber, den „Kannes Idioticon Babel“ (J. W. Goethe), seine „erbärmlichen Wische“ (Caroline Herder) und später vor allem seine „religiöse Schwärmerei“ (Therese Huber), ja sein „Überchristentum“ (Jean Paul) erregten. Kannes Werk setzte mit philologischen und mythologischen Publikationen im Kontext seines Studiums bei Christian Gottlob Heyne in Göttingen ein, gefolgt von humoristisch-spöttischer Erzählprosa und Dramatik ('Blätter von Aleph bis Kuph'; 1801; 'Blepsidemus oder Nikolaus litterarischer Liebesbrief', 1802; 'Kleine Handreise', 1803), klar an Jean Paul orientiert, der ihn zeitweise förderte. 'Über die Verwandtschaft der griechischen und teutschen Sprache' (1804) markiert dann den Auftakt für eine Reihe von Abhandlungen, die der Methodologie und Wissensordnung der spekulativ-‚ganzheitlichen‘ romantischen Sprachphilosophie, Etymologie und Mythosforschung verpflichtet sind, darunter 'Erste Urkunden der Geschichte' (1808), 'Pantheum der Aeltesten Naturphilosophie' (1811) oder 'System der indischen Mythe' (1813). Diese prägten u.a. den jungen Jacob Grimm und beeinflussten E.T.A. Hoffmanns Arbeit am Goldnen Topf. Parallel dazu fand das im engeren Sinne literarische Werk eine Fortsetzung ('Gianetta, das Wundermädchen Roms', 1809; 'Geschichte des Zwillings a pede', 1811; 'Lappalien und gekrönte Preisschriften', 1814). In diesen Jahren führte Kanne ein unstetes und ökonomisch prekäres Leben, schloss sich mehrmals dem preußischen und österreichischen Heer an und geriet in Kriegsgefangenschaft. Durch Vermittlung Jacobis erhielt er 1809 eine Anstellung am neugründeten Realinstitut in Nürnberg, als Kollege u.a. Gotthilf Heinrich Schuberts. 1818 wurde er auf eine Professur für orientalische Sprachen in Erlangen berufen – trotz seiner grundsätzlichen Entfremdung vom Wissenschaftsbetrieb in Folge eines Erweckungserlebnisses Ende 1814. Der publizistische Schwerpunkt Kannes lag seitdem auf christlichen Traktaten, Erbauungsliteratur und der Herausgabe neupietistischer Sammelbiographien.

Kannes heterogenes und undiszipliniert anmutendes Werk wurde nicht kanonisiert. In Spezialdiskursen geriet der „Teufelskerl“ (Clemens Brentano) nach seinem Tod zwar nicht in Vergessenheit, doch sonst erinnerte man sich nur hin und wieder an den „sonderbaren Mann“ (Carl Schmitt) mit seiner „abenteuerlichen Biographie“ (Wilhelm Lehmann). Daher ist es das Ziel der Tagung, Kanne überhaupt oder neu zu lesen und eine erste allgemeine Bestandsaufnahme vorzunehmen. Im Anschluss an die bisherige Forschung – allen voran die einzig vorliegende, schmale Biographie Neumanns (1927), Schreys (1969) Monographie zu Kannes Mythoskonzeption(en), Willers (1999, 2000, 2003, 2004, 2012) umfassende Arbeiten zu seinem „furor etymologicus“ und schließlich Studien, in denen Kannes Rolle im Neupietismus (vgl. Hirzel 1998, Schnurr 2011, Schrader 2019) und generell in der Theologie (vgl. Benes 2022) des frühen 19. Jahrhunders thematisiert wird – und mit dem Ziel, diese zu ergänzen und systematisch zu erweitern, sind folgende Vorschläge willkommen:

- Zugriffe mit explizitem methodischem – etwa diskursanalytischem, wissenspoetologischem, autorschafts-, gattungs-, gender-, materialitäts- oder praxistheoretischem – Schwerpunkt;
- Analysen spezifischer ästhetischer oder argumentativer Verfahren Kannes mit Blick auf etwaige Kontinuitäten innerhalb des Werks;
- ‚close readings‘ von einzelnen im engeren Sinne literarischen Texten, die wissenschaftliche terra incognita sind;
- Rekonstruktionen von Beziehungen Kannes zu individuellen und institutionellen Akteuren des literarischen, wissenschaftlichen und religiösen Felds des frühen 19. Jahrhunderts;
- Beiträge zur Rezeption Kannes zum Beispiel in ‚klassisch-romantischen‘ Korrespondenznetzwerken oder in der zeitgenössischen Literaturkritik, die in 'Ein Recensent und noch einer' (1820) zum Thema avanciert, zum Einfluss seiner akademischen Lehre oder missionarischen Ambitionen, sowie zur ausbleibenden Kanonisierung;
- Ergebnisse von Archivrecherchen angesichts der dürftigen Überlieferungssituation abseits der Publikationen zu Lebzeiten.

Der Aufruf richtet sich an Forschende aller Qualifikationsstufen und aller kulturwissenschaftlichen Disziplinen. Die Kosten für Reise und Unterkunft werden – vorbehaltlich der Finanzierungszusage – übernommen. Für den Tagungsband sollen die Beiträge bis Ende März 2024 vorliegen, sie sind dann nach einer Rückmeldung und der Möglichkeit zur Überarbeitung bis Ende Juni zu finalisieren, damit die Publikation rechtzeitig zum 200. Todestag Kannes am 17. Dezember 2024 vorliegen kann.

Bitte senden Sie bei Interesse an einem maximal 30-minütigen Vortrag ein Exposé im Umgang von etwa 300 Wörtern sowie knappe bio-bibliografische Angaben bis zum 15. März 2023 an: jonas.meurer@uni-bamberg.de

Die bis dato ausführlichste Bibliographie der Publikationen Kannes sowie eine Auswahlbibliographie zu Rezeption und Forschung ist auf der Tagungshomepage einsehbar: https://www.uni-bamberg.de/germ-lit1/forschung/johann-arnold-kanne/

Kontakt

jonas.meurer@uni-bamberg.de

https://www.uni-bamberg.de/germ-lit1/forschung/johann-arnold-kanne/