Disputatio (1200-1800): Form, Funktion und Wirkung eines Leitmediums universitärer Wissenskultur

Disputatio (1200-1800): Form, Funktion und Wirkung eines Leitmediums universitärer Wissenskultur

Veranstalter
Prof. Dr. Ursula Kundert und Dr. des. Marion Gindhart
Veranstaltungsort
Akademie Sankelmark (bei Flensburg)
Ort
Sankelmark
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.05.2007 - 19.05.2007
Deadline
15.07.2006
Von
Marion Gindhart und Ursula Kundert

Die Disputation stellt in mündlicher und schriftlicher Form ein – wenn nicht sogar das – Leitmedium des spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Universitätsbetriebs dar. Als solches wurde sie von der Universitäts- und Fachgeschichte insbesondere in den vergangenen Jahren vermehrt erkannt und durch die bibliographische Erschließung ausgewählter Gruppen gedruckter Disputationen sowie durch mehrere punktuelle Untersuchungen (etwa zur Entwicklung der Disziplinen an einzelnen Hohen Schulen, zur Organisation und Prosopographie) gewürdigt. Gerade weil sie Leitmedium ist, verdient die Disputation jedoch nicht nur als Quelle für bestimmte Fragestellungen der Universitäts-, Wissenschafts- und Sozialgeschichte ausgewertet, sondern insbesondere auch in ihrer formalen Eigenart, als literarisches Phänomen, betrachtet zu werden.
Die geplante Tagung rückt ausgehend von der Form und den damit verbundenen spezifischen Funktionen und Leistungen der Disputation folgende Themen und Fragestellungen in den Mittelpunkt:

1. Gattung und Gattungsreflexion

Es gilt zunächst zu klären, was die Form der Disputation überhaupt ist. In Grundzügen ist dies sowohl für die spätmittelalterliche als auch für die frühneuzeitliche universitäre Disputation skizziert. Darauf aufbauend soll insbesondere untersucht werden, inwiefern die Disputation als (im weitesten Sinne) literarische Gattung aufgefasst wird, indem etwa Stationen ihrer Genese seit der Antike, theoretische Reflexionen (z. B. in Disputationstraktaten) und Rezeptionsformen (etwa in Scherzdisputationen) unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden.

2. Verhältnis zu anderen wissensvermittelnden Medien

Disputationen, ob mündlich oder schriftlich, sind Teil eines akademischen Prozesses des Austausches und der Positionsbestimmung, an dem auch andere wissensvermittelnde Medien (Deklamationen, Vorlesungen, Traktate, Handbücher, Enzyklopädien) beteiligt sind. Welche Stelle nimmt die Disputation innerhalb medialer Transmissionsprozesse ein? Welche Funktionen übernimmt und welchen Zwecken dient die spezifische Form der Disputation? Zudem ist zu fragen, wie sich die Disputationen und das in ihnen vermittelte Wissen zu anderen, zeitgleich entstandenen außeruniversitären Schriften verhalten.

3. Paratexte

Die gedruckten Disputationsschriften werden in der Regel von Paratexten begleitet, die einer näheren Betrachtung wert sind: Als Formen frühneuzeitlicher Kleinliteratur hat etwa die Vielzahl kurzer Widmungs- und Ehrengedichte – da als Quelle scheinbar unbrauchbar – bisher wenig Aufmerksamkeit gefunden. Die Tagung will sie als integralen Bestandteil von Disputationsschriften ernst nehmen und folgende Aspekte beleuchten: Wie werden Konstituenten der Disputation in den lyrischen Anteilen sichtbar? Wie werden in den persönlich adressierten Gedichten und Dedikationsepisteln umkämpfte Positionen, vielleicht gar Koalitionen und Invektiven gestaltet? Welche Wir-Gruppe stellt sich im Kreis der Ehrengedichte dar? In welchem Verhältnis stehen die verschiedenen Paratexte (Titelblatt, Ehrengedichte, Widmungsschreiben) zueinander und zum Haupttext der Disputationsschrift?

4. Affinität zu bestimmten Wissensfeldern

Disputationen stellen ein zentrales Medium für Wissenskonstituierung und Wissensvermittlung dar. Gefragt werden soll, welche Wissensgebiete und welche spezifischen Themen in Disputationen verhandelt werden, welche Schwerpunktsetzungen und auch Veränderungen bei der Wahl der Disputationsinhalte und ihrer Behandlung festzustellen sind und wie einzelne wissenschaftliche Disziplinen und ihre Methoden im Spiegel der Disputationen erscheinen.

5. Disputationen als Prätexte literarischer Werke

Einige Untersuchungen haben bereits festgestellt, dass Disputationen bei der Gestaltung bestimmter literarischer Texte (etwa im Bereich der Querelle des femmes oder des Dramas des 17. Jahrhunderts) als Muster und Stofflieferanten gedient haben. Angesichts der Fülle von Texten aus gelehrter Hand und des Wirkungskreises öffentlicher Disputationen, welche nicht selten auch Nicht-Gelehrte erreichten, ist zu vermuten, dass mehr Texte als bisher angenommen Einflüsse von Disputationen zeigen. Die Tagung versucht, dieser Vermutung nachzugehen: Wie verwenden literarische Texte, welche den Begriff ›Disputatio‹ (oder ›Disputaz‹ etc.) explizit nennen, diese Allusion für ihre Zwecke? Gibt es deutliche Reflexe der Form universitärer Disputationen (allenfalls auch von öffentlichen theologischen Disputationen in der Volkssprache, sog. Religionsgesprächen) in literarischen Texten?

Der Zeithorizont der Tagung ist angesichts der longue durée des Phänomens ›Disputation‹ bewusst weit gewählt und erstreckt sich auf die sechs Jahrhunderte von der Etablierung der scholastischen Universität bis zur methodischen und ideologischen Umgestaltung des universitären Lehrbetriebs um 1800.

Organisatorisches

Interessenten, die auf der Tagung einen Vortrag halten möchten, melden sich bitte bis zum 15. Juli 2006 unter der Mailadresse mailto:disputatio@email.uni-kiel.de bei den Veranstalterinnen. Neben den üblichen Angaben (Name, Anschrift, Vortragstitel) erbitten wir als Anlage ein ein- bis zweiseitiges Exposé, aus dem die Fragestellung, das Textkorpus, die Methode und die Verortung des Beitrages innerhalb des Generalthemas ›Disputatio‹ und der skizzierten Leitfragen ersichtlich sind. Als Vortragszeit sind 25 Minuten vorgesehen. Das Abgabedatum für die Aufsätze wird der 31. August 2007 sein.
Die Tagung findet unter Finanzierungsvorbehalt statt.

Programm

Kontakt

Prof. Dr. Ursula Kundert
Dr. des. Marion Gindhart

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Germanistisches Seminar
Leibnizstr. 8
24098 Kiel

disputatio@email.uni-kiel.de

http://www.uni-kiel.de/disputatio/