Workshop des AK Architektursoziologie in der Sektion Kultursoziologie der DGS /DFG-Projekt „Architektonische Modi kollektiver Existenz“
„Seit mehr als einer Generation ist die Geschichte kolonialer und postkolonialer Architektur […] eine der dynamischsten Subdisziplinen der Architekturgeschichte“, schreibt Kathleen James-Chakrabarty im Blick auf ihre Disziplin (2014). Für dieselbe Disziplin plädiert Mercedes Volait für eine „Provinzialisierung“ der kolonialen Architektur, um andere Architekturen ins Zentrum zu stellen – solche, die diesseits des kolonialen Einflusses stehen; solche, die ihrerseits zur europäischen Architekturmoderne beigetragen haben. ArchitektursoziologInnen dagegen interessieren sich v.a. für genuin moderne und gegenwärtige Architekturen in europäischen bzw. westlichen Gesellschaften. Koloniale Architekturpolitiken bleiben tendenziell ebenso unberücksichtigt, wie außereuropäische Gesellschaften generell. Die Kultur- und Sozialanthropologie schließlich interessiert sich eher am Rande für Architektur. Zugleich sind gerade hier wichtige Fallstudien zu nennen, v.a. Le Déracinement von Pierre Bourdieu und Abdelmalek Sayad (1964).
Der Workshop will – in Verbindung dieser Disziplinen und anderer – den Transformationen von Gesellschaften durch koloniale und neokoloniale Architekturen nachspüren: in der Frage, inwiefern z.B. Geschlechterverhältnisse, soziale Stratifikationen und Klassifikationen, Rechtstrukturen, religiöse Praktiken, Natur-Kultur-Beziehungen historisch transformiert wurden und weiter werden.
Unter ‚kolonialer bzw. neokolonialer Architekturpolitik‘ ist dabei zum einen an die Aufzwingung europäischer Architekturen in außereuropäischen Kontexten zu denken. Zum anderen lassen sich auch Übernahmen oder Importe europäischer Architektur als solche verstehen, die kolonisierend wirken – man denke z.B. an Ansiedlungspolitiken, denen die Nomaden in der Mongolei oder in den arabischen und nordafrikanischen Kontexten unterliegen; oder an die Architekturpolitik, der die Uiguren in China unterworfen sind; oder auch an die Marginalisierung und Verdrängung ruraler Bevölkerungen im Kontext der massiven Urbanisierung Chinas, die insofern neokolonial genannt werden kann, als es sich um eine Transformation handelt, die sich im Import europäischer bzw. US-amerikanischer Architekturen vollzieht. Schließlich, drittens, kann der Fokus auf den architektonischen Widerständen liegen, auf Subversionen und Abwehren der kolonialen Architektur, oder auf Praktiken ihrer Aneignung und Verfremdung.
Um ‚Architektur‘ geht es dabei in weitest möglichem Sinn – einschließlich von Infrastrukturen und Siedlungsweisen, architektonischen Formen, Materialien, Grundrissen; im Blick auf Traditionen und Institutionen des Entwerfens wie um Formen des Bau- und Eigentumsrechts; um die Beauftragung europäischer Architekturbüros, usw.
Willkommen sind ebenso Fallstudien wie theoretische und methodologische Überlegungen (hier zur vergleichenden Methode, u.a.).
Bitte schicken Sie Ihren Vorschlag bis zum 1.4.24 an: heike.delitz[at]ur.de
Die Reisekosten übernimmt das DFG-Projekt „Architektonische Modi kollektiver Existenz“.