Celle und die Residenzen im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Hof und Medien im Spannungsfeld von dynastischer Tradition und politischer Innovation zwischen 1648 und 1714

Celle und die Residenzen im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Hof und Medien im Spannungsfeld von dynastischer Tradition und politischer Innovation zwischen 1648 und 1714

Veranstalter
Bomann-Museum Celle – Residenzmuseum im Celler Schloss Rudolstädter Arbeitskreis zur Residenzkultur e.V.
Veranstaltungsort
Residenzschloss
Ort
Celle
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.10.2006 - 08.10.2006
Deadline
06.03.2006
Von
Heiko Laß

Call for Papers zur gemeinsamen Tagung
Bomann-Museum Celle – Residenzmuseum im Celler Schloss
Rudolstädter Arbeitskreis zur Residenzkultur e.V.
Celle und die Residenzen im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Hof und Medien im Spannungsfeld von dynastischer Tradition und politischer Innovation zwischen 1648 und 1714
6. – 8. Oktober 2006, Celle, Residenzschloss

In der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg waren Hofkultur und Selbstverständnis der Fürsten im Alten Reich durch ein in dieser Intensität vorher nicht gekanntes Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Innovation geprägt. Dieses lässt sich in nahezu allen Bereichen der Residenzkultur beobachten. Es dürfte in den Statusveränderungen der Landesfürsten 1648 begründet liegen. Zur dynastisch-fürstlichen Tradition kamen jetzt Anforderungen an die neuen Souveräne, die zu Problemen führten, die nach neuen Lösungen verlangten. Zu denken wäre hier an nun notwendige Veränderungen im Zeremoniell, in der Architektur der landesherrlichen Schlösser und nicht zuletzt in der landesherrlichen Verwaltung. Doch auch im Bereich von Musik, Literatur und Mode können einschneidende neue Impulse festgestellt werden. Mit aller Vorsicht kann zudem konstatiert werden, dass die deutschen Landesherren sich aufgrund der gewandelten Anforderungen immer seltener an italienischen und dafür stärker an französischen Vorbildern orientierten. Ebenso erscheint es sehr wahrscheinlich, dass sich der Gegensatz in der Hofkultur zwischen Protestanten und Katholiken immer mehr verwischte und der Gegensatz zwischen Landesherren und übrigem Adel auch in den kulturellen Äußerungen immer größer und nun eigens betont wurde.

Seinen Beginn fand dieser Prozess der Neubestimmung mit dem Westfälischen Frieden, der die Souveränität der deutschen Fürsten begründet. Ein Wettbewerb wurde in Bewegung gesetzt, der von den Kurfürsten über die Fürsten im Laufe der Zeit auch Grafen und Herren erfasste. Am Beginn der Entwicklung stand das dynastische Herkommen im Vordergrund, am Ende der Entwicklung die tatsächliche Macht des Staates. Höfischer Aufwand bestimmte nicht mehr die außenpolitische Stellung, sondern manifestierte nur noch den dynastischen Rang. Vor dem Hintergrund fallweiser realer Machtverluste wurde es nun immer wichtiger, das Ansehen der Dynastie zu wahren. Ein vorläufiger Abschluss war kurz nach 1700 erreicht. Das Gefüge innerhalb des Reiches war nun austariert und hatte für nahezu 50 Jahre Bestand. Die Entwicklungen hatten sich soweit verfestigt, dass es zu einer Kodifizierung kam. Beispielhaft kann hier das Zeremonialwesen genannt werden.

Gefragt werden soll auf der Tagung nach Beispielen für die Modernisierung und Erneuerung in der Tradition einer Dynastie. Ebenso wichtig ist aber auch der bewusste Rückgriff auf Traditionen. Diese darf nicht als Anachronismus missverstanden werden, sondern als unabdingbare Anknüpfung an Herkommen und Rang. Beides manifestiert sich in der Gestaltung des höfischen Raums.

