„Erinnerungen und Geschichte aus der Erfahrungswelt in den Konzentrationslagern"

„Erinnerungen und Geschichte aus der Erfahrungswelt in den Konzentrationslagern"

Veranstalter
Konzeption und Durchführung: Anne Fieseler und Fabien Theofilakis mit unterstützung von den Außenministern der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik; dem französischen Verteidigungsministerium, Direction Mémoire, Patrimoine, Archives; der Fondation pour la Mémoire de la Shoah; der deutsch-französischen Hochschule; der Universität Paris X - Nanterre; der Universität Augsburg; dem Centre Marc Bloch Berlin; der Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltungsort
Grosse Aula,Hauptgebäude, Geschwister-Scholl-Platz 1.
Ort
München
Land
Deutschland
Vom - Bis
29.04.2005 - 30.04.2005
Von
Anne Fieseler & Fabien Théofilakis

Am 29. April 2005 gedenkt Europa des 60. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau.
Dieses Internierungslager wurde bereits im März 1933 errichtet und diente als Modell für die Konzentrationslager im nationalsozialistischen System, das auf der absoluten Verneinung des Menschen gründete. In den zwölf Jahren seines Bestehens und in Folge der Ausweitung des Krieges bedeutete das Lagerleben für die Gefangenen aus 31 europäischen Ländern schlimmstes Leid und tiefste Erniedrigung. Mit ca. 15.000 Inhaftierten gehörten die Franzosen zu einer der größten Gruppen.

Mit der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau begann ein neues Zeitalter. Als Gedenktag bietet der 29. April den Anlass, sich seiner Pflicht der Erinnerung und Verantwortung vor der Geschichte zu stellen. Dieser Gedenktag soll auch daran erinnern, dass sich die moralischen Werte des heute vereinten Europas gerade durch die Verurteilung der Barbarei gefestigt haben.

Im Rahmen des deutsch-französischen Kolloquiums „Erinnerungen und Geschichte aus der Erfahrungswelt in den Konzentrationslagern“, das wir am Freitag, den 29. April und Samstag, den 30. April 2005 in München veranstalten, treffen ehemalige französische Häftlinge aus Dachau als Zeitzeugen mit Wissenschaftlern von deutschen und französischen Universitäten zusammen, für die die Lebens- und Erfahrungsberichte der Häftlinge Forschungsgegenstand sind. Es werden auch Vertreter aus verschiedenen Gesellschaftskreisen anwesend sein.

Besonderen Wert legen wir dabei auf die Teilnahme von Schülern und Studenten, Vertretern der dritten Generation, um einen Austausch zwischen den Generationen zu fördern.

Wir möchten, dass diese Veranstaltung auf deutschem Boden, bei der die französischen Deportierten das Wort haben, als Symbol der heutigen deutsch-französischen Beziehungen verstanden wird.

Durch eine vergleichende Betrachtung will das Kolloquium bislang hauptsächlich national gestellte Fragen zusammenführen. Mit dem vorgesehenen Ablauf – deutsche und französische Referenten, die simultan gedolmetscht werden - sollen sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Besonderheiten der deutschen und der französischen Betrachtungsweise herausgestellt werden.

Wir wagen eine solche Gegenüberstellung, die zu einer deutsch-französischen Geschichtsschreibung beitragen kann, und durch die eine Annäherung der Gesellschaften, die ein größeres Bewusstsein ihrer Unterschiede aber auch ihrer Gemeinsamkeiten erlangt haben, möglich wird.

Programm

Freitag, den 29. April 2005 (14:00 – 19:00)

1) Ein halbes Jahrhundert Gedenkstätten
Thematik:
Als Vermittlungsorte erlebter Wirklichkeit zielen Erinnerungsstätten darauf ab, Erfahrungen, die oft unbeschreiblich sind und sich per se jenseits allen Darstellbarkeitsvermögens befinden, wieder zu geben:
- Was ist eigentlich Gegenstand der Darstellung?
- Wie sieht die " Inszenierung " aus?
- Welche Erinnerungsquelle wird bevorzugt?

In den letzten fünfzig Jahren hat sich das Besucherprofil geändert: Die Gedenkstätten werden nunmehr von Angehörigen mehrerer Generationen besucht, insbesondere von Angehörigen der 3. Generation (d. h. von jüngeren Menschen), für die die KZ-Erfahrung keine erlebte Wirklichkeit mehr ist, sondern eine hingestellte Tatsache darstellt. Deswegen bedarf es einer besonderen Kontextualisierung:
- Wie können immer breiter werdende Publikumsschichten erreicht werden?
- Inwieweit soll innerhalb der Gedenkstätte Geschichte von der Erinnerung getrennt werden?

