Archive (Arbeitskreis, Leipzig, SS 05)
Während der im Gefolge Harold Blooms populär gewordene Kanon-Begriff immer eine Bewertung des Überlieferten impliziert, auf Exklusion beruht, scheint das Archiv allumfassend und wertneutral zu sein. Andererseits betont der Archiv-Begriff, im Gegensatz etwa zur Datenbank, die Materialität des Bewahrten und beinhaltet von vornherein eine historisch spezifische Situierung. Gegen dieses Archiv im engeren Sinne hat Giorgio Agamben zuletzt einen diskursanalytischen Archiv-Begriff verteidigt: „Als Gesamtheit der die Diskursereignisse definierenden Regeln steht das Archiv zwischen der langue – dem Konstruktionssystem der möglichen Sätze, also der Möglichkeiten zu sagen – und dem corpus, der Gesamtheit des schon Gesagten, der tatsächlich gesprochenen oder geschriebenen Worte. Das Archiv ist also die Masse des Nicht-Semantischem …“ (Agamben 2003, 125). Der Arbeitskreis Interdisziplinarität, im Rahmen des von der VolkswagenStiftung geförderten Tandem-Projekts „Historische Wahrnehmungsformen in Bild und Text“ seit April 2003 an der Universität Leipzig angesiedelt, will sich im Sommersemester in einer Reihe von Vorträgen und Diskussionen durch verschiedene kulturwissenschaftliche Disziplinen hindurch an diesen und andere Archiv-Begriffe annähern. Erstmals öffnet sich der Arbeitskreis in diesem Semester nach außen und lädt interessierte Wissenschaftler aus den Geistes- und Kulturwissenschaften ein, sich bei den Organisatorinnen mit einer Kurzbiographie und einer knappen Erklärung, worin das Interesse an der Veranstaltung besteht, anzumelden.
Silke Horstkotte (s.horstkotte@uni-leipzig.de)
Karin Leonhard (karin.leonhard@ku-eichstaett.de)