Kriegführende Parteien orientierten sich meist an bestimmten Normen und Regelwerken, die die organisierte Gewalt kanalisieren und strukturieren sollten. Sie beschrieben mehr oder minder genau, aus welchen Gründen Kriege begonnen, wie der eigentliche Kampf geführt werden und wie Kampfhandlungen und Kriege beendet werden sollten. Über Jahrhunderte hinweg bestimmten einzig Gewohnheitsrecht und Kriegsbrauch als aus der Beobachtung der Kriegspraxis gesammelte aber meist weithin anerkannte Regeln den kriegerischen Konflikt. Nach Vorläufern in der Frühen Neuzeit entstand im 19. und dann vor allem im 20. Jahrhundert ein international verbindliches, schriftlich kodifiziertes Kriegsrecht im modernen Sinne.
Seitdem es Regeln für die Kriegführung gab, sind diese immer wieder gebrochen worden. Dabei kam es zu ungezählten Gewalttaten an meist Wehrlosen, die als Kombattanten oder auch als Nichtkombattanten in das Kampfgeschehen im Frontbereich oder im Hinterland verwickelt waren. Bei solchen „Greueltaten“ konnte es sich um gezielt eingesetzte Mittel der Rache und Vergeltung handeln, die eine Kriegspartei zuweilen sogar ankündigte („Repressalien“), sie konnten von der Führung zum Erreichen eines militärischen oder politischen Zieles billigend in Kauf genommen werden, indem Regeln zeitweise oder für bestimmte Gruppen außer Kraft gesetzt wurden (z. B. Erlaubnis zur Plünderung, Verweigerung von Gefangennahmen) oder sie konnten als Folge eines seitens der Führung unbeabsichtigten Kontrollverlusts über die Truppe auftreten (z.B. spontane Massaker am unterlegenen Gegner).
Die Perzeption von Gewaltexzessen in Kriegen ist fast immer durch zeitgenössische und spätere Propagandabilder und unterschiedliche moralische Bewertungen geprägt und verzerrt worden. Hoch emotionalisierte Debatten über die Grauzone zwischen Recht und Moral, wie etwa um die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“, belegen, daß es sich um ein überaus brisantes Thema handelt, bei dem die Erforschung des eigentlichen „Ereignisses“ oftmals in den Hintergrund gedrängt wird. Bei den Vorträgen wird daher eine möglichst große Nähe zum eigentlichen Untersuchungsgegenstand und damit zur Ereignisgeschichte (konkrete historische Fälle) angestrebt. Außerdem sind übergreifende Beiträge zu den rechtlichen Aspekten erwünscht.
Die Tagung untersucht epochenübergreifend vom Mittelalter bis zur Zeitgeschichte Norm- und Rechtsverletzungen an der Front und im Hinterland, zwischen den kämpfenden Heeren selbst sowie zwischen regulären Kombattanten und anderen Gruppen wie etwa Partisanen oder auch wehrlosen Zivilisten, insbesondere Frauen und Kindern. In diesem Zusammenhang widmet sie sich auch den geschlechterspezifischen Aspekten von Kriegsgreueln. Sie fragt nach den vom Völkerrecht bzw. dem nationalen Kriegsrecht, dem Gewohnheitsrecht oder dem Kriegsbrauch vorgegebenen Grenzen für den Umgang mit feindlichen Soldaten und Zivilisten. Sie fragt weiterhin danach, von wem, in welcher Form, unter welchen Umständen und aus welchem Anlaß diese Grenzen überschritten wurden. Dabei wird im Einzelfall klarzustellen sein, welche Taten sich von der „normalen“ Gewalt des Krieges abhoben.
Um den Untersuchungsgegenstand möglichst scharf zu konturieren, sollen Bürgerkriege der Neueren Geschichte nur berücksichtigt werden, wenn mindestens eine reguläre Armee in größerem Maßstab an den Kämpfen beteiligt war. Ebenso erscheint es aus diesem Grund notwendig, den Zusammenhang mit der eigentlichen Kriegführung zu beachten, um die Kategorie der „Kriegsgreuel“ von den vor allem das 20. Jahrhundert prägenden Massenverbrechen, Genoziden und politisch geplanten Vertreibungen abzugrenzen. Da der Vergleich unterschiedlicher Epochen das Tagungsprogramm strukturieren soll, muss auch der Luftkrieg – im Gegensatz zum Seekrieg – ausgeschlossen bleiben, weil es sich dabei um eine Problematik handelt, die erst nach dem Ersten Weltkrieg virulent geworden ist.
Die angefragten Papers sollten einen Umfang von 1-12 Seiten haben.