Katarina Kezeric, Zentrum für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin
Dienstag, 25. April 2023
(18:15–19:45 Uhr via Zoom)
Dieter Pohl (Universität Klagenfurt): Nationalsozialistische Gewalt in Gesamtperspektive
Nach Jahrzehnten intensiver Beschäftigung mit den nationalsozialistischen Massenverbrechen ist die Forschung kaum mehr zu überblicken. Lediglich zum zentralen Feld der NS-Verbrechen, dem Holocaust, liegen Synthesen vor. Dabei ist es sinnvoll, den Zusammenhang zwischen den einzelnen Feldern der Verfolgung zu sehen, um die Schritte der Radikalisierung zu verstehen, aber auch um größere historische Vergleiche zu ziehen.
Mittwoch, 24. Mai 2023
(18:15–19:45 Uhr, Historicum München: Raum Amalienstr. 52 / K 001)
Wolfgang Schneider (Universität Heidelberg): „Schuldig des Verrats an der sozialistischen Heimat und der aktiven Kollaboration mit faschistischen Mächten“ – Sowjetische Kollaborationsprozesse gegen jüdische Funktionäre transnistrischer Ghettos, 1944–1949
Der Vortrag beleuchtet sowjetische Kollaborationsprozesse gegen Judenräte und jüdische Polizisten transnistrischer Ghettos und streicht die Widersprüchlichkeit dieser Prozesse heraus. Zwischen 1944 und 1949 eröffneten sowjetische Behörden solche Strafverfahren gegen mindestens 51 Angeklagte. Die Zeugen waren fast ausschließlich Überlebende der jeweiligen Ghettos. Die Behörden boten in den Verfahren einerseits oft einen kommunikativen Raum, in dem Überlebende staatliche Anerkennung für ihre Opfererfahrung fanden. Zeugen und Angeklagte nutzten diesen Raum, um die widersprüchliche Rolle der jüdischen Funktionäre im Ghetto zu diskutieren. Andererseits instrumentalisierten die sowjetischen Strafverfolger die Prozesse regelmäßig für verschiedene Ziele (von banaler Korruption bis zu Repressionen jüdischer Gemeindestrukturen). Der Vortrag stellt diese Widersprüche anhand übergreifender Muster und ausgewählter Fallbeispiele heraus. Er diskutiert außerdem theoretische und methodische Fragen die sich bei der Analyse dieser Strafverfahren stellen. Wie solche Verfahren begrifflich fassen – als „politische Justiz“ oder Wirken eines Fraenkelschen „Doppelstaats“? Und welche Methoden erlauben es, sowjetische Justizakten adäquat zu analysieren?
Dienstag, 06. Juni 2023
(18:15–19:45 Uhr, Historicum München: Raum Amalienstr. 52 / K 001)
Katharina Stengel (Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main): Die NS-Verfolgten als Zeug:innen der Anklage
Tausende von ehemaligen KZ-Häftlingen und Holocaust-Überlebenden sagten in der Nachkriegszeit als Zeug:innen vor bundesdeutschen Gerichten in den NS-Prozessen aus. Über ihre Rolle in den Verfahren, den juristischen Stellenwert ihrer Aussagen, aber auch über ihre Erfahrungen und eigenen Anliegen vor Gericht ist bislang wenig bekannt. Am Beispiel von vier Auschwitz-Prozessen aus den 1950er- bis 1970er-Jahren hat Katharina Stengel den Beitrag der Überlebenden zur Strafverfolgung der NS-Verbrechen untersucht.
Dienstag, 04. Juli 2023
(18:15–19:45 Uhr, Historicum München: Raum Amalienstr. 52 / K 001)
Katrin Stoll (Imre Kertész Kolleg): Ortsbezogene Forschung im geographischen Zentrum der Shoah: Zur historiographischen Praxis der survivor-researchers in Polen in ihren Kontexten
Die Nationalsozialisten machten das deutsch besetzte Polen (Generalgouvernement) und die ins Deutsche Reich eingegliederten polnischen Gebiete zum geographischen Zentrum des Massenmords an den europäischen Juden und Jüdinnen im Zweiten Weltkrieg. Von den 3,3 Millionen polnischen Juden und Jüdinnen überlebten nur ca. 30.000 die deutsche Besatzung. Der Vortrag handelt von der historiographischen Praxis der wenigen polnisch-jüdischen Überlebenden an den Tatorten, die nach der Befreiung der ostpolnischen Gebiete durch die Rote Armee im Sommer 1944 begann und im Kontext neuer jüdischer Institutionen, fortdauernder antisemitischer Gewalt und einer veränderten Struktur der Gesellschaft in Polen stattfand.