Unter diesem ist nicht nur das Schloss zu verstehen, sondern auch die Residenzstadt und das gesamte Territorium. Wie werden Architekturen wie etwa Jagdschlösser und Amtshäuser, aber auch Brückenbauten oder Meilensteine medial zu Vermittlung herrschaftslegitimierender Botschaften eingesetzt? Wie wandelt sich die Nutzung des Raumes? Es ist eine These der Tagungsveranstalter, dass gerade das Territorium des jetzt souveränen Fürsten eine neue Qualität erhält und von einer punktuellen Zeichensetzung zu einer flächenhaften Vernetzung übergegangen wird.

Natürlich ist nicht nur die Architektur als Medium zu verstehen. Literatur und Musik, Singspiel, Ballett und Theater, Jagd und Fest kommen ebenfalls eine tragende Rolle in der Welt der höfischen Zeichen zu. Besondere Berücksichtigung finden sollen darüber hinaus auch solche Ausdrucksformen der höfischen Kultur, die als Medien der Selbstinszenierung der höfischen Gesellschaft relativ flexibel auf aktuelle Bedürfnisse und Erwartungen reagieren können. Dazu gehören das höfische Fest als Ganzes wie auch einzelne seiner Bestandteile, insbesondere die Formen des Theaters und Musiktheaters, Festbeschreibungen u.a. Gerade die Texte können als Orte sich überschneidender Diskurse gelesen werden, an welchen sich die Codes der höfischen Gesellschaft und ihr Umbau beobachten lassen. Auch hier soll es nicht ausschließlich um den Wandel, sondern ebenso um die Anforderungen durch die höfische Welt und die Funktion, die im Dienste der Dynastie erfüllt werden sollte gehen. Der Aspekt des Kulturtransfers erhält dabei eine hohe Bedeutung. Doch darf sich die Antwort hier nicht in der Suche nach Vorbildern erschöpfen. Vielmehr geht es um die Wirkung, die durch den Import des Neuen oder die Verschmelzung von Neu und Alt erreicht werden soll.

Als Tagungsort wurde die Residenzstadt Celle gewählt, da sich hier viele dieser Vorgänge exemplarisch aufzeigen lassen. Celle ist eine der ältesten und traditionsreichsten Residenzstädte Niedersachsens und des Alten Reichs überhaupt. Hier steht zudem das älteste, heute noch erhaltene Residenzschloss der Welfen. Es war von 1433 bis 1705 ständige herzogliche Residenz. Immer wieder umgebaut und modernen Erfordernissen angepasst, ist es nicht nur eine steingewordene Chronik höfischer Kultur, sondern auch eine vorzügliche Quelle für die sich immer wieder dynamisch wandelnde Evolution dynastischer Selbstdarstellung.

Das heute noch erhaltene Residenz-Ensemble von Schloss, Stadt und fürstlicher Grablege geht in weiten Teilen auf die Zeit um 1700 zurück, als Herzog Georg Wilhelm (1624-1705) und seine Gemahlin Eléonore d’Olbreuse (1639-1722) den Bau erneuern, modernisieren und ausbauen ließen. Viele der Räume wie etwa die Paradeappartements sind in der wandfesten Ausstattung unverändert erhalten. Mit der Neuausstattung des Residenzschlosses und der Einrichtung neuer Appartements in Celle um 1700 wurden die aktuellen Entwicklungen des Zeremoniells in eine architektonische Form gefasst.

Bezeichnenderweise wurde bei diesem Wandel die Tradition bewusst sichtbar erhalten. Dies offenbart sich in den Resten des mittelalterlichen Wohnturms, der „Gotischen Halle“, der Schlosskapelle des 15. und 16. Jahrhunderts mit unverändert erhaltener frühprotestantischer Ausstatttung, dem Renaissancefestsaal und der stadtseitigen Fassade des 16. Jahrhunderts. Somit ist das Celler Schloss zugleich exemplarisches Beispiel für die Modernisierung und Erneuerung in der Tradition eines Ortes.

