"Die Kultursoziologie Alfred Webers"

"Die Kultursoziologie Alfred Webers"

Veranstalter
Werner Reimers-Stiftung, Fritz Thyssen-Stiftung
Veranstaltungsort
Ort
Bad Homburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.04.2000 - 05.04.2000
Website
Von
Eberhard Demm

TAGUNG
"Die Kultursoziologie Alfred Webers"

Mit Unterstuetzung der Werner Reimers-Stiftung und der Fritz Thyssen-Stiftung findet

vom 3. bis 5. April 2000

in den Raeumen der Werner Reimers-Stiftung, Bad Homburg ein Kolloquium ueber die Kultursoziologie Alfred Webers statt.

Um Alfred Weber ist es nach seinem Tode im Jahre 1958 recht still geworden, aber in den letzten Jahren hat das Interesse an Leben und Werk dieses wichtigsten Vertreters der Weimarer Historischen Soziologie zugenommen. Mehrere einschlaegige Veroeffentlichungen, zwei grosse Kolloquien ueber Weber selbst bzw. ueber sein "Institut fuer Sozial- und Staatswissenschaften" (InSoSta) und nicht zuletzt die seit 1997 erscheinende historisch-kritische Gesamtausgabe seines Werkes haben das Interesse an Weber belebt und nicht nur in Fachzeitschriften, sondern auch in der ueberregionalen Presse zu einer teilweise heftigen Diskussion gefuehrt.1

Dabei standen folgende Fragen im Vordergrund:

1) Hat sich Weber im Dritten Reich mit dem NS-Regime kompromittiert?2
2) Hat Webers Kultursoziologie heute noch einen methodologischen Wert?

Waehrend die erste Frage durch zwei entscheidende Artikel Eberhard Demms inzwischen definitiv geklaert und ueberhaupt die politische Karriere Webers durch die umfassende Biographie und zahlreiche weitere Artikel dieses Autors genuegend bekannt sein duerfte3, ist der Wert von Webers methodologischem Ansatz noch immer umstritten.4 Eine historische Standortbestimmung der Entstehungsmilieus von Webers Kultursoziologie soll ueber die besonderen Eigenheiten von Webers Forschungsansatz orientieren und nicht nur die Stellung Webers als eines der praegenden Kulturwissenschaftler der Weimarer Republik herausarbeiten, sondern darueberhinaus einen Beitrag zur Aufarbeitung einer in der aktuellen kultursoziologischen Diskussion vergessenen und verschuetteten Tradition der deutschen Kulturwissenschaft leisten.

Dabei stehen vier Hauptfragen im Vordergrund:

1) Wie kommt Weber als ausgewiesener Nationaloekonom und Sozialpolitiker zur historisch orientierten Kultursoziologie?Diese Frage soll in den Referaten von verschiedenen Standpunkten aus untersucht werden:

a) wissenschaftsimmanent (Braeu, Nutzinger)
b) biographisch (Demm)
c) biographisch und institutionengeschichtlich (Blomert)
d) disziplingeschichtlich (Behrmann, Karadi)

2) Wie ist Weber in die Kulturwissenschaft der zwanziger Jahre einzuorden?

(Referate von Karadi, Blomert und Stoelting). Weber hat die Kulturwissenschaft der zwanziger Jahre entscheidend gepraegt und insbesondere Karl Mannheim und Norbert Elias nachhaltige methodische und theoretische Anstoesse gegeben, die Mannheim im Gegensatz zu Elias auch immer anerkannt hat.

3) Warum scheiterte Webers kultursoziologische Schule? (Referate von Kruse und Demm).

Hier sollen die beiden Hauptstandpunkte vom «auslaufenden Modell der Kultursoziologie» bzw. ihrer «Strangulierung» miteinander konfrontiert werden.

4) Was ist der Wert von Webers Forschungsansatz in der heutigen Kulturwissenschaft?

Diese Frage untersucht insbesondere das Referat von Fuerstenberg.

Ziel dieses Kolloquiums ist nicht die Rekonstruierung des kultursoziologischen Ansatzes von Alfred Weber, sondern die Untersuchung seiner historischen Entstehungsmilieus und seines schliesslichen Scheiterns, wobei am Schluss zu fragen ist, warum gerade Webers Kultursoziologie heute in einschlaegigen Diskussionen abgelehnt bzw. totgeschwiegen wird, nicht nur von soziologischer Seite, sondern auch von einem modernen Sozialhistoriker wie Hans Ulrich Wehler, der den unbequemen Querdenker Weber unbedingt in die "wohltaetige Vergessenheit" zurueckstossen moechte. Das Kolloquium, das durch eine historische Standortbestimmung von Webers Kultursoziologie ueber die aelteren Untersuchungen hinauszukommen versucht, will damit gleichzeitig einen Beitrag zum Selbstverstaendnis der heutigen Kulturwissenschaften leisten.

Anmerkungen:

1 Hans G. Nutzinger, Zwischen Nationaloekonomie und Universalgeschichte. Alfred Webers Entwurf einer umfassenden Sozialwissenschaft in heutiger Sicht, Marburg 1995; Reinhard Blomert, et al. Hg.),. Heidelberger Sozial- und Staatswissenschaften. Das Institut fuer Sozial- und Staatswissenschaften zwischen 1918 und 1958, Marburg 1997; Alfred Weber-Gesamtausgabe (kuenftig AWG) Bd. 1: Kulturgeschichte als Kultursoziologie, hg. von Eberhard Demm, Marburg 1997; AWG Bd. 2: Das Tragische und die Geschichte; hg: von Richard Braeu; Marburg 1998; AWG Bd. 3: Abschied von der bisherigen Geschichte/Der dritte oder der vierte Mensch, hg. von Richard Braeu, Marburg 1997; AWG Bd. 4: Einfuehrung in die Soziologie, hg. von Hans Nutzinger, Marburg 1997; AWG Bd. 5: Schriften zur industriellen Standortlehre, hg:von Hans Nutzinger, Marburg 1998; AWG Bd. 7: Politische Theorie und Tagespolitik (1903-1933), hg: von Eberhard Demm unter Mitwirkung von Nathalie Chamba, Marburg 1999; AWG Bd. 8: Kultur- und Geschichtssoziologie, hg. von Richard Braeu, im Druck; Volker Kruse, Soziologie und "Gegenwartskrise". Die Zeitdiagnosen Franz Oppenheimers und Alfred Webers, Wiesbaden 1990; ders., Historisch-soziologische Zeitdiagnostik der zwanziger Jahre, in: Knut Wolfgang Noerr et al. (Hg.), Geisteswissenschaften zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik. Zur Entwicklung der Nationaloekonomie, Rechtswissenschaft und Sozialwissenschaft im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1994, S. 375-402; Andreas Platthaus, Demokratischer Generalist, in: FAZ, 9.7.1997; Andreas Cser, Ein Grosser der Heidelberger Universitaet, in: Rhein-Neckar-Zeitung, 8.7.1997; Gerwin Klinger; Eine Lanze fuer Alfred Weber, in: Tagesspiegel, 26.1.1999.

2 Carsten Klingemann, Das Institut fuer Sozial- und Staatswissenschaften an der Universitaet Heidelberg am Ende der Weimarer Republik und waehrend des Nationalsozialismus, in: Jahrbuch fuer Soziologiegeschichte 1,1990, S. 79-120, veraenderter Nachdruck in: ders., Die Soziologie im Dritten Reich, Baden Baden 1996, S. 110-159; Dirk Kaesler, Unedles Waidwerk: Alfred Weber wird beschuldigt, in: FAZ, 12.1.1997; ders., Soziologie und Nationalsozialismus, in: Soziologie Jg. 1997 Heft 3, S. 20-32; Otthein Rammstedt, Ueber die Grenzen des Erlaubten, in: ebd., S. 52-57; Baerbel Meurer, Soziologen-Verhalten vor und nach 1933, in: FAZ, 12.3.1997; Eberhard Demm, Kontakt mit Carlo Mierendorff [Leserbrief], in: FAZ, 7.4.1997; Reinhard Blomert, Der falsche Hang zur Eindeutigkeit, in: Soziologie Jg. 1998, S: 16-19.

