Das Experiment und seine Bedeutung in Medizin, Naturwissenschaft und Technik (Driburger Kreis 2006)

Das Experiment und seine Bedeutung in Medizin, Naturwissenschaft und Technik (Driburger Kreis 2006)

Veranstalter
Das Treffen des Driburger Kreises stellt weder der Form noch dem Ziel nach eine übliche Fachtagung dar. Der Driburger Kreis versteht sich vielmehr als ein informelles Forum, auf dem neben dem Rahmenthema auch Probleme, Schritte und Ergebnisse eigener Arbeiten und Forschungsprojekte vorgestellt und in einer konstruktiven Atmosphäre diskutiert werden können.
Veranstaltungsort
Ort
Braunschweig
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.09.2006 - 28.09.2006
Deadline
11.07.2006
Website
Von
Susan Splinter, Postfach 41 04 20 , Staatliche Museen Kassel

Der Driburger Kreis findet in diesem Jahr vom 26. bis 28. September 2006 im Vorfeld der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaften und Technik e. V. in Braunschweig statt. Er ist offen für alle Studenten/innen, Doktoranden/innen und Assistenten/innen, die an medizin-, wissenschafts- oder technikhistorischen Fragestellungen arbeiten. Darüber hinaus ist die Teilnahme von Interessenten/innen aus anderen Disziplinen wie den Kulturwissenschaften, der Soziologie, der Philosophie etc. ausdrücklich erwünscht und würde nicht allein zum diesjährigen Rahmenthema einen breiteren interdisziplinären Austausch anregen und befördern helfen. Zur Ermöglichung von produktiven Sitzungen für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer bitten wir darum, dass die Einzelreferate den Zeitrahmen von 20-30 Minuten nicht überschreiten.

Das diesjährige Rahmenthema lautet:

Das Experiment und seine Bedeutung in Medizin, Naturwissenschaft und Technik

Das Experiment wurde und wird gern als Frage an die Natur verstanden.1 Auf der Grundlage genauen Beobachtens der Forschungsobjekte und Interpretation der Ergebnisse wird der Versuch unternommen, Antworten zu finden. Doch es ist berechtigt, diese Auffassung vom Experiment zu hinterfragen und sich auch damit auseinanderzusetzen, wie sich Vorstellung und Interpretation des Begriffes im Laufe der Geschichte gewandelt haben. Daher befasst sich der Driburger Kreis in diesem Jahr mit einem Thema der praktischen Kultur von Medizin, Naturwissenschaften und Technik. In der Wissenschaftsgeschichte sollten nämlich die Aspekte der materiell-manuellen Praxis sowie der entsprechende geistige Überbau gleichermaßen berücksichtigt werden; Instrumente, Geräte, Laboraufzeichnungen, Protokolle und sonstige Zeugnisse von Experimenten und dem Experimentieren, die in Archiven, Sammlungen und Museen zur Verfügung stehen, stellen unschätzbare Quellen dar, wenn es darum geht, die Geschichte von Handlungsweisen, Ideen oder Theorien und gegenseitige Einflüsse zu rekonstruieren.2
Experimente und Experimentierpraxis fanden nicht im "leeren Raum" statt. Der sich fortwährend ändernde "Historische Erfahrungsraum samt seiner Präsentabilien"3 muss stets berücksichtigt und in Schlussfolgerungen und Interpretationen einbezogen werden. Kultur, Legitimationsansprüche, Instrumentenbau, Fertigkeiten, Forschungs- und Publikumsinteressen verlangen Beachtung. Welche Bedingungen konstituieren eine Experimentalpraxis, die sich im Laufe der Zeit verändert? Inwieweit fließen gesellschaftliche Voreinstellungen in das Experiment ein? Welchen Einfluss hat die soziale Natur der Wissensproduktion? Die soziale Natur umfasst nicht nur den Experimentator, sondern auch die Zuschauer und den Ort des Experimentierens. Wie Biagioli nachwies, half etwa der florentinische Hof Galilei bei der Legitimierung seiner Untersuchungsergebnisse, vor allem im Kontext der Entdeckung der Jupitermonde.4 Auf ähnliche Art und Weise wurden im 17. und 18. Jahrhundert Experimente und deren Ergebnisse dadurch beglaubigt, dass eine Vielzahl zum Teil hochgestellter Persönlichkeiten Zeugnis vom Gesehenen ablegen konnten. Ende des 18. Jahrhunderts änderte sich der Experimentierstil.5 Der Ort des Experiments verlagerte sich ins Labor. Da nun nicht mehr das Publikum die Versuchsergebnisse legitimierte, entstand ein neues Verständnis von Experimentalwissenschaft. Welche Implikationen bedeutet das für das (Selbst-)Verständnis von Experimentator, Publikum und Fach? Welchen Einfluss hat die öffentliche Meinung heute auf die Methoden des Experimentierens und die Interpretation von Ergebnissen? Seit der uneingeschränkte Fortschrittsglaube nicht mehr opportun ist, bestimmen zunehmend ethische Aspekte von Experimenten die Diskussion.6 Experimente dien(t)en aber nicht nur der Wissensproduktion, sondern auch der Wissensvermittlung. Sind Experimente, die weniger zur Forschung und mehr zur Vermittlung von Wissen eingesetzt werden, für die Geschichtsschreibung überhaupt von Interesse? In wie weit konstituieren didaktische Experimente Wissen und Wissens(re-)produktion?
Weitere Fragen sind epistemologischer Art: Was kann als objektiv gelten, wenn experimentelle Befunde immer der Interpretation bedürfen? In welchem Verhältnis stehen hermeneutische und empirische Beweisführungen? Bedarf wahre Erkenntnis der Empirie? Ist die Materialität von Objekten und Hilfsmitteln beim Experimentieren zwangsläufig oder sind z. B. Computersimulationen als Gedanken-Experimente im eigentlichen Sinne zu bewerten? Welchem Mechanismus folgt im Rückschluss der Einfluss von Ergebnissen auf die Theoriebildung und welchen Einfluss haben die Experimente auf das Leben jenseits des Labors?7
Letztendlich müssen wir das ganze "System Experiment" im Netz des Wissenschaftsbetriebs mit all seinen Abhängigkeiten kritisch reflektieren. Das weitgespannte, interdisziplinär ausgerichtete Thema der Tagung erlaubt und erfordert Beiträge, die die Fragestellungen aus den unterschiedlichsten Aspekten wissenschaftlicher Fachrichtungen beleuchten und diskutieren.
Wenn Sie oder Ihr am diesjährigen Driburger Kreis teilnehmen bzw. einen eigenen Vortrag präsentieren möchten oder möchtet, bitten wir bis zum 09.7.2006 um Anmeldung mit Themenvorschlägen und einem kurzen 10zeiliges Exposé bei: Susan Splinter, Staatliche Museen Kassel, Postfach 41 04 20, 34066 Kassel, e-mail: s.splinter@museum-kassel.de

