Digitale Spiele im Wandel: Technologien – Kulturen – Geschicht(en)

Digitale Spiele im Wandel: Technologien – Kulturen – Geschicht(en)

Veranstalter
Fachgruppe Kommunikationsgeschichte der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Kooperation mit dem Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele
PLZ
28195
Ort
Bremen
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
24.01.2024 - 26.01.2024
Deadline
16.10.2023
Von
Annika Keute, Fachbereich Kommunikationswissenschaft, Paris Lodron Universität Salzburg

Jahrestagung der Fachgruppe Kommunikationsgeschichte der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Kooperation mit dem Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele zum Thema "Digitale Spiele im Wandel: Technologien – Kulturen – Geschicht(en)"

Digitale Spiele im Wandel: Technologien – Kulturen – Geschicht(en)

Digitale Spiele sind kein gesellschaftliches Randphänomen. Computer- und Konsolenspiele sowie Mobile Games sind heute generationenübergreifend festes Inventar in tiefgreifend mediatisierten Lebenswelten und haben in ihrer medienökonomischen Relevanz nicht nur zu anderen Branchen aufgeschlossen, sondern sind einer der dominanten Sektoren der Medienindustrie geworden. Spiele und Gaming sind und waren Katalysatoren der Entstehung von eigenen Medienkulturen und mittlerweile für bereits mehrere Generationen von Spieler:innen ein wesentliches Element mediatisierter Alltagskultur. Die Spieleentwicklung hat sich weithin etabliert und professionalisiert. In Spielen, durch Spiele und um Spiele herum haben sich in den vergangenen Jahrzehnten wiederkehrend innovative mediale Ausdrucksformen, eigenständige Kommunikationszusammenhänge und Medien der Peripherie- und Begleitkommunikation herausgebildet. In transmedialen Verwertungsensembles sind große Blockbuster-Franchises kaum noch vorstellbar, die nicht auch oder initial als digitale Spiele erscheinen, bzw. umgekehrt entstehen immer mehr Blockbuster Franchises aus Spielen heraus und werden nachträglich als Filme und Graphic Novels weiter verwertet. Schließlich ist auch das Spielen selbst über E-Sport oder Game-Streaming zu einer Profession geworden, die massive Umsätze und Publikumsinteresse generiert.

In diesem Sinne fungieren Games und Gaming gleichermaßen als Träger und Beschleuniger medialen Wandels und bilden eine Schnittstelle zwischen Medienindustrien, Medientechnologien, Medienkulturen, Geschichtskulturen und -politiken und Medienpraktiken.
Somit bieten digitale Spiele einen Beobachtungsfall par excellence, um zeitgenössische gesellschaftliche und medienkulturelle Transformationsprozesse in Folge von Mediatisierung, Digitalisierung und Datafizierung in diachroner Perspektiven zu analysieren. Spiele waren bereits ein wesentlicher Beitragsfaktor zur Computerisierung von Privathaushalten ab den 1980er Jahren und bleiben bis heute ein Motiv sich Computer, Konsolen oder andere medientechnologische Innovationen (wie etwa bei VR-Applikationen) anzuschaffen und tragen somit zur Domestizierung, zur Durchsetzung teils aber auch zum Scheitern von neuen Medientechnologien bei. Gleichzeitig sind digitale Spiele auch wiederkehrend Kristallisationspunkte von Diskursen rund um die schädlichen oder positiven Folgen der digitalen Transformation auf individueller (well-being) und gesellschaftlicher (Gewalt, Abstumpfung, Radikalisierung) Ebene.

Etwas mehr als 50 Jahre nach der Veröffentlichung der Automatenversion von PONG, rund 40 Jahre nach Super Mario und dem Commodore 64, knapp 30 Jahre nach Lara Croft auf der originalen Playstation und 15 Jahre nach Farmville, macht die Fachgruppe Kommunikationsgeschichte in Kooperation mit dem Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele die Geschichte und Mediatisierung digitaler Spiele und der sie umgebenden, begleitenden und formenden Kommunikationen und Transformationen zu ihrem Tagungsthema.

