Zur Auseinandersetzung mit Bremens (post-)kolonialer Geschichte und Gegenwart

Der Elefant im Raum: Zur Auseinandersetzung mit Bremens (post-)kolonialer Geschichte und Gegenwart

Veranstalter
Norman Aselmeyer (Universität Bremen) und das Dekoloniale Netzwerk Nordwest
Veranstaltungsort
Haus der Wissenschaft
Gefördert durch
Land Bremen
PLZ
28195
Ort
Bremen
Land
Deutschland
Findet statt
Hybrid
Vom - Bis
29.11.2023 - 01.12.2023
Deadline
22.09.2023
Von
Norman Aselmeyer, Institut für Geschichtswissenschaft, Universität Bremen

An immer mehr Orten in Deutschland machen sich universitäre, künstlerische und zivilgesellschaftliche Initiativen auf, das koloniale Erbe ihrer Stadt oder Region aufzuarbeiten. Obwohl Bremen zeitweise Vorreiter in der kritischen Beschäftigung mit dem Kolonialismus war, ist die koloniale Geschichte gesellschaftlich kaum verankert. Die Tagung verfolgt das Ziel, Projekte und Akteur:innen zu vernetzen und neue Vorhaben zur Erforschung und Aufarbeitung des (post-)kolonialen Bremens anzustoßen.

Der Elefant im Raum: Zur Auseinandersetzung mit Bremens (post-)kolonialer Geschichte und Gegenwart

Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch (mit Flüsterübersetzungen)

Das zu Beginn der 1930er-Jahre errichtete Kolonialdenkmal „Der Elefant“ in der Nähe des Bremer Hauptbahnhofs ist auch heute noch weithin sichtbar. Erst 60 Jahre nach seinem Bau, im Jahr 1990, wurde dieses Monument in ein „AntiKolonialDenkMal“ umgewidmet und 2009 durch ein Mahnmal für den Genozid an den Ovaherero und Nama erweitert. Bis heute finden an diesem Ort regelmäßige Gedenkveranstaltungen zu Kolonialismus und Rassismus statt. Auch andernorts sind im Land Bremen die Geschichte des Kolonialismus, die Ehrung kolonialer Akteur:innen (durch Straßennamen etc.) sowie die anhaltende Wirkmächtigkeit kolonialer Denk- und Verhaltensmuster präsent. Trotz der seit den 1970er-Jahren begonnenen Interventionen durch zivilgesellschaftliche Akteur:innen, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen ist die Auseinandersetzung mit Bremens Beteiligungen an Versklavung und Kolonialismus bislang kaum gesellschaftlich verankert. Dekoloniale Projekte bleiben bislang u.a. mangels personeller Kontinuitäten und fehlender Finanzierung ohne langfristige Wirkung. Forschungsarbeiten zur Kolonialgeschichte und Erinnerungskultur Bremens sind ebenso spärlich wie öffentliche Diskurse um eine lokale Dekolonisierung, die sich mit Fragen zur ökonomischen und ökologischen Gerechtigkeit auf globaler Ebene verbinden. Dabei ist die Aufarbeitung des kolonialen Erbes heute wichtiger denn je, bildet sie die Voraussetzung für eine inklusive Gesellschaft und für internationale Beziehungen auf Augenhöhe.

Die Tagung schließt an die bundesweit wachsenden zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Initiativen zur Aufarbeitung kolonialer Strukturen auf lokaler Ebene an. Ziel der Veranstaltung ist es, diese Initiativen in Bremen/Bremerhaven zu stärken und ihnen zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Dazu sollen Brückenschläge zwischen akademischer Wissensproduktion und aktivistischem Wissen hergestellt sowie eine Vernetzung von Akteur:innen aus Wissenschaft, Archiven, Kunst, Museen, Stiftungen und zivilgesellschaftlichen und aktivistischen Bewegungen gefördert werden. Zum einen soll die Tagung einen Raum für neue Forschungen zur (post-)kolonialen Geschichte und Gegenwart Bremens öffnen und Wege für eine intensivere Beschäftigung mit dem kolonialen Erbe des Landes ausloten. Zum anderen beabsichtigt die Veranstaltung, den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Dialog über die fortdauernde Kolonialität der Gegenwart anzustoßen und Angebote für eine künstlerische und interaktive Auseinandersetzung mit den intersektionalen Ungleichheiten und Rassismen als Erbe des Kolonialismus anzubieten.

Darüber hinaus möchten wir die Suche nach neuen Wegen unterstützen, um macht- und rassismuskritische Solidaritäten mit und zwischen bislang ausgegrenzten und marginalisierten Gruppen zu ermöglichen. Für die Fortsetzung bereits begonnener und neu zu initiierender Dekolonisierungsprozesse braucht es eine stärkere Vernetzung, die wir sowohl auf lokaler als auch auf überregionaler Ebene anstreben. Eine Zusammenarbeit mit Menschen in ehemals kolonisierten Regionen, insbesondere mit konkreten Bezügen zu Bremen, ist dafür essenziell.

