Urmensch und Wissenschaftskultur. Konzeptionen und Funktionen des Urmenschen in den modernen Wissenschaften

Urmensch und Wissenschaftskultur. Konzeptionen und Funktionen des Urmenschen in den modernen Wissenschaften

Veranstalter
Sonderforschungsbereich 511 "Literatur und Anthropologie" Sonderforschungsbereich 485 "Norm und Symbol"
Veranstaltungsort
Universität Konstanz, V1001
Ort
Konstanz
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.11.2002 - 17.11.2002
Von
B. Kleeberg

Urmensch und Wissenschaftskultur. Konzeptionen und Funktionen des Urmenschen in den modernen Wissenschaften
Tagung anläßlich des 70sten Geburtstages von Dieter Groh

Konzeptionen des Urmenschen oder der Anfänge der Menschheit scheint der Charakter universaler anthropologischer Selbstentwürfe zuzukommen. Seit jeher denkt der Mensch über seine Ursprünge nach, sei es im Rahmen religiös-metaphysischer Weltbilder, sei es im Rahmen heutiger Wissenschaften. Mitgedacht werden dabei immer auch spezielle körperliche und charakterliche Eigenschaften des Urmenschen, die ihn zwischen Natur und Kultur, Animalität und Menschlichkeit situieren, seine Fortpflanzungs- und Überlebenstechniken sowie die sozialen Strukturen seines Zusammenlebens.

Nicht nur archaische Schöpfungsmythen, sondern auch aktuelle Hominisierungs- und Kulturentstehungstheorien weisen einen mehr oder minder stark ausgeprägten normativen Gehalt auf. Es sind vielfach nüchtern anmutende Aussagen über die Natur des Menschen, die mit dem Verweis auf seine Ursprünge belegt werden sollen: Die Frühgeschichte zeige, daß der Mensch von Natur auf gegenseitige Hilfe und arbeitsteilige Organisation hin angelegt ist - oder aber: die Frühgeschichte zeige, daß der Mensch nur aufgrund seiner natürlichen Aggressivität imstande war, sich seinesgleichen und seiner feindlichen Umwelt erfolgreich zu erwehren, um sich so evolutionär durchzusetzen.

Mit dem Thema Konzeptionen und Funktionen des Urmenschen in den modernen Wissenschaften verbinden wir deshalb die Frage nach der konstruktivistischen Dimension des Wissens über unsere Vorfahren. Avisiert ist neben der Bestandsaufnahme des aktuellen Diskussionsstandes eine wissenschaftshistorische Auseinandersetzung mit den Unwägbarkeiten einer Wissensproduktion, deren Erkenntnisobjekt sich als äußerst plastisch erweist.

Dieter Groh, Prof. em. für Neuere Geschichte, steht seit vielen Jahren für eine kulturanthropologisch reflektierte Geschichtswissenschaft. Neben Arbeiten zur Subsistenzökonomie einfacher Gesellschaften und zur Methodologie der Historiographie hat ihn insbesondere die Geschichte wissenschaftlicher Weltdeutungsmuster beschäftigt. 2003 erscheint seine Studie zu optimistischen und pessimistischen Deutungen der Natur und des Menschen in der christlichen Tradition: Schöpfung im Widerspruch.

Programm

Donnerstag, 14. November (Anreisetag)

18.00-19.30:
ERÖFFNUNGSVORTRÄGE IM REFEKTORIUM DES ARCHÄOLOGISCHEN LANDESMUSEUMS,
BENEDIKTINERPLATZ 5

Adams Eltern - neue Funde, Forschungen, Fragen
Friedemann Schrenk, Frankfurt

Vor der Gesellschaft. Das Anfangsproblem der Anthropologie
Albrecht Koschorke, Konstanz

Freitag, 15. November

9.00
BEGRÜSSUNG DER TEILNEHMER UND LAUDATIO

SEKTION I:
PHYLOGENIE UND ONTOGENIE - DIE GENESE DES MENSCHEN

10.00-10.45
Ursprung, Adaptation und Verbreitung der Gattung Homo - Marginalien zur Evolution eines global player
Winfried Henke, Mainz

