Unsere heutigen Wälder haben eine lange und wechselvolle Geschichte. Es gibt kaum einen Wald, dessen Erscheinungsbild sich nicht auf das Handeln der Menschen in den letzten Jahrhunderten zurückführen liesse. Dass die Beziehung Mensch – Wald aber nicht einseitig ist, wird uns aktuell mit den Konsequenzen der letzten Dürrejahre offen vor Augen geführt. Das Ökosystem Wald prägte seinerseits mit seinen Reaktionen auf menschliche Eingriffe und Veränderungen das menschliche Handeln bis hinein in die gesellschaftliche Organisation, oft mehr als uns bewusst ist. Städtische Räte, Landesherren und Inhaber des Waldbanns reagierten mit Waldordnungen, um den Nutzungsdruck auf den Wald zu senken, wenn zuviel Jungholz entnommen wurde. Auch innerhalb der Dorf- und Stadtgesellschaften wurde die Holznutzung immer wieder neu ausgehandelt, was sich direkt auf das Bestehen ganzer Wirtschaftszweige auswirken konnte. Auch die lange praktizierte Streuentnahme hatte zwei Seiten. Sie war zwar der Viehhaltung zuträglich, führte dabei aber auch zu einer bis heute sichtbaren Waldbodendegradation. Die Wechselwirkungen zwischen Aktivitäten des Menschen und den Reaktionen des Ökosystems Wald hinterlassen Spuren. Sie lassen sich auch große Zeit später noch vor Ort erfahren und rekonstruieren. Der Wald als Landschaftsform und Ökosystem, als vielfacher Hüter von Bodendenkmälern und archäologischen Quellen sowie mit einer durch seine Nutzung entstandenen, oftmals vielfältigen Schriftüberlieferung stellt insofern ein bisher noch immer wenig genutztes riesiges Archiv dar, das gleichzeitig durch die aktuellen klimatischen und gesellschaftlichen Entwicklungen akut bedroht ist. Wälder können daher als ein optimales Laboratorium verstanden werden, um im interdisziplinären Zugriff die sozio-ökonomischen, ökologischen und kulturellen Verflechtungen menschlicher Gesellschaften mit der sie umgebenden Umwelt und ihren Wandel im Laufe der Zeit zu untersuchen.
Die großen Potentiale, unvermeidbaren Probleme und langfristigen Perspektiven bei der Erschließung des Waldes als Archiv für Natur- und Kulturgeschichte wollen wir am Beispiel des in der Oberpfalz gelegenen historischen Gemeinschaftsamts Parkstein-Weiden diskutieren. Die an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Rahmen des Exzellenzcluster ROOTS angesiedelte interdisziplinäre und internationale Forschungsarbeitsgruppe W.A.L.D. (Woodlands and their Adjustment by humans as longtime Laboratory of dependencies and social-environmental Dynamics) trifft sich vom 25. bis zum 28. Januar 2024 in Sulzbach-Rosenberg, um die angedeuteten Themenfelder in engem Austausch mit lokalen Akteurinnen und Akteuren zu bearbeiten.
Die Workshoporganisation ist sehr an der Erweiterung der eigenen Perspektiven und der Diskussionsrunden interessiert. Wir laden daher Historiker:innen und Forscher:innen benachbarter Disziplinen, die zur Geschichte des (Oberpfälzer) Waldes arbeiten, herzlich dazu ein, bis zum 14. November 2023 ein Abstract von etwa 300 Wörtern für einen 10- bis 15-minütigen Beitrag einzureichen. Die Tagungssprachen sind Englisch und Deutsch. Bei deutschen Beiträgen sind englischsprachige Folien sowie ein vor dem Workshop einzureichendes, ausführliches Paper dringend erwünscht. Die Reise- und Übernachtungskosten werden durch das Exzellenzcluster ROOTS übernommen. Eine etwaige Publikation der Workshopergebnisse wird vor Ort besprochen.