Die Frage nach der Grenze bzw. dem Widerspruch zwischen legitimen Widerstand oder gar innovativen Grenzüberschreitungen und der Wahrnehmung oder Zuschreibung solche Handlungen als Kriminalität haben eine lange Tradition in der historischen Kriminalitätsforschung. Unter den Schlagworten der Justiznutzung und der Zuschreibung von Kriminalität sind diese Aspekte vor allem hinsichtlich der Aneignung eines erst einmal abstrakten Rechts in die Lebenswirklichkeit der vergangenen Gesellschaften erforscht worden. Gleichzeitig gaben diese Aneigungungsformen immer wieder Impulse aus der Gesellschaft zur Ausgestaltung und Weiterentwicklung des Rechts. Besonders in den 1990er Jahren stand überdies die Entdeckung von Kriminalakten zur Analyse eines weitgefächerten Themenrepertoires zur Geschichte des „Kleinen Mannes“, vieler Neuentdeckungen der Frauen- und Geschlechtergeschichte und zahlreicher Erzählungen über den Alltag im Mittelpunkt. Solche Forschungen besaßen ein hohes Innovationspotential für die Geschichtsforschung.
Heute dominieren True Crime Podcasts und Public History-Dokumentationen das Feld der Erzählung über das Verbrechen, die sich in der Öffentlichkeit großer Beliebtheit erfreuen. Dabei überwiegt manchmal die Lust am Schauer oder der Grusel über Mord und Totschlag. Seltener wird auch über den sozialrebellischen oder sozialinnovativen Charakter des „Widerstands“ reflektiert, der gesellschaftliche Veränderungen ermöglichte oder erzwang. Ähnliches gilt für die Zuschreibung in einem Repertoire zwischen „legitimen oder notwendigen Widerstand“ und „Terrorismus“ gegen die bestehende Ordnung, die das gesellschaftliche Spannungsfeld charakterisierten.
Der Stadtgeschichtsverein Halle (Saale) [https://www.stadtgeschichte-halle.de/] möchte diese Thematik zum Gegenstand des 23. Tags der Stadtgeschichte machen. In Form des üblichen Tagungsprogramms sollen Vorträge zu diesem Thema bevorzugt am Beispiel der Stadt Halle oder des städtischen Nahraums diskutiert werden. Willkommen sind aber auch Beiträge programmatischen oder vergleichenden Charakters. Der Verein ist dabei offen für kreative Formate auch abseits von Vorträgen, die geeignet sind, das Interesse des Publikums an „True Crime-History“ mit einzubinden und begleitend zur Tagung stattfinden könnten. Wert legen wir auf die Vermittlung historischen Wissens.
Wir freuen uns über Ihre Ideen und ein Call for Paper und würden uns über Einreichungen per PDF mit kurzer CV und Kontaktdaten bis zum 24. März 2023 freuen. Der eigentliche Beitrag (Abstract) sollte den Umfang von 3.500 Zeichen möglichst nicht überschreiten. Fahrkosten und Unterbringung zur Veranstaltung können vom Verein bei Bedarf übernommen werden.