Für jüngere Mitglieder, die nicht in einem geregelten Arbeitsverhältnis stehen und sowohl am Driburger Kreis als auch an der Tagung der DGGMNT teilnehmen, besteht die Möglichkeit, beim Vorstand der Gesellschaft einen Antrag auf Reisekostenzuschuss zu stellen. Anträge mit kurzer Begründung und Benennung mindestens eines(r) betreuenden Hochschullehrer(in) sind bis zum 11. Juli 2006 an den Vorsitzenden der DGGMNT zu richten: Prof. Dr. Herbert Mehrtens, Historisches Seminar, TU Braunschweig, Schleinitzstr. 13, 38106 Braunschweig.
Auf die Notwendigkeit, in Braunschweig rechtzeitig preisgünstige Übernachtungsmöglichkeiten zu reservieren, wird hingewiesen, ebenso wie auf die vielen Annehmlichkeiten, die das kulturelle Begleitprogramm bieten wird. Darüber hinaus wird während der Tagung genügend Zeit zum gegenseitigen Kennenlernen und zum geselligen Beisammensein bestehen.

Wir wären Ihnen und Euch sehr dankbar, wenn Sie/Ihr diese Einladung an weitere interessierte Kommilitoninnen und Kommilitonen bzw. Kolleginnen und Kollegen weiterleiten würden/würdet. Darüber hinaus bitten wir auch um entsprechende Aushänge in den Instituten, welche noch gesondert angeschrieben werden.

Vielen Dank für Ihr/Euer Interesse und
mit freundlichen Grüßen

Susan Splinter Axel Hüntelmann Malte Krüger Florian Öxler

1 GREY, G: Experiment. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 2. Herausgegeben von Joachim Ritter. Basel Stuttgart 1972, Sp. 868 - 870.
2 Bei ihrer Jahrestagung 1997 wandte sich die DGGMNT bereits einem ähnlichen Thema zu. Siehe hierzu: MEINEL, Christoph (Hrsg.): Instrument - Experiment. Historische Studien. Berlin Diepholz 2000. Das Thema Rekonstruktionen war Gegenstand des Treffens der Gesellschaft im vergangenen Jahr.
3 Zur Definition der Begriffe "Historischer Erfahrungsraum" und "Präsentabilien" siehe KRAFFT, Fritz: Das Selbstverständnis der Physik im Wandel der Zeit. Vorlesungen zum Historischen Erfahrungsraum physikalischen Erkennens. Weinheim 1982, S. 31f.
4 BIAGIOLI, Mario: Galilei, der Höfling: Entdeckungen und Etikette: vom Aufstieg der neuen Wissenschaft. Frankfurt am Main 1999.
5 HEERING, Peter: Das Grundgesetz der Elektrostatik. Experimentelle Replikation, wissenschaftshistorische Analyse und didaktische Konsequenzen. Oldenburg 1995; ursprünglich Diss. rer. nat. Oldenburg 1995.
6 Vgl. hierzu z. B. die aktuelle Diskussion um die Anwendung der Gentechnik oder zur Nutzung der Kernenergie.
7 Zu diesem Bereich sind zahlreiche Beiträge u. a. von Ludwik Fleck, Thomas S. Kuhn, Karl Popper, Paul Feyerabend und Hans-Jörg Rheinberger, um nur einige wenige zu nennen, erschienen.

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Susan Splinter

Postfach 410420 34066 Kassel

s.splinter@museum-kassel.de


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