Jedes der im Titel angesprochenen Themen (frühneuzeitliche Religiosität, Selbstzeugnisse von Frauen und höfische Netzwerke) stellt ein breites und gut erforschtes Forschungsgebiet dar. Soziale Netzwerke (sowohl metaphorisch verstanden als auch im engeren Sinn von Netzwerkanalyse) und die soziale Einbettung sowohl des höfischen Alltags als auch religiöser Identitäten oder des autobiographischen Selbst bilden in allen drei Feldern eine häufige und fruchtbare Forschungsperspektive.
In diesem Workshop streben wir eine Überschneidung der genannten Themen an. Ausgehend von unserer eigenen Forschung zu den Memoiren der Gräfin Luise Charlotte von Schwerin (1684 Wesel–1732 Wien) laden wir zu Beiträgen ein, die sich mit den Zusammenhängen von Selbstzeugnissen von Frauen, Religiosität und höfischen Netzwerken bzw. der höfischen Gesellschaft beschäftigen. Dabei gehen wir von einer breiten Definition von Selbstzeugnissen aus, die auch Briefe oder amtliche Quellen (wie etwa Suppliken) umfasst.
Zu den Forschungsfragen, denen wir besonderes Augenmerk widmen möchten, gehören:
- Wie wurde höfische Frömmigkeit in Selbstzeugnissen von Frauen beschrieben?
- Welche Aufschlüsse geben Selbstzeugnisse darüber, wie religiöse Praktiken und Identitäten die höfischen Netzwerke von Frauen prägten?
- Wie wurde das Schreiben über Religiosität in autobiographischen Texten von Frauen als kommunikative Strategie gegenüber einem höfischen Publikum genutzt?
- Welche religiösen Publikationen beeinflussten das autobiographische Schreiben adeliger Frauen?
- Wie prägten frühneuzeitliche Konzepte von Öffentlichkeit und „Privatheit“ oder von formellen (kirchlichen oder höfischen) Ämtern und informellen (z.B. verwandtschaftlichen) Beziehungen die Handlungsfähigkeit von Frauen in Bezug auf ihren religiösen Status – etwa für Angehörige konfessioneller Minderheiten oder religiöser Orden?
- Wie spiegeln sich interkonfessionelle Netzwerke und religiöse Grenzen bzw. deren Durchlässigkeit (z.B. im Fall von interreligiösen Ehen oder Konversionen) an frühneuzeitlichen Höfen in autobiographischen Texten von Frauen?
- Wie kann die qualitative Forschung zu diesen Themen durch quantitative digitale Methoden wie Netzwerkanalyse, Themenmodellierung oder semantische Analyse unterstützt werden?
Zu diesen und verwandten Forschungsfragen möchten wir thematische Panels bilden, die jeweils einen Beitrag aus unseren Forschungen zur Gräfin Schwerin und Beiträge über andere Quellen kombinieren.
Der Workshop wird am 20. bis 21. Februar 2025 in hybrider Form in Wien am Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der Österreichischen Akademie der Wissenschaften stattfinden. Reise- und Übernachtungskosten der Vortragenden können übernommen werden. Wir ersuchen um die Zusendung von Abstracts für 20-minütige Vorträge und einen kurzen Lebenslauf an ines.peper@oeaw.ac.at or michael.poelzl@oeaw.ac.at bis 22. Juni 2024.
Veranstaltungsteam: Selina Galka, Sebastian Kühn, Ines Peper, Michael Pölzl, Chiara Petrolini, Joëlle Weis.