3 Eberhard Demm, Hat sich Alfred Weber mit dem NS-Regime "akkommodiert"?, in: Soziologie Jg. 1998, Heft 1, S. 23-27; ders., Alfred Weber und die Nationalsozialisten; in: Zeitschrift fuer Geschichtswissenschaft 47, 1999, S; 211-236; ders., Ein Liberaler in Kaiserreich und Republik. Der politische Weg Alfred Webers bis 1920, Schriften des Bundesarchivs Bd. 38, Boppard 1990; ders;. Von der Weimarer Republik zur Bundesrepublik. Der politische Weg Alfred Webers von 1920 bis 1958, Schriften des Bundesarchivs Bd. 51, Duesseldorf 1999; ders., Geist und Politik im 20. Jahrhundert. Gesammelte Aufsaetze zu Alfred Weber, Frankfurt und Zuerich, im Druck.

4 Hans Ulrich Wehler, Reiter und Immerweitervoelker, in: FAZ, 14.10.1997, S. 35, vgl. aber Volker Kruse, Abhilfe fuer den Geschichtsverlust der Soziologie [Leserbrief], in: FAZ, 28.11.1997; Jost Nolte, Klassenkeile fuer Alfred Weber?, in: Die Welt, 1.11.1997; Markus Jox, Keine Frage der Ehre, in: FAZ, 12.11.1997; Friedrich Fuerstenberg, Die Moral von der Geschichte des Herrenmenschen. Zur Kultursoziologie Alfred Webers, in: Soziologische Revue 21, 1998, S. 192-196.

Programm

Montag, den 3. April

16.30

Eberhard Demm/Guenther C. Behrmann:
Begruessung und Einleitung

17.00-18.00

Richard Braeu, Greifswald:
Lebensphilosophie und Transzendenz: Entstehung und Entstehungsmilieus der Kultursoziologie Alfred Webers

Dienstag, den 4. April

9.15-12.00

Guenter C. Behrmann, Potsdam:
Sozialwissenschaften als historische Kulturwissenschaften in der deutschen und oesterreichischen Wissenschaftsgeschichte unter besonderer Beruecksichtigung des "oesterreichisierten" Schmollerschuelers Alfred Weber und seiner Prager Zeit

Hans Nutzinger, Kassel:
Alfred Webers Weg von der Nationaloekonomie und Sozialpolitik zur Kultursoziologie

Eberhard Demm, Lyon:
Biographische und migrationsgeschichtliche Faktoren in Alfred Webers Wendung zur Kultursoziologie

13.30-15.30

Reinhard Blomert, Berlin:
Alfred Weber und Norbert Elias - eine Heidelberger Lehrer-Schuelerbeziehung

Eva Karadi, Budapest
Kultursoziologie oder Wissenssoziologie - Alfred Weber und Karl Mannheim zwischen Zusammenarbeit und Konkurrenz

16.30-18.00

Volker Kruse, Bielefeld:
Warum scheiterte Alfred Webers kultursoziologische Schule?

Eberhard Demm, Lyon:
Korreferat

Mittwoch, den 5. April

9.15-11.15

Erhard Stoelting, Bonn
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Alfred Weber und anderen Kultursoziologen der zwanziger Jahre

Friedrich Fuerstenberg, Bonn:
Der Kulturbegriff Alfred Webers und die heutige Kulturwissenschaft

11.15-12.00

Abschlussdiskussion

Kontakt

Eberhard Demm <edemm@compuserve.com>


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Deutsch
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