Hallescher Pietismus und "Orient". Dynamiken globaler religiöser Interaktionen im 18. Jahrhundert

Hallescher Pietismus und "Orient". Dynamiken globaler religiöser Interaktionen im 18. Jahrhundert

Organizer
Daniel Haas, Universität Hamburg; Stefano Saracino, Friedrich-Schiller-Universität Jena; Stanislau Paulau, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; Holger Zaunstöck, Franckesche Stiftungen zu Halle; Friedemann Stengel, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Franckesche Stiftungen zu Halle)
Host
Franckesche Stiftungen zu Halle
Venue
Franckesche Stiftungen, Franckeplatz 1, Haus 52, Neubauer-Saal
Funded by
Franckesche Stiftungen zu Halle; Johanna Quandt Young Academy; Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; Universität München;Universität Hamburg
ZIP
06110
Location
Halle (Saale)
Country
Germany
Takes place
In Attendance
From - Until
27.09.2023 - 29.09.2023
Deadline
20.09.2023
By
Daniel Haas, DFG-Graduiertenkolleg "Interkonfessionalität in der Frühen Neuzeit", Universität Hamburg

Bereits in der formativen Phase des Halleschen Pietismus stellte der "Orient" einen zentralen Bezugspunkt und zugleich eine wichtige Projektionsfläche dar. Der Workshop widmet sich einer Vielzahl an Initiativen der Pietisten in Bezug auf den "Orient" im Verlauf des 18. Jahrhunderts.

Hallescher Pietismus und "Orient". Dynamiken globaler religiöser Interaktionen im 18. Jahrhundert

In der formativen Phase des Halleschen Pietismus stellte der "Orient" einen zentralen Bezugspunkt und zugleich eine wichtige Projektionsfläche dar. Diese Fokussierung beruht wesentlich auf dem praxisorientierten Interesse an der weltweiten Mission und der Kontaktaufnahme mit den christlichen Kirchen Osteuropas, West- und Südasiens sowie Nordostafrikas, aber auch auf einer Konjunktur der orientalischen Philologie an der 1694 gegründeten Universität Halle als einer jungen und sich in Aufschwung befindlichen Wissenschaftsdisziplin. August Hermann Francke, der seine Laufbahn an der Universität Halle ausgerechnet als Professor für orientalische Sprachen begonnen hat, hat diese zwei Traditionsstränge der Wissensproduktion in Bezug auf den "Orient" zusammengeführt und durch die Gründung des Collegium Orientale Theologicum bereits 1702 institutionalisiert. Noch in den nachfolgenden Generationen Hallescher Pietisten spielte der "Orient" eine gewichtige Rolle, wie sich zum Beispiel am 1728 gegründeten Institutum Judaicum et Muhammedicum des Francke-Schülers Johann Heinrich Callenberg zeigt.

Einzubetten ist diese für den Pietismus prägende Entwicklung in den größeren europäischen Kontext protestantischer Auseinandersetzungen mit dem "Orient". Angefacht durch die Informationen über erfolgreiche missionarische Projekte der katholischen Konkurrenz machte sich ab dem 17. Jahrhundert auch unter den Angehörigen der protestantischen Konfessionen ein Aktionismus breit, der auf die Ostchristen fokussiert war. Neben dem Judentum, welches im Halleschen Pietismus auch als eine explizit "orientalische" religiöse Erscheinung greifbar ist, geriet auch der Islam in den Blick der Hallenser.

Der Workshop widmet sich der Vielzahl an Initiativen, die aus diesem Aktionismus hervorgingen und in vielen Fällen nie über das Stadium der Planung hinauskamen. Es soll fokussiert werden, wie von mobilen Akteuren ebenso wie von Daheimgebliebenen verschiedene Räume und religiöse Traditionen als spezifisch "orientalisch" imaginiert wurden. Ebenso soll die Ambivalenz dieser Projektionen herausgestellt werden, zwischen dem "Orient" als Sehnsuchtsort (etwa als Ort der Überlieferung eines genuinen Christentums und potentieller antikatholischer Verbündeter) und als Abschreckungsort (an dem etwa Aberglaube und Rückständigkeit vorherrschten).