11.15-12.45
Stufen in der Evolution der Sprache
Dieter Wunderlich, Düsseldorf

Kultur und Emotion. Zur Sozialisation menschlicher Gefühle
Wolfgang Friedlmeier, Konstanz

SEKTION II:
MENSCHEN, AFFEN, "AFFENMENSCHEN"

14.15-15.45
Conceptions of Early Man in the 19th and 20th Centuries
Peter Bowler, Belfast

Mensch und Schimpanse - ein genetischer Vergleich
Wolfgang Enard, Leipzig

16.00-17.30
Die Kategorie "Rasse" / "Race" in den Hygieneschriften des 19. Jahrhunderts
Philipp Sarasin, Zürich

Reflexionen zur Paläoanthropologie in der deutschsprachigen evolutionsbiologischen Literatur der 1940er bis 1970er Jahre
Uwe Hoßfeld, Jena

Samstag, 16. November

SEKTION III:
AGGRESSION UND KOOPERATION: SOZIALVERHALTEN

9.00-10.30
Gewalt und Krieg in der "Urgesellschaft"
Jürg Helbling, Zürich

Ein "Verbrechen unvorstellbaren Ausmaßes"? einige Fragen an die Kontroverse um das Aussterben des Neanderthalers
Felix Keller, Zürich

10.45-12.15
Machiavellistische Intelligenz bei Primaten: Sind die Sozialsysteme der Menschenaffen Modelle für die menschliche Urgesellschaft?
Hartmut Rothe, Göttingen

Das Horizontale und das Vertikale. Zur soziobiologischen Begründung von Gesellschaftsmodellen
Ruth Groh, Heidelberg

SEKTION IV:
ÄSTHETISCHE MORPHOLOGIE DES "PRIMITIVEN"

13.45-15.15
Zwischen Aufklärung und Darwinismus - zum Wandel von Wissenschaftsparadigmen und Naturdarstellung in der Moderne
Norbert M. Schmitz, Kiel

Frühgeschichte als ‚whodunit': Zur Popularisierung und Bewertung anthropologischer Selbstentwürfe in literarischen Texten des 19. und 20. Jahrhunderts
Julika Griem, Stuttgart / Virginia Richter, München

15.30-17.00
Zurück in die Zukunft. Inszenierungen des (Affen-)Menschen) im Science-Fiction-Film
Kay Kirchmann, Konstanz

Vom Nutzen und Nachteil der evolutionären Ästhetik
Martin Seel, Gießen

Sonntag, 17. November (Abreisetag)

SEKTION V:
ADAM UND DIE URHORDE: URSPRUNGSMYTHEN UND KULTURENTSTEHUNGSTHEORIEN

9.00-10.30
Der "Purusha" - die hinduistische Konzeption vom ersten Menschen
Pradeep Chakkarath, Konstanz

"Gleich wie die Tiere des Waldes". Die Konstruktion des böhmischen Urmenschen bei Cosmas von Prag (ca. 1120)
Klaus van Eickels, Universität Bamberg

10.45-11.45
Der Urmensch in der marxistischen Tradition
Rolf Peter Sieferle, St. Gallen

"Die Feststellung des ursprünglichen Zustandes bleibt jedesmal eine Sache der Konstruktion" (Freud). Psychoanalytische Überlegungen zu religiösen Konzeptionen des Ur-Menschen.
Wolfgang Hegener, Berlin

12.00: Verabschiedung der Teilnehmer

Kontakt

Bernhard Kleeberg, M.A.
FB Geschichte und Soziologie Universität Konstanz
Fach D11 78457 Konstanz
++49(0)7531 / 882154
++49(0)7531 / 88 4796
urmensch@uni-konstanz.de

www.uni-konstanz.de/urmensch
Redaktion
Veröffentlicht am
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung