Diktatur und Rausch (Berlin, 06./07.12.2002)

Diktatur und Rausch (Berlin, 06./07.12.2002)

Veranstalter
Humboldt Universität zu Berlin
Veranstaltungsort
Humboldt Universität zu Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.12.2002 - 07.12.2002
Deadline
15.11.2002
Website
Von
Rolf, Malte

Diktatur und Rausch

Konferenz am 6. - 7. Dezember 2002
Humboldt Universität zu Berlin
Call for papers

Diktaturen, so eine verbreitete Vorstellung, beruhen auf dem Anspruch, Individuen und Kollektive einer Gesellschaft durch Einsatz von Propaganda und Zwangsmitteln unter völlige Kontrolle zu bringen. Allerdings wird seit langem anerkannt, daß auch ekstatische und hysterisch-begeisterte Momente zur Errichtung und Stabilisierung der Regime notwendig waren. Rausch als ein Aus-Sich-Heraustreten, als Grenzerfahrung und Kontrollverlust hatte in Diktaturen einen ebenso festen wie akzeptierten Platz. Eine systematische Untersuchung und Einordnung in die Theoriebildung dieses Sachverhalts steht jedoch aus. Eine an rationalistischen Modellen orientierte Forschung hat sich an das als "irrational" geltende Phänomen Rausch bisher nicht herangewagt. Zur Überwindung dieser Hemmschwelle soll die geplante Konferenz beitragen. Gerade die Mehrdeutigkeit des Begriffes Rausch kann zur Erklärung der Wirksamkeit von Diktaturen und des Verhaltens in Diktaturen genutzt werden. Die Steigerung von Emotionalität in Rauschzustände stehen bei masssenpsychologischen Theorien zu Recht im Mittelpunkt. In Diktaturen findet Vergemeinschaftung statt durch kollektive Erlebnisse von Grenzerfahrung, eine gesteigerte individuelle und kollektive Emotionalität, die Ausgrenzung Außenstehender bis hin zu deren gewaltsamer Auslöschung - kurz: Lassen sich die Massenmorde ebenso wie die Massenfeiern, die spezifische Merkmale der totalitären Diktaturen des 20. Jahrhunderts waren, ohne die Komponente des Rauschzustandes überhaupt erklären?

Jedoch stehen Diktaturen auch vor dem Problem, innerhalb einer kontrollfixierten sozialen Ordnung abgegrenzte Räume für das Dionysische zu schaffen. Denn auf der Kehrseite der Medaille wird die Entgrenzung dieser Räume als Bedrohung für die soziale und politische Stabilität sichtbar. Phänomene wie der kollektive Eskapismus in den Massenalkoholismus, die Ineffektivität des Kampagnenenthusiasmus oder die letztendlich selbstzerstörerische Kraft der Kriegshysterie lassen die potentielle Dysfunktionalität von Rauschzuständen für Diktaturen erkennen. Die Fragilität des Versuches, eng begrenzter und integrierter Zeit-Räume für Rauschzustände zu schaffen, tritt hier deutlich zu Tage. Schließlich verweist die Tatsache, daß sich die Semantik von Rausch in den verschiedenen Sprachen deutlich unterscheidet, darauf, daß das Phänomen kulturell je anders gedeutet und sozial je unterschiedlich praktiziert wurde. Das bringt es mit sich, daß der explizite Vergleich der Diktaturen, die Feststellung von Ähnlichkeiten und Unterschieden und deren Analyse, einen wichtigen, durchgängigen Schwerpunkt der Konferenz bilden wird.

Die Konferenz will in einer längeren diachronen Perspektive Ausprägungen und Entwicklungen von Rauschzuständen in verschiedenen Diktaturen verfolgen. Der Rausch in der "Bewegungsphase" totalitärer Bewegungen soll ebenso Gegenstand der Diskussion werden wie der in Perioden der Stabilität und Phasen des Niedergangs. Ebenso werden empirische Beiträge gleichberechtigt neben theoretischen Überlegungen stehen. Vorgesehen sind darüber hinaus einzelne Beiträge zum Zusammenhang von Rausch, Körperlichkeit und Herrschaft in modernen Gesellschaften überhaupt.

Auf der Konferenz vom 6. bis zum 7. Dezember 2002 sind kurze Vorstellungen und längere Diskussionen zuvor eingereichter Beiträge geplant. Die maximal 15-seitigen schriftlichen Ausführungen sind bis zum 15. November 2002 bei den Organisatoren einzureichen. Sie werden dann an alle Konferenzteilnehmer verteilt. Vorgesehen ist längerfristig die Ausarbeitung der Beiträge zu Aufsätzen für einen Konferenzband. Die Organisatoren bitten alle Interessierten, sich spätestens bis zum 15. August mit einem Themenvorschlag und einem maximal zweiseitigen Thesenpapier bei der Emailadresse malterolf@web.de zu melden.

Berlin, den 14.6.2002

Jörg Baberowski
Árpád von Klimó
Malte Rolf

Programm


Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Klassifikation
Thema
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung