Workshop I: Qualitative und quantitative Verfahren in der Makroanalyse
Prof. Dr. Bernhard Kittel
Modul 1: Der neue Methodenstreit: Standards quantitativer und qualitativer Verfahren
Auf der Suche nach gemeinsamen Standards sozialwissenschaftlicher Forschung wurde der Anspruch gestellt, die Standards quantitativer Verfahren wurden auch für die qualitative Forschung gelten. Diese betreffen das Forschungsdesign, die Messung von Variablen, Bedingungen der validen Kausalinferenz, Fallauswahl und Modellbildung. Dieser Anspruch geht jedoch in vieler Hinsicht am Gegenstand und an den Fragestellungen qualitativer Forschung vorbei. Dieses Modul stellt die wichtigsten Streitpunkte der Debatte vor: Definition der Forschungsfrage, Theorieentwicklung, Fall- und Gegenstandsauswahl, Konzeptualisierung von Variablen und Beobachtungseinheiten.
Modul 2: Generalisierbarkeit und empirischer Gehalt in der Makroanalyse
Sozialwissenschaftliche Analysen von politischen und sozialen Makrophänomenen stehen vor dem Problem, im Sinne der Suche nach systematischen Zusammenhängen und Regularitäten allgemeine Aussagen entwickeln zu wollen, dies aber nur auf der Basis von singulären Ereignissen tun zu können, die lediglich in ihrer vollen Komplexität zu erfassen sind, ohne zur Karikatur zu verkommen. Im Mittelpunkt stehen die Implikationen des Spannungsverhältnisses zwischen dem Generalisierbarkeitsanspruch und dem Charakter des Gegenstandsbereichs sowie die Bemühungen, dieses Dilemma zu überwinden.
Modul 3: Quantitative Verfahren der Makroanalyse
Gelingt es, die Ansprüche quantitativer Methodologie in der vergleichenden Forschung von makropolitischen und sozialen Phänomenen umzusetzen? Vielfach müssen Kompromisse eingegangen werden, durch die sich die Forschungspraxis weit von den methodologischen Ansprüchen entfernt. Der Schwerpunkt liegt auf konzeptuellen Problemen des in der vergleichenden Sozialwissenschaft derzeit meistgenutzten ökonometrischen Verfahrens, der Panelanalyse. Im Mittelpunkt stehen Probleme der Validität von Ergebnissen in Abhängigkeit von konzeptuellen und modellierungstechnischen Entscheidungen. Die Problematik wird an Hand von Beispielen aus der Literatur diskutiert.
Modul 4: Qualitativ-vergleichende Verfahren
Einen Versuch, die Komplexität von Faktorenkonstellationen und bedingte Kausalitäten in den Griff zu bekommen und zugleich multiple Entstehungsbedingungen eines Makrophänomens zu erfassen, stellt die qualitativ-vergleichende Analyse (Qualitative Comparative Analysis) dar. Das Modul stellt den Ansatz vor und diskutiert einige wichtige Kritikpunkte. Auch hier dienen Beispiele aus der Literatur als Grundlage.
Modul 5: Historisch-vergleichende Analyse
Qualitative Analysen haben den Vorteil, nahe am Gegenstand zu stehen und die Komplexität empirischer Phänomene im Auge zu behalten. Im Mittelpunkt des historisch-vergleichenden Ansatzes steht der Prozesscharakter von Makrophänomenen. Wie der Anspruch kausaler Inferenz unter der Bedingung minimaler Fallzahlen eingelöst werden kann und an welchen Kriterien Prozessanalysen zu messen sind, sind Gegenstand dieses Moduls. Beispiele aus der Literatur dienen als Referenzpunkt.
Workshop II: Qualitative und quantitative Verfahren in der Mikroanalyse
Dr. Udo Kelle
Modul 1: Kriterien für die Auswahl quantitativer und qualitativer Verfahren
Es werden verschiedene methodologische Programme diskutiert, anhand derer in der mikroanalytischen Sozialforschung die Auswahl von Forschungsmethoden vorgenommen werden kann: das hypothetiko-deduktive Programm, das Programm der interpretativen Forschung und das pragmatistische Programm. Die zentralen methodologischen Kontroversen werden kurz in ihrer Bedeutung für die mikroanalytische Sozialforschung dargestellt, von denen die Auswahl von Methoden oft bestimmt wird (Erklären vs. Verstehen, Theorienprüfung vs. Theorienkonstruktion, usw.). Hierbei wird gezeigt, dass diese Streitigkeiten sich letztendlich begründen in der Existenz konkurrierender Forschungsziele, deren Bedeutung für jedes einzelne Forschungsvorhaben also konkret geklärt werden muss. Auf der Basis dieser Überlegungen werden Kriterien für eine gegenstandsadäquate Wahl von Forschungsmethoden bzw. für die Konstruktion von nur quantitativen, nur qualitativen und kombiniert quantitativ-qualitativen Designs vorgestellt. Beispiele aus der empirischen Forschungspraxis sollen dabei verdeutlichen, wie eine gegenstandsadäquate Methodenwahl aussehen kann.
Modul 2: Kausalanalysen quantitativer Mikrodaten — Reichweite und Probleme
Klassische Schwierigkeiten und Validitätsbedrohungen quantitativer Kausalanalysen von sozialwissenschaftlichen Mikrodaten werden diskutiert: das Problem der unbekannten Hintergrundbedingungen, das Problem der common causes und die Gefahren der Gewohnheitsheuristik des Alltagswissens. Anhand von Beispielen aus der empirischen Forschung werden die forschungspraktischen Auswirkungen dieser methodologischen Probleme behandelt. Verschiedene Strategien werden vorgestellt, wie diesen Validitätsbedrohungen im Kontext quantitativer Forschung begegnet werden kann.
Modul 3: Methodenprobleme und Geltungsreichweite qualitativer Sozialforschung
Die Starken und Schwachen ausgewiesener Methoden der qualitativen Sozialforschung werden aufgezeigt und typische Methodenprobleme diskutiert: das Problem der angemessenen Fallauswahl, das Problem der Geltunganspruche von hermeneutischen Hypothesen und das Problem der Generalisierbarkeit von Aussagen, die aufgrund der Untersuchung begrenzter Handlungsfelder und anhand kleiner Fallzahlen getroffen werden. Es werden verschiedene Validierungsstrategien diskutiert, die im Kontext der qualitativen Forschung verwendet werden können, um diesen Problemen zu begegnen: Verfahren der systematischen Fallkontrastierung und empirisch gesättigten Typenbildung, sowie Methoden der sequenzanalytischen und synoptischen Geltungssicherung von Deutungshypothesen. Die Vorteile EDV-gestützter Methoden der Datenverwaltung für die Genese von Forschungsergebnissen, die aus qualitativen Mikrodaten entwickelt wurden, wird dabei verdeutlicht.
Modul 4: Triangulation qualitativer und quantitativer Methoden zwischen Validierung und Komplementarität
Im Zentrum dieses Moduls steht die Bearbeitung typischer Erklärungsgrenzen und Methodenprobleme qualitativer und quantitativer Methoden durch Verfahren der jeweils anderen Tradition. Hierzu wird zuerst die Diskussion um den Begriff der Methodentriangulation kurz resümiert, und dann verschiedene Bedeutungen, die dieser Begriff in der Forschungspraxis annehmen kann, anhand empirischer Beispiele verdeutlicht: Methodenkombination kann einerseits der wechselseitigen Validierung von Daten, Ergebnissen und Verfahren dienen. Andererseits kann eine Komplementarität von Methoden und Ergebnissen qualitativer und quantitativer Sozialforschung genutzt werden, um einen sozialwissenschaftlichen Sachverhalt umfassender und aus mehreren Perspektiven zu verstehen und zu erklären.
Modul 5: Mixed Methods Research — Designformen und Beispiele aus der empirischen Forschung
Im Modul 5 geht es, bezogen auf die von den Teilnehmer/innen verfolgten Designs, um die direkte methodische und forschungspraktische Umsetzung von Triangulationskonzepten. Dabei stehen die folgenden Funktionen von Mixed Methods Research im Vordergrund: die Validierung qualitativer Forschungsergebnisse durch quantitative Untersuchungen, die Identifikation von Methodenproblemen und Validitätsbedrohungen von standardisierten Erhebungsinstrumenten durch qualitative Forschung und die Exploration kausaler Zusammenhange zwischen statistischen Aggregatphänomenen durch qualitative Untersuchungen. Auf dieser Grundlage werden fünf verschiedene Typen von kombiniert qualitativ-quantitativen Designs angeboten und deren Verwendbarkeit für verschiedene Fragestellungen und Gegenstandsbereiche anhand der empirischen Forschungsvorhaben der Teilnehmer/innen diskutiert.
Eine abschließende Diskussion mit den Dozenten und Teilnehmer/innen am Ende des Seminars findet am Freitag, 4.3.2005 von 14.00 bis 16.30 Uhr statt.
Anmeldung: wdressel@gsss.uni-bremen.de