Die Tagung möchte folgende Leitfragen adressieren:

- Wie sieht der aktuelle Forschungsstand zum bremischen Kolonialismus aus? Welche neuen Erkenntnisse gab es in den letzten Jahren? Wo liegen Potenziale und neue Quellenbestände?
- Wie wird in Bremen/Bremerhaven mit der kolonialen Vergangenheit und ihren Nachwirkungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft umgegangen?
- Wie gelingt die Vermittlung zwischen aktuellem Wissensstand aus den Universitäten und der schulischen Curricula-Entwicklung für ein Pflichtkanon zur Epoche des Kolonialismus in allen Bildungsinstitutionen des Landes Bremen?
- Wie kann Bremen sein Erinnerungskonzept zum Thema Kolonialismus aktualisieren und aktiv verfolgen?
- Welche Bedeutung haben nationale Erinnerungspolitiken und Erinnerungsdebatten für Bremen, Bremerhaven und den Nordwesten?
- Wie lässt sich ein fundiertes, partizipatives und zukunftsorientiertes Gespräch zwischen Bremen und den von Bremens kolonialer Geschichte betroffenen Ländern und Regionen besser fördern?
- Wie kann das Wissen von antikolonialem Widerstand und gesellschaftlichem Engagement in die (außer-)universitäre Wissensproduktion einfließen?
- Wie können Dekolonisierungsprozesse dazu beitragen, dass bislang ausgegrenzte und wenig sichtbare Gruppen in gesellschaftlichen Prozessen Stimme und Einfluss erhalten?

Die Tagung fragt nach Beiträgen von (zivilgesellschaftlichen) Akteur:innen, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen an Universitäten, (außer-)schulischen Bildungseinrichtungen, Archiven, Museen, Theatern, in Vereinen und politischen Bewegungen. Die Beträge dürfen auch das klassische Format von Präsentationen verlassen. Willkommen sind z.B. Performances, Vorschläge für Workshops mit Inputs, Kurzfilmpräsentationen mit anschließendem Gespräch, Paneldiskussionen, Musikstücke, Poetry Slam, Infotische sowie Vorstellungen von Initiativen und Vereinen zu folgenden Schwerpunkten:

- die Prägung der Bremer Wirtschaft, Politik und Gesellschaft durch den europäischen und deutschen Kolonialismus
- Bremen, Bremerhaven und der transatlantische Handel mit versklavten Menschen
- kritische Firmengeschichten von zentralen Akteur:innen der Hafen- und Handelswirtschaft in Bremen und Bremerhaven
- Aktivitäten von Bremer:innen in Afrika, Asien und dem Pazifik und die Geschichte von Schwarzen Menschen, People of Colour, Arbeitsmigrant:innen und Geflüchteten in Bremen
- Norddeutsche Mission und Bremer Kirchen als koloniale Akteur:innen
- Widerstand gegen Kolonialismus und dessen Nachwirkungen in ehemals kolonisierten Regionen in ihren Verbindungen mit Bremen
- antikoloniale Solidarität und post/dekoloniale Interventionen in Bremen und Bremerhaven
- Geschichte der Vermittlung und Aufarbeitung des Kolonialismus in Bildungs- und Kultureinrichtungen; die Rolle der Politik im Umgang mit dem kolonialen Erbe
- Konzepte und Vorhaben zur Dekolonisierung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft
- neue macht- und rassismuskritische Wege für ein solidarisches Zusammenleben in der Stadt

Klassische Präsentationen sollten 20 Minuten, Vorschläge für Gruppenarbeit 60 Minuten, Podiumsgespräche, Performances und Filmpräsentationen 45 Minuten nicht überschreiten. Vorschläge für Beiträge (maximal 250 Wörter mit Kurzbiographie) können bis zum 22. September 2023 bei bremendecolonial@gmail.com eingereicht werden. Reise- und Übernachtungskosten werden für aktive Teilnehmer:innen übernommen.

Die Auswahl der Beiträge übernehmen die Organisator:innen zusammen mit dem Programmbeirat bestehend aus Dr. Bora Akşen (Focke Museum Bremen), Jasmin Alley (Ostfriesisches Landesmuseum Emden), Appolinaire Apetor-Koffi (Bunker Valentin), Selda Kaiser (Bremer Rat für Integration), Virginie Kamche (Afrika Netzwerk Bremen), Dr. Sarah Lentz (Universität Bremen), Dr. Franziska Meifort (Universität Oldenburg), Dr. Diana M. Natermann (Universität Hamburg), Tobias Peters (Landeszentrale für politische Bildung), Ralph Saxe („Der Elefant!“ e.V.), Dr. Eva Schöck-Quinteros (Aus den Akten auf die Bühne e.V.), PD Dr. Cordula Weißköppel (Universität Bremen).

Die Tagung wird finanziert aus Mitteln des Sonderprogramms des Landes Bremen zur Erforschung des bremischen Kolonialismus.

Kontakt

E-Mail: bremendecolonial@gmail.com

https://dekol-nordwest.de
Redaktion
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Klassifikation
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
Sprache der Ankündigung