„Alles altert und verjüngt sich wieder. Warum sind wir ausgenommen vom schönen Kreislauf der Natur? Oder gilt er auch für uns?“, fragt Hölderlins Romanheld Hyperion in Erinnerung an seine Jugendzeit, „da auch mir die Freude der Unsterblichkeit in allen Pulsen schlug“ (_Hyperion_I, 27).
Verjüngung oder auch: Erneuerung, Verwandlung, Wiederkehr und Palingenesie – diese Ideen ziehen sich nicht nur als poetisch-philosophische Leitmotive durch Hölderlins gesamtes Werk, sie können mithin als ein Strukturmerkmal eines Schaffens verstanden werden, dem es in seiner Grundbewegung wesentlich um Wiedergewinnung und Belebung eines Ursprünglichen, Umbruch und Aufbruch im Zeichen von Natur und Göttlichem zu tun ist. Getragen vom Impetus des Erweckens der Zeitgenossen durch das begeisternde Wort, beansprucht auch Hölderlins Dichtung eine verjüngende Wirkung, indem sie darauf zielt, im beständigen Zurückführen auf den Ursprung, auf die ewige und „heilige Natur“, den Menschen und seine Verhältnisse die erneuernden Kraft der „Allesverwandelnde[n]“ (StA II, 23) erfahren zu lassen.
Mit der ersten Tagung des Jungen Hölderlinforums wollen wir den Ideen- und Motivkomplex der Verjüngung, wie er sich in Hölderlins Werk zeigt, aber auch in seiner Zeit oder bei ideengeschichtlichen Vorläufern und in möglichen Nachwirkungen auf andere Epochen, aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten.
Willkommen sind daher ebenso Beiträge, die sich dem Thema aus ideen- und philosophiegeschichtlicher, aus literatur- und kulturwissenschaftlicher wie aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive zu nähern suchen.
Denkbar sind u.a. folgende Themenbereiche und Aspekte:
Begriffs- und ideengeschichtliche Dimension: Verjüngung/Palingenesie als Konzept in Hölderlins Dichtung, in Mythologie (z.B. Hesperiden, Iduna), in der Philosophiegeschichte (Pythagoräer, Platon, Neuplatonismus) oder der politischen Ideengeschichte (etwa das Palingenesie-Konzept als Mythologem des Faschismus).
Philosophische Dimension: Verjüngung als Element des Hölderlinschen bzw. zeitgenössischen Natur-Begriffs im Umfeld des deutschen Idealismus, als naturmorphologische Denkfigur geschichtsphilosophischer Reflexion (etwa von Zeitaltern und Revolutionen).
Poetologische Dimension: Verjüngung als Leitidee in Hölderlins Bemühungen um eine Erneuerung der poetischen Sprache, wie sie sich einerseits in Motivik, Sprache und Performanz seiner Dichtungen manifestiert, andererseits in seinen dichtungstheoretischen Überlegungen, angeregt etwa von Herders Aufsatz Iduna oder Die Äpfel der Verjüngung (1796).
Politische Dimension: Verjüngung im Zusammenhang von Hölderlins politischem und kulturellem Erneuerungsdenken („Revolution der Gesinnungen und Vorstellungsarten“, StA VI, 229): Motive der Umkehr, der Verwandlung oder Rückkehr zum Ursprung, die Figur des „Jünglings“ in Helden- und Stromgedichten oder die Konzeption des sozialen und politischen Wandels im Hyperion und im Empedokles.
Biographisch-existenzielle Dimension: (autobiographische) Reflexionen in Gedichten und Briefen über Jugend und das Altern, über Sterblichkeit und Unsterblichkeit.
Rezeptionsgeschichtliche Dimension: Verjüngung als Idee eines poetischen und theoretischen Wiederauflebens von Hölderlins Denken und Dichten z.B. in der Gegenwartslyrik.
Ziel der Nachwuchstagung ist es, sich unterschiedlichen Aspekten des Verjüngungsdenkens um 1800 anzunähern und in einen produktiven Dialog zu bringen. Einen weiteren Teil der Tagung bildet ein Schreibworkshop, der dazu einlädt, die gewonnenen Perspektiven kreativ umzusetzen.
Die Tagung findet vom 9. bis 10. Juni 2023 in der Villa Wertheimber in Bad Homburg statt. Auf der Tagung werden die Vorträge (max. 30 min) von einer kurzen vorbereiteten Response (max. 10 min) begleitet, die dann die folgende Diskussion einleitet.
Interessierte, die einen thematischen Vortrag halten wollen, laden wir dazu ein, kurze Beitragsvorschläge (ca. 300 Wörter) einzusenden.
Interessierte, die eine kurze Response vorbereiten wollen, laden wir dazu ein, ihr Interesse an dem Thema kurz darzulegen (ca. 100 Wörter ).
Vorträge können auf Deutsch und Englisch gehalten werden, die Arbeitssprache ist primär Deutsch.
Zusendungen bitte bis zum 1.3.2023 an Maxwell Phillips unter folgender Adresse: hoelder.fm@mailbox.org
Alle aktiv Beteiligten (Vortragende und Respondierende) werden mit einer Aufwandspauschale für Reise- und Übernachtungskosten finanziell unterstützt.
Die Nachwuchstagung wird veranstaltet vom Jungen Hölderlinforum mit finanzieller Unterstützung vonseiten der Hölderlin-Gesellschaft, des Geschichtsvereins für Landeskunde Bad Homburg vor der Höhe, des Kulturamtes der Stadt Bad Homburg vor der Höhe sowie der Professur Neuere Deutsche Literatur (Prof. Dr. Christian Metz) der RWTH Aachen.
Organisation: Laura Bon, Hendrik Buhr, Tobias Christ, Nina Janz, Lisa Memmeler, Maxwell Phillips, Tim Alexander Willmann