Call for Papers:
Kunst und Ethnographie:
Zum Verhältnis von visueller Kultur und ethnographischem Arbeiten
Tagung der Gesellschaft für Ethnographie e.V. in Zusammenarbeit mit dem Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt Universität zu Berlin und dem Museum Europäischer Kulturen, Staatliche Museen zu Berlin, 17./18. November 2006, Berlin
Die geplante Tagung setzt an einigen Beobachtungen an:
Erstens ist deutlich, dass gegenwärtige Äußerungen (Manifestationen, Produktionen) der visuellen Kultur häufig auf ethnographischen Recherchen basieren: Alltag wird mittels empirischer Methoden erforscht, um die Ergebnisse dann in Form von Visualisierungen und bildnerischen Gestaltungen zu präsentieren. Der Rückgriff auf Ethnographie hat den traditionellen europäischen Kunst- und Bild-begriff in Frage gestellt. Ins Zentrum gerückt sind dagegen Visualisierungstechniken und –praktiken.
Zweitens stellen wir in der musealen Arbeit eine eher gegenläufige Entwicklung fest. Vielfach wer-den Gegenstände ihrem Entstehungskontext entzogen und als Kunstwerke entsprechend der „west-lichen“ Definition von Kunst präsentiert.
Drittens arbeiten viele der AbsolventInnen ethnologischer Fachrichtungen an Institutionen, in denen Manifestationen der visuellen Kultur hergestellt, präsentiert, weiterverarbeitet werden.
Allen diesen Beobachtungen ist gemeinsam, dass in der Auseinandersetzung um visuelle Kultur(en) Kunst und Ethnologie in ihrem Verhältnis zueinander debattiert werden. Es werden Grenzen ver-schoben bzw. neu gezogen, Dinge werden klassifiziert und umgruppiert, die bisherigen „Zuständig-keiten“ von Disziplinen für Gegenstände scheinen sich aufzulösen.
Die geplante Tagung möchte diesem Verhältnis genauer auf die Spur kommen und dabei folgende Fragen ansprechen:
1. Wie verändert sich ethnographisches Wissen durch Visualisierungsprozesse? Was geschieht um-gekehrt mit Visualisierungstechniken und -praktiken, wenn sie in ethnologisch/volkskundliche Prä-sentationen, etwa im Museum, eingebunden werden? Dabei interessiert im historischen Rückblick auch, welchen Beitrag die Volks- und Völkerkunde in der Erforschung der visuellen Kultur (Stich-worte: „naive“ Kunst – „primitive“ Kunst – „Volkskunst“) leistete und wie sie zur Klassifizierung von „Kunst“ beitrug. Ethnologische bzw. volkskundliche Zugriffe auf Visualisierungstechniken, Kunstethnologie und Volkskunst-Forschung haben maßgeblich zur Grenzziehung zwischen Hoch- und Popularkultur beigetragen. Inwiefern sind diese Grenzziehungen noch heute wirksam? Wie strukturieren sie Rezeption und Präsentation von Kunst? Welche ästhetischen Praxen werden da-durch unsichtbar gemacht, welche privilegiert?
2. Wie können Visualisierungstechniken und -praktiken ethnologische Erkenntnisinteressen unter-stützen? Wie können beide im Zeitalter von Video und elektronischer Produktion neuer visueller Simulationen eine fruchtbare Allianz eingehen, sei es im Kontext der Museumsarbeit oder bei der (Um-)Nutzung städtischer Räume? Wie können Kunst und (Europäische) Ethnologie die „Macht der Bilder“ und die neue Rolle des Visuellen für sich nutzen?
3. Schließlich sollen auch im historischen Rückblick „alte Bilder neu betrachtet“ bzw. das Verhält-nis von Kunst und Ethnologie überprüft werden. Wie lassen sich die „alten Bilder“ im „komplexen Wechselspiel von Visualität, Apparat, Institutionen, Diskurs, Körpern und Figurativität“ (Mitchell) wiederentdecken? Was sagen historische Produkte von Visualisierungsprozessen über die gesell-schaftlichen Kontexte aus, in denen sie entstanden sind? Welche Verwendungszusammenhänge lassen sich zeigen und von welchen dynamischen Strukturen und Prozessen sprechen sie?
Eingeladen werden Beiträge, die sich entweder aus empirischer und/oder kulturtheoretischer Per-spektive mit einer dieser Fragen auseinander setzen, sowie Projektpräsentationen, die die Zusam-menarbeit von Kunst und Ethnographie veranschaulichen, diskutieren und problematisieren.
Themenvorschläge sollten bis zum 15. Juni bei den VeranstalterInnen eingehen. Sie Auskunft ge-ben über den empirischen und theoretischen Zugang zum Thema bzw. über das darzustellende Pro-jekt sowie Angaben zur Person enthalten und dabei möglichst die Länge von ca. 4000 Zeichen nicht überschreiten.
Beitragsvorschläge, aber auch Nachfragen sind zu richten an:
Dr. Dagmar Neuland-Kitzerow / Dr. Beate Binder
Vorsitzende der GfE / Geschäftsführerin der GfE
d.neuland@gfe-online.org / beate.binder@gfe-online.org
Mehr Informationen zur Tagung unter:
http://www.gfe-online.org/tagungen