Zur Einreichung werden Beiträge ermuntert, die sich vor dem skizzierten Hintergrund am Schnittpunkt von Kommunikation, Medien und Geschichte von, in, mit und um digitale Spiele in all ihren Facetten und aus verschiedenen disziplinären Perspektiven befassen, insbesondere zu den nachfolgenden Frage- und Themenbereichen:

1. Technikgeschichten: Technologien und Materialitäten des Spielens im Wandel
Digitale Spiele haben in den letzten Jahrzehnten enorme technologische Entwicklungsschübe durchlaufen und stehen indikativ für medientechnologischen Fortschritt: Was sagen die sich wandelnden Technologien, Formen und Materialitäten, wie und wo digitale Spiele gespielt werden können über die Funktionen des Spielens für den Medienwandel, den Umgang mit Geschichte auf der einen und den technologischen Fortschritt auf der anderen Seite aus? Wie und inwiefern haben Spieletechnologien zur Erprobung oder Durchsetzung neuer Technologien und deren Domestizierung beigetragen (Mobiles Spielen von Game Boy bis Smartphone, Augmented Reality, Virtual Reality) und welche sozialen und kulturellen Rollen und Praktiken sind und waren mit diesen Technologien und Materialitäten verbunden? Welche neuen Räume und Materialitäten schaffen diese neuen medialen Möglichkeiten und wie ändern sie den Umgang mit etablierten authentischen Orten und ihrer Materialität (wie Gedenkstätten), z.B. durch VR oder AR?

2. Welten und Visionen: Computerspielwelten und Narrative im Wandel
In Spielen spiegeln sich Gesellschaften und gesellschaftlicher Wandel in erfahr- und erlebbaren Experimentierräumen und -welten: Wie werden gesellschaftliche Entwicklungen im jetzt und im damals in digitalen Spielen verhandelt? Welche Weltbilder, Geschichts- und Zukunftsvorstellungen, Gendervorstellungen, Utopien, Dystopien, Visionen, Geschichtsnarrative oder Wertesysteme für alternative Weltentwürfe werden in Spielen inszeniert und präsentiert und von ihren Nutzer:innen verhandelt und angeeignet? Welche sozialen Themen, Akteursgruppen und Agenden blieben und bleiben weithin ausgespart, welche Tabus wurden gebrochen, welche Perspektiven normalisiert oder konserviert? Inwiefern eigneten oder erwiesen sich Spiele als Mittel der Verbreitung von Aufklärung oder Verklärung, zum Transport von Ideologien und -ismen (Sexismus, Rassismus) oder zu deren Entlarvung und Dekonstruktion? Wie zeigen sich insbesondere in Remakes von Spielen gesellschaftliche und kulturelle Adaptionen über die Zeit hinweg, was wurde in Lokalisierungen von Spielen im transkulturellen Vergleich wie verändert?

3. Geschichte und Erinnerung in digitalen Spielen
Ein Themenfeld, dem in Kontext von Weltvorstellungen und Visionen eine besondere Rolle zukommt, ist die Inszenierung und Vermittlung von Geschichte oder historisch-kulturellen Ereignissen mit erinnerungskultureller Relevanz im Spiel: Geschichte ist nicht nur ein sehr beliebtes Thema für Spiele, sondern dadurch auch ein wesentliches Reservoir an Geschichtsvorstellungen, Geschichtsklitterung, Geschichtsaufarbeitung oder Geschichtsvermittlung. Themen, Figuren, Settings und Narrative, Vorstellungen über Politik, Geschlecht, Zeit, Alter oder Emotionen, die in digitalen Spielen aufgegriffen, umgesetzt und durchlebt werden, prägen unsere Geschichtskultur und die der jüngeren Generationen heute maßgeblich. Welche Rolle spielen digitale Spiele in all ihrer Vielfalt für Geschichte, Geschichtsbewusstsein sowie Erinnerung, insbesondere für zeitlich weiter entfernte, erinnerungskulturell bisher vernachlässigte oder umstrittene, jedoch höchst zentrale Themenzusammenhänge wie etwa der Geschichte des Kolonialismus. Inwiefern droht Revisionismus oder Trivialisierung der Geschichte, wo bestehen kreative Potentiale, um durch die spielerisch-dramaturgische Inszenierung Geschichte und Erinnerung erlebbar, vorstellbar und didaktisch vermittelbar zu machen?

4. Medienkulturelle Manifestationen und Sozialfiguren des Spielens
Mit der Entstehung und schrittweisen gesellschaftlichen Durchsetzung von Digitalen Spielen ist auch die Emergenz verschiedener Medienkulturen bzw. medienkultureller Phänomene verbunden, die sich um das Gaming herum gebildet haben. Gleichzeitig sind
Spielende in verschiedenen Zeiten und Kontexten auch mit abwertenden, marginalisierenden oder idealisierenden Stereotypisierungen bedacht worden. Wie formieren, inszenieren und repräsentieren sich Gaming Communities und gamingbezogene
Medienkulturen? Welche Aneignungs- und Rezeptionspraktiken entwickeln sich? Das reicht von Sozialfiguren des Spielens wie Bastlern, Tüftlern, Raubkopierern, Nerds und Zockern, Vergemeinschaftungs- oder Ausgrenzungspraktiken in Fan-Communities bis hin zu Cosplay und ihre jeweiligen Logiken der Inklusion und Exklusion sowie schließlich professionell Spielenden und E-Sportler:innen.

