Fallgeschichten - Zeitschrift Traverse

Fallgeschichten - Zeitschrift Traverse

Veranstalter
Traverse (Zeitschrift für Geschichte / Revue d'histoire)
Veranstaltungsort
Ort
Zürich / Bern
Land
Switzerland
Vom - Bis
01.02.2005 -
Deadline
01.02.2005
Website
Von
Marietta Meier / Urs Germann

Seit den 1980er Jahren wächst in der Geschichtswissenschaft das Interesse an der Arbeit mit «Fällen». Case studies erfreuen sich bei HistorikerInnen anhaltender Beliebtheit. Sie erlauben im Idealfall, das Besondere und das Allgemeine sinnvoll aufeinander zu beziehen, ohne dabei in die Aporien einer reinen Makro- oder Mikrogeschichte zu verfallen. Umso mehr erstaunt, dass man sich bisher in der Geschichtswissenschaft kaum mit den methodischen Herausforderungen beschäftigt hat, die sich bei einer Arbeit mit Fallgeschichten stellen. So bleibt es weitgehend den Forschenden überlassen zu definieren, was ein «Fall» ist und unter welchen Bedingungen Fallbeispiele allgemeine Strukturen und Prozesse repräsentieren können.

«Fälle» sind jedoch auch in ganz anderer Weise Gegenstand der Geschichtswissenschaft: Die Wahrnehmung des Individuums als «Fall» gehört zum Charakteristikum der modernen Bürokratie und Wissenschaft. Die Vorstellung, als «Fall» von einer Amtsstube oder von einer Praxis in die andere geschoben zu werden, wirkt aber auf die meisten Leute abschreckend. Wann und wie wird ein Individuum zum «Fall», dessen Schicksal zwischen zwei Aktendeckeln besiegelt scheint? Obwohl sich HistorikerInnen bislang erst in Ansätzen mit den Voraussetzungen und Auswirkungen dieser bürokratisch-wissenschaftlichen Fallbildung beschäftigt haben, stellen Akten oder besser gesagt «Fallakten» seit längerem wertvolle Quellen für eine erweiterte Sozial- und Mentalitätsgeschichte dar.
Um der Vielschichtigkeit im Umgang mit «Fällen» gerecht zu werden, verfolgt der Heftschwerpunkt «Fallgeschichten» von traverse eine doppelte Stossrichtung:

- Erwünscht sind einerseits Beiträge, die den Umgang der Geschichtswissenschaft mit «Fällen» in methodisch-theoretischer Perspektive reflektieren. Nach welchen Kriterien werden Fallbeispiele gebildet und ausgewählt? Wie werden dabei das Spezielle und das Allgemeine definiert und aufeinander bezogen? Welche quantitativen und qualitativen Methoden stehen bei der Auswertung zur Verfügung? Was heisst Repräsentativität und Exemplarität? Wie lassen sich die Schlussfolgerungen aus Fallbeispielen validieren? Wie können Fallbeispiele miteinander verglichen werden?

- Erwünscht sind andererseits Beiträge, die die Konstitution von Fällen in der modernen Bürokratie und Wissenschaft thematisieren. Durch welche Verfahren und Techniken werden Individuen als «Fälle» konstituiert? Welche handlungsleitenden «Programme» sind dabei entscheidend? Welche Auswirkungen hat die «Fallbildung» für die betroffenen Individuen? Ein besonderes Augenmerk soll dabei den bürokratischen Praktiken der Verschriftlichung, Verdatung und Aktenführung beigemessen werden. Inwiefern lässt sich sagen, dass «Fälle», wenn nicht gar das moderne Subjekt und seine Biographie, Ergebnis solcher Aufschreibsysteme sind? Zu thematisieren ist in diesem Zusammenhang auch die Verwendung von Fallakten durch die historische Forschung und die quellekritischen Probleme, die sich dabei stellen.

VERANTWORTLICH FÜR DEN HEFTSCHWERPUNKT
Urs Germann, Marietta Meier

TERMINE, ADRESSEN
Skizzen für Beiträge (max. 4000 Zeichen) sind mit Angaben zu Forschungsschwerpunkten und -projekten wenn möglich als E-Mail-Attachment im Format rtf bis spätestens am 1. Februar 2005 zu senden an:
Dr. Urs Germann (urs.germann@bar.admin.ch)
Blockweg 7
CH-3007 Bern

oder

Dr. Marietta Meier (marmeier@hist.unizh.ch)
Forschungsstelle für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
Rämistrasse 64
CH-8001 Zürich

Programm