Die Familie im Schulbuch
Augsburger Studierende stellen im Bayerischen Schulmuseum Ichenhausen aus
„Kein Platz für Kinder“ ist ein Kapitel in dem Lese- und Arbeitsbuch zur Sozialkunde und Gesellschaftslehre „sehen beurteilen handeln“ von Siegfried George und Wolfgang Hilligen 1971 überschrieben. In diesem Kapitel vergleichen die Schulbuchautoren u.a. den Parkraum je Auto (30 m2) mit der Fläche des Spielplatzes je Kind (6 m2) und überlegen gemeinsam mit den Kindern, wie der Spiel-Raum für die Kinder vergrößert werden kann. In ihrem Buch diskutieren sie über Sinn und Unsinn von Sauberkeit, erforschen die Ursachen für Kindesmißhandlungen und fragen danach „Was Kinder heute und morgen brauchen“, außerdem untersuchen sie gemeinsam mit den Schülern den Zusammenhang von Betrieb – Familie – Freizeit – und Wohnen – alles Fragen, die heute noch aktuell sind. Wie weit darf nun aber die Schule, sollen die Schulbücher Problemlagen der Erziehung in der Familie thematisieren? Zugespitzt gefragt: Dürfen Kinder zur Kritik an ihren Eltern erzogen werden? Sollen sie ihre Lebensverhältnisse kritisch hinterfragen? Oder sollen sie die Problemlagen der Eltern eher verstehen lernen und sich damit abfinden?
Dieser Balanceakt in der Darstellung der Thematik in Schulbüchern wird am Beispiel des von Wolfgang Hilligen begründeten Schulbuchbestsellers „Sehen Beurteilen Handeln“ für den Gemeinschafts- und Sozialkundeunterricht, der von den 50er bis in die 90er Jahre in immer wieder neubearbeiteten Fassungen im Gebrauch war, im Wandel der Zeit und vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Diskurses zur Familie nachgezeichnet. 1972 sorgte die 1971 erschienene Ausgabe von „sehen beurteilen handeln“ für das 5./6. Schuljahr für große Aufregung, die Meinungen reichten von euphorischer Befürwortung bis zu kategorischer Ablehnung. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, wie „Schulbuchschelte“, also die kritische Ablehnung von Schulbüchern, funktioniert und welche Ziele damit verfolgt werden. Eng damit verbunden ist das Problemfeld der Schulbuchzulassung. In den 70er Jahren z. B. war die Ausgabe von „sehen beurteilen handeln“ für das 5./6. Schuljahr in einigen Bundesländern zum Unterrichtsgebrauch zugelassen und in anderen wieder nicht. Die Ausstellung forscht nach den Ursachen für die unterschiedlichen Beurteilungen des Schulbuches.
Auch aktuelle Schulbücher beziehen die Ausstellungsmacher ein. Die Sachkundebücher für die zweite Klasse in Hessen und Bayern werden hinsichtlich der Darstellung der Familie verglichen. Und in einem Blick über die Grenzen Deutschlands hinweg wird die Darstellung der Familie in ukrainischen Leselernbüchern gezeigt.
Die Präsentation des Schulprojekts der Werner-Egk-Schule-Augsburg „Wie stelle ich mir eine Schulbuchseite zum Thema Familie vor“ soll Schülern Anregungen geben, die eigenen Schulbücher kritisch zu hinterfragen.
Die Ausstellung wird am 30. September im Bayerischen Schulmuseum Unteres Schloß, Schloßplatz 3, 89335 Ichenhausen eröffnet. Interessenten sind hierzu herzlich eingeladen.
Zu sehen ist die Ausstellung vom 1. Oktober bis 11. Dezember 2005, Dienstag bis Sonntag von 10-17 Uhr.