5. Forschungs- und Diskursgeschichten: Digitale Spiele als Zankäpfel, Aufreger und Hoffnungsfelder
Computerspiele werden seit Langem sowohl von gesellschaftlichen Debatten als auch wissenschaftlichen Diskursen zu ihren Folgen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene gerahmt und begleitet. Dabei interessieren speziell wiederkehrende Muster, wechselnde Perspektiven und sich wandelnde Kontexte des öffentlichen respektive wissenschaftlichen Sprechen und Streitens über Spiele und ihre Folgen von u.a. Fragen des Jugendmedienschutzes über Indizierungen und mögliche schädliche Einflüsse, der Diskussion um historische Symbole in Spielen bis hin zu Spielen als Kompetenzförderung, seriöse Wissensvermittlung in Bildungskontexten oder auch zur Gamification von eigentlich spielferneren sozialen Praktiken.

6. Digitale Spiele und Transmedialität: Begleit- und Peripheriemedien zur Kommunikation in und über digitale Spiele im Wandel
Digitale Spiele werden seit langem von spezialisierter Publizistik, aber auch anderen Formen der Kommunikation begleitet und gerahmt. Das betrifft sowohl Spielejournalismus in unterschiedlichen Erscheinungsformen bis hin zu Phänomenen des Game Streamings.
Die Geschichte der gamingbezogenen Medienformate und Medieninhalte ist hier ein Desiderat. Spezialisierte Plattformen und Dienste haben sich speziell zur Kommunikation in und um Spiele gebildet bzw. werden dafür genutzt. Dabei erfahren und erfuhren sie teilweise auch missbräuchliche Verwendung, etwa im Kontext von Radikalisierung oder Missbrauchsanbahnung. Neben der Begleitkommunikation rund um Spiele sind Digitale Spiele im transmedialen Medienverbund auch zentrale Proponenten transmedialer Konfigurationen, sowohl was die Verbindung von Spielen mit anderen Medien (Serien, Filme, Comics) betrifft, als auch Digitale Spiele, die in Brettspiele übersetzt werden oder analoge Brettspiele, die zusehends auch digitale Komponenten beinhalten. Wie verhalten sich digitale Spiele zu analogen Spielen und inwiefern wird die soziale Funktion des Spielens auch durch Kombinationen von digitalen und analogen Spielelementen verwirklicht? Wie erfolgt transmediales Storytelling über unterschiedliche Medienformen hinweg?

Einreichungen:
Einreichungen zur Tagung können in deutscher oder englischer Sprache als „Extended Abstracts“ erfolgen. Einreichfrist ist der 16. Oktober 2023. Der Umfang der Einreichungen sollte 5.000 Zeichen nicht überschreiten (inkl. Leerzeichen und Literaturverzeichnis). Die
Einreichung besteht aus einem Deckblatt mit Titel, Name/n und Kontaktangaben und einem anonymisierten Textteil (inklusive Beitragstitel).
Nachfragen zum Call for Papers können an
schwarzenegger@uni-bremen.de oder team@AKGWDS.de gerichtet werden. Einreichungen an schwarzenegger@uni-bremen.de.
Die Einreichungen werden in einem Double-Blind-Peer-Review-Verfahren begutachtet. Die Ergebnisse des Review-Verfahrens werden bis zum 13. November 2023 bekanntgegeben.
Das Tagungsprogramm wird bis zum 1. Dezember 2023 fertiggestellt.
Die Tagung findet vom 24. bis 26. Januar 2024 im Haus der Wissenschaft in Bremen statt.

Organisatoren
Fachgruppe Kommunikationsgeschichte der DGPuK
Prof. Dr. Christian Schwarzenegger, Universität Bremen, ZeMKI
Dr. Erik Koenen, Universität Bremen, ZeMKI
Annika Keute, Universität Salzburg

Arbeitskreis Geschichtswissenschaft und Digitale Spiele
PD Dr. Tobias Winnerling, Universität Düsseldorf
Dr. Lucas Haasis, Carl von Ossietzky. Universität Oldenburg
Carolin Puckhaber, Universität Oldenburg

Redaktion
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Beiträger
Klassifikation
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
Sprache der Ankündigung