Ausgehend von den beliebten Unterhaltungsmedien der Bühnen-Operette und der Revue sowie einigen stummen Filmoperetten entstand nach Einführung des Tonfilms 1929 in Deutschland das populäre Genre der Tonfilm-Operette bzw. der musikalischen Komödie. (vgl. die CineGraph-Kongresse 1997 und 1998).
Nach dem Machtantritt der Nazis 1933 wurde ein großer Teil der gerade an diesem Genre beteiligten Regisseure (Wilhelm Thiele, Hanns Schwarz), Autoren (Franz Schulz, Fritz Rotter, Felix Joachimson/Jackson, Hermann Kosterlitz/Henry Koster), Komponisten (Jean + Robert Gilbert, Friedrich Hollaender, Paul Abraham, Hans May, Werner Richard Heymann) und Stars (Jan Kiepura, Marta Eggerth, Max Hansen) ins Exil vertrieben. Über Wien und Budapest kamen die meisten schließlich nach Hollywood. Themen-Ansatz des Festivals ist es, den Einflüssen nachzugehen, die sich aus der Vermischung von Künstlern mit unterschiedlichen Traditionen für die Weiterentwicklung des Musicals bzw. der musikalischen Komödie ergaben. Im Blick bleibt aber auch die Entwicklung im deutschen Kino mit dem Revuefilm sowie der Blick auf andere Exilländer (Niederlande, Großbritannien), wohin einige Emigranten zogen. Traditionsgemäß gehen wir auch den Karrieren von Filmschaffenden nach, die aus Prag und dem k.u.k.-Reich stammten und im Weimarer Kino und darüber hinaus ihre Karriere entfalteten.
Der 36. Internationale Filmhistorische Kongress ist Teil des cinefest, bei dem die Themen des Festivals in Vorträgen und Diskussionen vertieft werden. Er wird als hybride Veranstaltung auch im Online-Stream verfügbar gemacht. Für den Kongress haben wir nationale und internationale Expertinnen und Experten eingeladen. Dabei stehen besonders die Fachgebiete Exilfilm, Produktionsgeschichte und Musikgeschichte im Mittelpunkt.
Der Kongress ist in thematisch abgestimmte Panels aufgeteilt. Am Abend des 22.11. wird er im Kommunalen Kino Metropolis eröffnet. Die Vorträge finden vom 23.-25.11.2023 von 9:30-16 Uhr im Gästehaus der Universität statt. Anschließend wird im Kommunalen Kino Metropolis ab 17 Uhr ein ergänzendes Filmprogramm präsentiert.
Im ersten Panel „Musik und Migration“, werden Jan-Christopher Horak und Heike Klapdor als Einstieg in das Thema einen Überblick über die Geschichte des Musikfilms in Deutschland geben, insbesondere mit Blick auf die Exilgeschichte vieler beteiligter Filmschaffender.
Wolfgang Trautwein untersucht Werner Richard Heymanns Tonfilmoperetten und die Möglichkeiten, Musikfilme zu beschreiben.
In dem Panel „Regie“ stehen die Regisseure Wilhelm Thiele und Hanns Schwarz im Mittelpunkt, die die Musikfilmtradition der Ufa in der frühen Tonfilmzeit maßgeblich geprägt haben.
Das Panel „Gesang“ widmet sich den singenden Darstellern des Genres. Andreas-Benjamin Seyfert untersucht Max Reichmanns Filme mit dem Tenor Richard Tauber, während Jonathan Schilling Rollenmustern und Topoi in Filmen mit Tenören als Hauptdarsteller nachgeht. Karl Griep und Daniel Otto blicken auf die Interessen der deutschen Filmindustrie und deren Sog- und Schubwirkung auf ausländische Künstlerinnen und Künstler.
Im Panel „Schauspiel“ wird Marie-Theres Arnbom über den Sänger und Schauspieler Max Hansen referieren, der nach der Machtübernahme der Nazis nach Schweden emigrierte, wo er zu einem der bekanntesten Künstler seiner Zeit avancierte. Tobias Haupts stellt den Schauspieler Paul Hörbiger in den Fokus seines Vortrags und untersucht dessen Eingebundensein in die Poetik der Musik(filme) in besonderer Konzentration auf die Filme in der Zeit des Nationalsozialismus.
Das abschließende Panel „Komposition“ beschäftigt sich mit heute zum Teil vergessenen (Film)Komponisten, die aber ihrerzeit große Bekanntheit hatten. Geoff Brown spricht über die Exilerfahrungen von Hans May, während Réka Gulyás den ungarischen Komponisten Mihály/Michael Eisemann vorstellt.
Ergänzt wird der Kongress von Präsentationen zum Stand der Digitalisierung im Bundesarchiv: Petra Rauschenbach (Abteilungsleiterin Filmarchiv) stellt den neuen Digitalen Lesesaal des Bundesarchivs vor und Christian Hänger (Abteilungsleiter Archivtechnik und zentrale fachliche Dienstleistungen) erläutert den Weg von der Filmrolle zur Datei.
Der 36. Internationale Filmhistorische Kongress ist integraler Bestandteil des XIX. cinefest – Internationales Festival des deutschen Film-Erbes (17. bis 26. November 2023). Er wird am Abend des 22. November 2023 im Metropolis-Kino eröffnet. Während der Veranstaltung werden auch die Willy Haas-Preise für je eine bedeutende internationale Publikation in der Kategorie Buch und DVD/Blu-Ray verliehen. Die Vorträge des Kongresses finden vom 23. bis 25. November 2023 jeweils von 9:30 Uhr bis ca. 16.00 Uhr, im Gästehaus der Universität (Rothenbaumchaussee 34) sowie parallel als Online-Stream statt. Ab 17.00 Uhr laufen im Metropolis-Kino die Filmvorführungen, die die Vorträge ergänzen. Zusätzlich werden ab dem 18. November 2023 einige Filme online auf Metropolis+ präsentiert.
Für die Teilnahme am Kongress ist eine vorherige Akkreditierung erforderlich: https://cinefest.de/akkreditierung/.
Informationen zum begleitenden Filmprogramm: https://cinefest.de/programm/filme/.
Die Vorträge des Kongresses werden in überarbeiteter Form in einem CineGraph Buch bei der edition text+kritik veröffentlicht.
Weitere Informationen zu Kongress und Festival: https://cinefest.de.