Die Zirkulation genealogischer und heraldischer Wissensbestände in der Frühen Neuzeit

Die Zirkulation genealogischer und heraldischer Wissensbestände in der Frühen Neuzeit

Veranstalter
Jenny Körber und Kai H. Schwahn (Universität Hamburg)
Veranstaltungsort
Warburg-Haus
PLZ
20249
Ort
Hamburg
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
05.10.2023 - 06.10.2023
Von
Jenny Körber und Kai H. Schwahn, Historisches Seminar, Universität Hamburg

Genealogie und Heraldik befanden sich in der Frühen Neuzeit in einem engen Wechselverhältnis. Autoren frühneuzeitlicher Hand- und Lehrbücher wie etwa Johann Christoph Gatterer (1727–1799) in seinem "Handbuch der neuesten Genealogie und Heraldik" betonen nahezu ausnahmslos die Notwendigkeit einer parallelen Betrachtung der beiden Felder. Das Ziel der Tagung ist es, dieses komplexe Verhältnis zu ergründen.

Die Zirkulation genealogischer und heraldischer Wissensbestände in der Frühen Neuzeit

Während genealogisches Wissen unabdingbar war, um die dynastischen Verflechtungen zu verstehen, welche die europäische Politik der Vormoderne prägten, bot die Kenntnis frühneuzeitlicher Wappen als wichtige Kommunikationsmedien Informationen über dynastische Zugehörigkeiten, Alleinstellungen sowie erworbene oder beanspruchte Titel und Territorien. Zum Verständnis der Genese und der Zusammensetzung der Wappen war das Wissen über die dahinterstehenden genealogischen Zusammenhänge grundlegend. Zugleich fungierten Wappen aber auch als verkürzte Repräsentationen dynastischer Verbindungen.

Beiden Wissensfeldern lag außerdem zugrunde, dass sie sich einem Untersuchungsgegenstand widmeten, der sich stets in Bewegung befand. Wer auf dem neuesten Stand bleiben wollte, musste sich Informationen sowohl über aktuelle Wappenveränderungen als auch über Geburten und Todesfälle beschaffen. Genealogische und heraldische Wissensbestände waren dementsprechend nie abgeschlossen, sondern zirkulierten zwischen Adel, Hofbediensteten, Gelehrten und Publikum. Da es sich bei genealogischem Material um sensible Daten handelte, war ein aktueller und akkurater Umgang mit diesem Wissen essenziell. Das lässt sich beispielsweise am Einfluss des Medienwandels beobachten, den der Erfolg der periodischen Presse mit sich brachte. Wie Volker Bauer gezeigt hat, boten Zeitungen Gelegenheiten zur schnelleren Informationsbeschaffung, während Genealogen diese zugleich in Form von neuen kleinformatigen universalgenealogischen Kompendien weiterverarbeiteten und immer wieder aktualisierten.

Zudem lässt sich innerhalb der Genealogie und der Heraldik im Verlauf des 17. Jahrhunderts auch eine parallele methodische Entwicklung von einer auf Fabeln und mythischen Ursprüngen basierenden Methode hin zu einer fakten- und archivbasierten Recherche beobachten. Diese Umbruchszeit hat in der Geschichte der Genealogie zuletzt wachsende Aufmerksamkeit erfahren. Anders sieht es dagegen in der Geschichte der Heraldik aus, deren Fokus weiterhin vornehmlich auf dem Mittelalter als Untersuchungszeitraum liegt. Das Zusammenspiel der beiden Wissensfelder wird zwar häufig als Selbstverständlichkeit angeführt, die genaue Art und Weise, wie Heraldik und Genealogie in der Frühen Neuzeit ineinandergriffen, und die Frage, ob in den Feldern eine parallele oder eine divergierende Entwicklung im Umgang mit Wissensbeständen vom Mittelalter bis in das 17. Jahrhundert hinein zu verzeichnen ist, wurde bislang jedoch weitestgehend vernachlässigt.

An diesem Punkt soll die Tagung ansetzen und einen Beitrag zu einer praxeologisch ausgerichteten Erforschung der Genealogie und der Heraldik leisten. Der Fokus soll dabei auf der Zirkulation genealogischer und heraldischer Wissensbestände liegen. Damit stehen insbesondere das unabgeschlossene und in Bewegung befindliche Charakteristikum im Vordergrund, das Genealogie und Heraldik zu einen scheint.

Programm

Donnerstag, 05. Oktober 2023

13.30 Uhr
Begrüßung und Einführung

Dynamiken

14.00 Uhr
Olav Heinemann (Gelsenkirchen): Der Einfluss der Humanisten auf die Heraldik des 16. Jahrhunderts

14.45 Uhr
Jost Eickmeyer (Eutin): Silvestro Pietrasanta an der Schnittstelle von genealogischem Wissen und frühneuzeitlicher Impresentheorie

15.30 Uhr
Kaffeepause

Genealogie, Heraldik und Adel

16.00 Uhr
Michael Hecht (Halle): Genealogisch-heraldisches Wissen in der zwischenhöfischen Kommunikation der Frühen Neuzeit

16.45 Uhr
Kai H. Schwahn (Hamburg): Wappen in Bewegung. Zur Entstehung von Philipp Jakob Speners Historia Insignium (1680) im Kontext dynastischer Politik

17.30 Uhr
Kaffeepause

18.00 Uhr
Andreas Rehberg (Rom): Die genealogische Vergewisserung und Propagierung der eigenen Vergangenheit im römischen Hochadel – Der Fall der Orsini, Colonna, Farnese und Cesi (ca. 1550 bis 1650)

Freitag, 06. Oktober 2023

Memoria

09.00 Uhr
Marlon Bäumer (Hamburg): Heraldik spielerisch leicht gelernt – Produktion und Rezeption heraldischen Wissens durch Spielkarten im 17. und 18. Jahrhundert

09.45 Uhr
Jenny Körber (Hamburg): Amor omnia vincit. Heraldik und memoria im frühneuzeitlichen album amicorum

10.30 Uhr
Kaffeepause

Repräsentationen

11.00 Uhr
Fiona Vicent (Basel): «Es gründet sich wahrscheinlich auf die angeführte Sage»: Diskurse über Familienwappen in der genealogischen Produktion großbürgerlicher Basler Familien im 18. und 19. Jahrhundert

11.45 Uhr
Tristan Schaub (Magdeburg): Lilien, Disteln und Rosen. Eine königliche Hülle? Die Garnitur des Prinzen Henry Frederick Stuart, Prince of Wales, als heraldischer Wissensträger

12.30 Uhr
Mittagspause

Wissenszirkulation

13.30 Uhr
Giuseppe Cusa (Siegen): Giacomo Zabarella der Jüngere und die genealogisch-heraldische Wissenszirkulation im Padua des 17. Jahrhunderts

14.15 Uhr
Sven Erdner (Hannover): Die Korrespondenz zwischen G. W. Leibniz und L. A. Muratori zu den agnatischen Vorfahren der Welfen und Este unter dem Aspekt der Verschleierung von Wissen

15.00 Uhr
Kaffeepause

15.30 Uhr
Stephanie Prieto: Symmetrische Geschlechter, komplexe Beziehungen – Verwandtschaft in protestantischen Inzestverboten des 16. Jahrhunderts

16.15 Uhr
Abschlussdiskussion

Kontakt

E-Mail: Jenny.Koerber@uni-hamburg.de
E-Mail: Kai.Hendrik.Schwahn@uni-hamburg.de