Gedenkstätten sind zugleich Orte der Geschichte und Orte der Erinnerung geworden. Nachgedacht werden muß über deren Entstehungsgeschichte, Gestaltung und nachfolgende Veränderungen:
- Haben in Deutschland und Frankreich dieselbe Voreingenommenheit und dieselbe Fragestellung geherrscht?

2) Ehemalige Häftlinge aus Frankreich in Dachau
Thematik:
Von den 14.500 französischen KZ-Häftlingen wurden die meisten aus politischen Gründen nach Dachau deportiert. Aus diesem Grunde sollte ihr Schicksal in dem breiteren Komplex der nach Deutschland deportierten politischen französischen Häftlinge mitbehandelt werden.
- Was waren die Umstände und die Stationen ihrer Deportation?
- Inwiefern trug die Zusammenlegung nach Staatsangehörigkeit zu ihren Überlebenschancen bei?
- Wie wurden sie befreit? Wie lief ihre Heimkehr ab?
- Inwieweit wurde Ihre Erinnerung (kollektiv wie auch individuell) durch Vereine und Freundeskreise geformt?

3) Begegnung mit ehemaligen französischen Dachau Häftlingen - Die Deportierten haben das Wort.
Thematik:
Die ehemaligen Deportierten berichten über ihre Erlebnisse im KZ wie auch über ihre Rückkehr nach Frankreich und ihre Wiedereingliederung. Durch die Auswahl einiger besonderen Themen wird jedes Einzelzeugnis als Antwort oder als Ergänzung zu den anderen Berichten wahrgenommen und die Teilnehmer stellen Vergleiche zu anderen Referaten her. Ein weiterer Schwerpunkt wird der Nach-Dachau-Zeit eingeräumt: von der Lagerbefreiung bis heute.
- Schüler lesen Texte von ehemaligen Deportierten vor.

Samstag, den 30. April 2005 (09:00 – 17:00)
4) Dachau, erstes Konzentrationslager des Nationalsozialistischen KZ-Systems
Thematik:
Das KZ Dachau war Bestandteil der NS-Unterdrückungspolitik von « Gegnern », von politischen Widerstandskämpfern, von sogenannten « Asozialen », von gemeinen « Kriminellen », von aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit andersartigen Menschen, zunächst innerhalb Deutschlands, dann innerhalb Europas. Die 12 Jahre seines Betriebes ab März 1933 und seine Musterfunktion im nationalsozialistischen KZ-System machen die Verbindung zwischen einerseits ideologischer Bedeutung und praktischer Anwendung und andererseits zwischen der Entwicklung der Kriegslage in Europa und Reaktionen und Anpassungsmomente im KZ deutlich.

5) Geschichten, Zeugnisse, Erinnerungen – Verantwortung vor der Geschichte, Pflicht zur Erinnerung? & Vergessen, sich erinnern, tradieren: die Schlangenlinien des Gedächtnisses?
Thematik:
Am Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau läßt sich feststellen, wie sehr wir in der " Zeit der Erinnerung " leben (H. Rousso), und dies zu einer Zeit, in der zwischen Erinnerung und Geschichte immer weniger scharf unterschieden wird: die Erinnerung wird zum geschichtlichen Untersuchungsgegenstand und wählt zahlreiche Mittel, um sich dar zu stellen:
- Warum herrscht heute ein solches Durcheinander? Inwiefern definiert diese neue Situation den Status des Forschers, ob Historiker oder Soziologe, in den Humanwissenschaften neu? Welche Bedeutung soll dem Zeugnis beigemessen werden?
- Was wird von Generation zu Generation tradiert? Was behält die 3. Generation davon?
- Inwiefern kann man seine Vergangenheit " beherrschen "?

6) Erinnerungsprodukte, Dokumente für den Historiker oder Kunstwerke ?
Thematik:
Dass diese schöpferischen Werke wenig beachtet werden, ruhrt daher, dass sie unter den Deportierten Randerscheinungen darstellen, dass sie in den KZ und nach der KZ-Zeit verschiedenartige Funktionen erfüllten. Es ist von vornherein schwierig, sie zu den Geschichts- oder als Kunstgegenstände zu zählen. Neuerdings genießen sie einer zunehmenden Beachtung, nicht zuletzt dank der " Ära des Zeugen " (A. Wieviorka), und bringen beiderseits des Rheins ähnliche Fragestellungen hervor:
- Welcher Korpus soll in Dachau festgelegt werden?
- In welcher Maße können die Historiker diese schöpferischen Werke als historische Produkte und die Kunsthistoriker sie als Werke der Kunst auffassen?
- Wodurch ermöglicht der heutige Erwartungshorizont, diese Sprache des Unsagbaren nunmehr zu entziffern?

Kontakt

Bei Fragen:
dachau2005@hotmail.com
oder
fabien_theo@club-internet.fr (Fabien Théofilakis)

www.dachau2005.com
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