Zwischen Technokratisierung und Demokratieanspruch: Zur Relevanz technisch-naturwissenschaftlichen Wissens in Politik und politischer Bildung

Zwischen Technokratisierung und Demokratieanspruch: Zur Relevanz technisch-naturwissenschaftlichen Wissens in Politik und politischer Bildung

Veranstalter
DVPW Sektion Politikwissenschaft und Politische Bildung
Veranstaltungsort
Universität Potsdam
PLZ
14482
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
07.09.2023 - 08.09.2023
Deadline
15.07.2023
Von
Isabelle-Christine Panreck, Katho NRW

Am 7. und 8. September 2023 findet an der Universität Potsdam die Jahrestagung der Sektion "Politikwissenschaft und Politische Bildung" der DVPW zum Thema "Zwischen Technokratisierung und Demokratieanspruch: Zur Relevanz technisch-naturwissenschaftlichen Wissens in Politik und politischer Bildung" statt. Die Tagung will Wissenschaftler:innen disziplinübergreifend in den Austausch bringen.

Zwischen Technokratisierung und Demokratieanspruch: Zur Relevanz technisch-naturwissenschaftlichen Wissens in Politik und politischer Bildung

Die Coronapandemie verdichtete den Blick auf technisch-naturwissenschaftliche Expertise und ihre Wirkkraft im politischen Diskurs. In den Mittelpunkt der Kontroverse rückt, welchen Einfluss wissenschaftliche Implikationen, insbesondere technisch-naturwissenschaftliche Evidenz, auf politische Entscheidungen haben sollten. Diese Frage beschränkt sich nicht nur auf die Pandemiepolitik, sondern entfaltet auch im Kampf gegen den Klimawandel Relevanz. So stießen wissenschaftliche Erkenntnisse über Treibhausgase (FCKW) ein Umdenken in der globalen Politik an. Zugleich warnte etwa Priester (2019) vor der Gefahr der Technokratisierung. Hieran schließt sich die Frage an, ob Krisen – und damit auch der Ruf nach wissenschaftlicher Expertise – eher die Ausnahme sind, oder ob diese Krisenhaftigkeit ein konstitutives Merkmal der Demokratie ist. In beiden Fällen gilt (wenn auch in verschiedener Dringlichkeit): Das Verhältnis von Wissen und Macht bedarf einer demokratischen Aushandlung (z. B. Schuppert et al. 2022). Hierbei gilt es auch, die Effekte technisch-naturwissenschaftlicher Einsichten auf politische Beteiligung zu beleuchten. So beleben diese einerseits die Zivilgesellschaft (bspw. die Umweltbewegung, fridays-for-future), andererseits bergen sie Konfliktpotenzial (so im Falle der Aktionen der Gruppe Last Generation).

Im Bildungskontext stößt zuvorderst die Dominanz evidenzbasierter Verwertungslogiken auf Kritik: „Die Tendenz zur Datifizierung vieler Handlungsbereiche unter anderem in der Bildung […] wirft grundlegende Fragen nach der Veränderung des Sozialen und des Pädagogischen auf, die in immer stärkerem Maße von der allgemeingesellschaftlichen technologischen Veränderung betroffen sind“ (Höhne/Kracher 2022: 60). In Bezug auf politische Teilhabe und Bildung lässt sich fragen, wo Möglichkeiten und Grenzen einer kritischen Perspektive gegenüber entgrenztem Wissen und einer inkorporierten technologiegeprägten Wirklichkeit bestehen. Unvermeidlich scheint eine Erweiterung des datenbasierten Wissens (data, statistical bzw. digital literacy) und die Verbindung zur Informations- und Medienbildung. Gerade die hohe gesellschaftliche Relevanz bei vergleichsweiser dünner struktureller Verankerung in der (schulischen) politischen Bildung provoziert die Frage nach Schnittmengen von mathematisch-naturwissenschaftlicher und politischer Bildung. Wechselseitige Vor-teile naturwissenschaftlicher und gesellschaftlicher Bildung scheinen mithin nur unzureichend ausgeschöpft.

Die Tagung will daher die verschiedenen Disziplinen ins Gespräch bringen, Hindernisse und Herausforderungen identifizieren und nach innovativen Lösungswegen suchen. Wir freuen uns über Vorschläge für Vorträge und Workshops, z. B. zu folgenden Themenkomplexen:

Panel I: Wissen, Politik und Demokratie
- Wie können wissenschaftliche Erkenntnisse, Politik und Demokratie in ein fruchtbares Verhältnis gesetzt werden, z. B. im Feld der Klimapolitik?
- Welche Bedeutung hat Szientismus heute – politisch und gesellschaftlich?
- Ist die politisch-gesellschaftliche Teilhabe durch einen digitalGap gefährdet?
- Welche Rolle nimmt mathematisch-naturwissenschaftliche Evidenz im derzeitigen Wissenstransfer und der politischen Kommunikation ein?
- Inwieweit stellen technologiebasierte Wissens- und Machtproduktion aktuell eine Gefahr für die Demokratie dar und wie kann dieser ggf. begegnet werden?

Panel II: Technik, Naturwissenschaft und Bildung
- Wie kann politische Bildung politische Urteilsfähigkeit auch als Kritik technologisierter, digitalisierter Argumentationslogiken ermöglichen?
- Welchen Beitrag zur politischen Bildung und Teilhabe leistet der mathematische und naturwissenschaftliche Unterricht?
- Ist politische Bildung jenseits der Arbeit mit Daten noch zeitgemäß?

Panel III: offenes Panel für neue Ideen und Projekte
Dieses offene Panel gibt Raum für innovative Ideen, neue Perspektiven und aktuelle/geplante Projekte sowie Drittmittelanträge.
Jenseits der Panels sind Ideen für Workshops ebenso willkommen. Dies gilt zudem für wissenschaftliche Be-richte und Evaluationen von Praxen und Projekten im Bereich des Tagungsthemas.

Die Veranstalter:innen ermutigen insbesondere Wissenschaftler:innen in der Qualifizierungsphase sowie Kolleginnen zur Bewerbung. Vorschläge im Umfang von 250-500 Wörtern sind bis zum 15. Juli 2023 an polbil@dvpw.de zu richten. Beiträge sind in deutscher und englischer Sprache möglich. Es ist ein Tagungsband beabsichtigt.

Ansprechpartner:innen:
Dr. Luisa Girnus, Universität Potsdam, luisa.girnus@uni-potsdam.de
Prof. Dr. Isabelle-Christine Panreck, Kath. Hochschule NRW, ic.panreck@katho-nrw.de
Prof. Dr. Marc Partetzke, Universität Hildesheim, partetzke@uni-hildesheim.de

Literatur
Höhne, T., Karcher, M. (2022). Daten, Daten, Daten!! Zur Technologisierung von Bildung und Kritik durch Digitalisierung. In: Bremer, H., Dobischat, R., Molzberger, G. (Eds.) Bildungspolitiken. Bildung und Arbeit, vol 7. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-36909-5_3
Priester, K. (2019). Populismus–Technokratie–Demokratie. Populismus–Aufklärung–Demokratie, Baden-Baden: Nomos, 91-112.
Schuppert F., Römhildt R. A., & Weingart P. (Eds.) (2022). Herrschaft und Wissen (Interdisziplinäre Studien zur Wissensgesellschaft, 2) 1st ed. Baden Baden: Nomos

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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
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