Hofwirtschaft
Ein ökonomischer Blick auf Hof und Residenz in
Spätmittelalter und Früher Neuzeit
Gottorf/Schleswig, 23.-26. September 2006
Stets haben wir gesagt, daß der Hof und mit ihm die Residenz aufs Ganze gesehen das wichtigste Zentrum politischen Handelns in Alteuropa gewesen ist. Wir haben ihn weiterhin als soziales Zentrum beschrieben, wir könnten ihn auch als religiöses auffassen. Wie aber steht es mit seiner Qualität als Zentrum der Verteilung, des Konsums, gar der Produktion, als Anbieter und Nachfrager, kurz: mit seiner wirtschaftlichen Bedeutung? Bei aller Freude an dem schönen Schein der kulturellen Selbstdarstellung und dem Reichtum inszenierter Legitimation darf nicht aus dem Auge verloren werden, daß all dies Unsummen kostete, daß Pracht bezahlt werden mußte, Dienst belohnt werden wollte, Macht durch Interesse gelenkt wurde. Lange Zeit war der Blick vom Glanz der ökonomischen Macht der Städte geblendet, so daß fast verborgen blieb, wie die Fürsten (bzw. der Staat) sie dennoch einrahmten, von ihnen profitierten, sie schließlich zurückdrängten und überwanden.
Zunächst war der Hof ein Haushalt mit stets wachsender Dienerschaft, zu Pferde und zu Fuß, zu der sich allerlei Uneingeladenes gesellte. Was kostete ein solcher Haushalt, wieviel im Verhältnis zu den Gesamteinnahmen und Gesamtausgaben? Wenn der fürstliche Alltag zum alltäglichen Fest werden sollte, wie groß waren die Aufwendungen? Wenn der Krieg unzweifelhaft das meiste verschlang, wieviel erforderte die Hofhaltung? Wenn der Rang standesgemäße Ausstattung an Bauten, Mobiliar, Geschenken, Kleidung verlangte, wie hoch schlug dies zu Buche? Dem exponentiellen Wachstum an Leuten und Kosten mußte entgegengewirkt werden. Das geschah allenthalben und war selten erfolgreich. Ein beharrlicher, gerade-zu unüberwindlicher Druck, aus der herrscherlichen Position selbst und der sozialen Erwartung hervorgehend, stand dem entgegen: Herrschen heißt Geben. Im Kern ist der Hof der Ort des Unökonomischen (im modernen Sinne) und kann es doch nicht sein. Diese Spannung gilt es in den Blick zu nehmen.
Offensichtlich war der Hof in seiner Residenz als Haushalt, Regierung, Verwaltung ein Um-schlagplatz riesiger Summen. Kann man diesen Vorgang näher beschreiben, vielleicht gar beziffern? War er nicht, was dem nachrevolutionären Beobachter ein verwerfliches Spiel egoistischer, genußsüchtiger Verschwendung schien, eher ein Motor der Wirtschaft? „Liebe, Luxus und Kapitalismus“ nannte Werner Sombarth sein berühmtes Buch, und über den Zusammenhang von Luxus und (sozialer) Integration durch die Höfe fand bereits eine Tagung statt, veranstaltet von den Deutschen Historischen Instituten in London und Paris und der Freien Universität Berlin, höfisch genug in Cumberland Lodge im Windsor Great Park, vom 1. bis 4. Juli 2004.
Finanzen sind, das weiß jeder, der seine Steuererklärung fertigt, komplizierte Materien. Der Fürst brauchte dafür Fachleute, sehr früh schon und je länger, je mehr. Mehr noch: er brauchte Kredit, denn ohne diesen wären schon die Fürsten des 14. Jahrhunderts handlungsunfähig geworden. Jeder „Diener“ war potentiell Gläubiger des Fürsten, aber es gab darüber hinaus auch hier die Fachleute: Juden, Lombarden, dann erst die Einheimischen. Wer von Hofwirtschaft reden will, muß auch von diesen Fachleuten sprechen. Der Haushalt, der Hof, schließlich Hunderte, ja Tausende von Menschen umfassend, mußte geregelt werden, zumal in seinen Lieferungen und Finanzen. Wir haben bereits i.J. 1996 von Hofordnungen gehandelt (Residenzenforschung, Bd.10), aber jetzt muß der Fluß der materiellen Güter genauer betrachtet werden. Nicht zu vergessen: Fließet viel Geld ist Veruntreuung nicht weit – das können wir gerade wieder einmal in der Tageszeitung lesen –, nur daß die Beamten heute nicht auch Kreditgeber sind, unentbehrlich und deshalb so schwer zu entlassen und zu bestrafen.
Bei alledem darf nicht übersehen werden, daß Ökonomie („Hausordnung“) im weiteren Sinne verstanden werden muß: Es wurde dort mit verschiedenen Kapitalien getauscht und gehandelt: nicht nur mit Gold und Silber, sondern mit Ehrzuweisungen, guten Heiraten, Länderschenkungen, Ämtern, Pensionen. Und doch bin ich der Meinung, daß sie schließlich alle konvertierbar waren: in handgreifliche Lieferungen und zunehmend in Geld.
Erstaunlicherweise ist das Thema meines Wissens erst ein einziges Mal explizit Gegenstand einer Tagung gewesen: 1998 war ihm eine Sektion des Internationalen Wirtschaftshistorikerkongresses gewidmet gewesen. Selbst das umsichtige Datini-Institut in Prato hat sich diese Herausforderung bislang entgehen lassen. So wollen wir in aller Bescheidenheit daran gehen und sehen, wie weit wir kommen. Es folgt ein möglicher Abriß der geplanten Tagung. Ob sie das wird, was wir uns davon versprechen, hängt von Ihnen ab, werter Leser: melden Sie sich mit einer Skizze Ihres möglichen Beitrags als Referent für die Tagung an. Wir werden dann daraus das endgültige Programm zimmern, jetzt schon um Nachsicht dafür bittend, daß wir zwar gerne viele Angebote haben möchten, nicht jedoch über hinreichend Platz dafür verfügen, um jede Offerte auch honorieren zu können.
Werner Paravicini, Paris
Die Anmeldefrist endet am 1. September 2005
Anmeldungsadresse:
Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
Residenzen-Kommission – Arbeitsstelle Kiel
c/o Historisches Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Olshausenstr. 40
D-24098 Kiel (für Briefe)
Tel./Fax/AB: [D] 04 31 - 8 80-14 84
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