Der "Orient" lässt sich demzufolge als eine polysemantische und äußerst heterogene Leitkategorie verstehen, die für die pietistische Weltwahrnehmung und -beschreibung im 18. Jahrhundert von zentraler Bedeutung war. Die Komplexität dieses imaginären Raumes erfordert eine dezidiert interdisziplinäre Betrachtungsweise, die im Rahmen des Workshops ermöglicht werden soll. Dabei ist insbesondere nach der Bedeutung des "Orients" – oder vielmehr von jeweiligen Vorstellungen von dem "Orient" – für Mobilitätspraktiken und die Herstellung von Zugehörigkeit zu fragen. In den Fokus genommen werden sollen auch die Dynamiken der Interaktion zwischen beteiligten Akteuren inner- und außerhalb des Halleschen Pietismus (etwa Leitung des Waisenhauses, reisende Missionare, protestantische Händler, diplomatische Vertretungen europäischer politischer Entitäten im Osmanischen Reich usw.). Auch wurde den von Halle gesteuerten oder aber inspirierten missionarischen Praktiken im Osmanischen Reich bisher weitaus weniger Aufmerksamkeit zuteil, als denen in anderen missionarischen Aktionsräumen wie zum Beispiel Nordamerika oder Indien.

Anmeldung für Gäste bis zum 20. September 2023 an annegret.jummrich@izp.uni-halle.de.

Programm

Mittwoch, 27. September 2023

15.00 Uhr
Begrüßungskaffee

16.00–18.00 Uhr
Führung durch die Kunst- und Naturalienkammer, die Jahresausstellung "Streit. Menschen, Medien, Mechanismen im 18. Jahrhundert und heute" sowie die Bibliothek der Franckeschen Stiftungen mit Präsentation ihrer "Orient"-Bestände

Donnerstag, 28. September 2023

09.00 Uhr
Begrüßung und Einführung

09.15 Uhr
Panel 1

Peter Heyling und "die zerfallenden Kirchen des Orients": Zur Genealogie protestantischer Mission von Johann Heinrich Michaelis bis Gustav Warneck (Stanislau Paulau, Halle)

Zum Verhältnis von Halleschem Pietismus und Christlichem Orient in Johann Heinrich Callenbergs "Neuester Kirchengeschichte" (Daniel Haas, Hamburg)

10.45 Uhr
Kaffee

11.15 Uhr
Panel 2

Heinrich Wilhelm Ludolf und die Hoffnungen der Pietisten in die "griechische Nation" (Stefano Saracino, Jena/München)

Serapheim aus Mytilene zwischen London, Halle und Moskau (Nikolas Pissis, Korfu)

12.45 Uhr
Mittagspause

14.00 Uhr
Panel 3

Makarios 'der Ägypter' in Balthasar Köpkes "Wahrer Theologia Mystica" (Martin Illert, Halle)

Beziehungen zwischen der Metropolie von Karlowitz und Halle im 18. Jahrhundert (Dragana Grbić, Köln)

15.30 Uhr
Kaffee

16.00 Uhr
Panel 4

Armenische Studien in Halle im Spiegel der historischen Buchbestände der Franckeschen Stiftungen (Paulien Wagener, Halle)

"Orientalisches" Judentum als das Andere des "vernünftigen" Christentums? Konstruktionen bei Johann David Michaelis und anderen Theologen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Thea Sumalvico, Halle)

Freitag, 29. September

09.00 Uhr
Panel 5

Christian Benedict Michaelis (1680–1764) and Arabic Studies in Eighteenth-Century Halle (Simon Mills, Newcastle)

Islamwissenschaftliche Perspektiven auf pietistische Orientreiseberichte (Ralf Elger, Halle)

10.30 Uhr
Kaffee

11.00 Uhr
Panel 6

Das pietistische Netz in Venedig und die Verbindungen der beiden Franckes in das östliche Mittelmeer (Magnus Ressel, Bremen)

Aneignungen der Grabeskirche. Gesammelte Topologien (Silke Förschler, Jena)

12.30 Uhr
Abschlussdiskussion

13.00 Uhr
Ende

Contact (announcement)

Inhaltliche/organisatorische Fragen an:
E-Mail: daniel.haas@uni-hamburg.de

https://www.francke-halle.de/de/forschung