Auch die Stadt ist in ihrer Struktur weitgehend unverändert und damit eine vorzügliche Quelle. In der Stadtkirche – dem Schloss direkt gegenüber gelegen – hat sich mit Epitaphien, Gruft und Prunksärgen zudem die Grablege der Celler Linie erhalten. Darüber hinaus legen Gärten und Neustädte Zeugnis vom Gestaltungswillen des Hofes auch außerhalb des engeren Schlossareals ab.

Herzog Georg Wilhelm hatte ausgedehnte Reisen nach Frankreich und Italien unternommen. Die meisten der von ihm engagierten Künstler stammten aus Italien. Seine Gemahlin Eléonore d’Olbreuse war eine Hugenottin aus dem Poitou und zog zahlreiche Hugenotten an den Celler Hof und in die Residenzstadt. Damit ist Celle ein hervorragendes Beispiel für die Internationalität der damaligen Hofkultur und den Kulturtransfer. Gerade Theater und Ballett erhielten in Celle eine wichtige Rolle.

Im Mittelpunkt der Tagung sollen die Veränderungen in der Hofkultur der 2. Hälfte des 17. und am Begin des 18. Jahrhunderts stehen. Dies soll sowohl am Beispiel Celles wie auch anderer Residenzen untersucht werden. Wie drücken sich Status und Tradition in Residenz und Territorium, in bildender und darstellender Kunst aus? Spiegeln sich Innovation und Tradition in der Architektur des Hofes wider? Spiegeln sich Qualität und Status der Dynastie innerhalb des Reiches in der Qualität ihrer Residenzschlösser wider? Wurde auf sie in dynastischen Verbindungen, Hausverträgen oder Glaubensfragen Bezug genommen?

Als Folie ist aber auch das Land der Stände zu berücksichtigen. Denn das Territorium und die Dynastie waren nicht deckungsgleich, ein deutscher Landesherr herrschte nicht absolut. Wie also artikulierte sich der landständige Adel im Gegensatz zur oder in Anlehnung an die Landesherrschaft? Verfügten die Landstände kollektiv über eigene Bauten und wie waren diese gestaltet? Nutzten sie weitere Medien? Und nicht zuletzt: Wie gingen sie mit der neuen Souveränität der Fürsten um, die den Abstand zum übrigen Adel weiter vergrößerte?

Als Literaturhinweise werden empfohlen:

Matthias Müller: Das Schloß als Bild des Fürsten. Herrschaftliche Metaphorik in der Residenzarchitektur des Alten Reichs (1470-1618) (= Historische Semantik; Bd. 6), Göttingen 2004.

Werner Paravicini (Hg.): Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein Handbuch. Teil 1: Ein dynastisch-topographisches Handbuch, Teil 2: Bilder und Begriffe.
4 Bde (= Residenzenforschung; Bd. 15 I.,1; 15 I.,2; 15 II.,1; 15 II.,2), Ostfildern 2004/05.

Vinzenz Czech: Legitimation und Repräsentation. Zum Selbstverständnis thüringisch-sächsischer Reichsgrafen in der frühen Neuzeit (= Schriften zur Residenzkultur; Bd. 2), Berlin 2003.

Peter-Michael Hahn / Ulrich Schütte: Thesen zur Rekonstruktion höfischer Zeichensysteme in der Frühen Neuzeit. Download: http://www.rudolstaedter-arbeitskreis.de/thesen/thesen.html.
Dieser Text kann als Broschüre bezogen werden über die Geschäftsstelle des Rudolstädter Arbeitskreises zur Residenzkultur: Dr. Vinzenz Czech, Historisches Institut, Universität Potsdam, PF 601553, 14415 Potsdam, Tel.: 0331/977-1805, E-Mail: vczech@rz.uni-potsdam.de.

Exposés von 1 - 2 Seiten werden erbeten bis zum 6. März 2006 an
Heiko Laß
Thüringisches Landesmuseum Heidecksburg
Schlossbezirk 1
07407 Rudolstadt
heiko.lass@gmx.de

Programm

Kontakt

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http://www.rudolstaedter-arbeitskreis.de