Getaufte Heiden. Phänomene des Fortlebens naturreligiöser Bräuche und Sitten im Ostseeraum und in Südamerika in der Frühen Neuzeit in vergleichender Perspektive

Getaufte Heiden. Phänomene des Fortlebens naturreligiöser Bräuche und Sitten im Ostseeraum und in Südamerika in der Frühen Neuzeit in vergleichender Perspektive

Veranstalter
Gemeinsame Veranstaltung der Lehrstühle für Pommersche Geschichte der Universität Greifswald sowie für Neuere Geschichte der Universität Tübingen in Verbindung mit der Arbeitsgemeinschaft für pommersche Kirchengeschichte e. V.
Veranstaltungsort
Historisches Institut (18.01.), Tagungsraum des Hotels am Dom (19.01)
Ort
Greifswald
Land
Deutschland
Vom - Bis
18.01.2007 - 20.01.2007
Von
Daniel Stancke

Die Thematik der „getauften Heiden“ hat sich im Rahmen der Forschungen zur Reformation im Baltikum als ein zentraler Zugang zum Verständnis der spezifischen Art und Weise von Einführung und Verlauf der Reformation in dieser nordöstlichen Region Ostmitteleuropas erwiesen. Während sich die bisherige, von der baltendeutschen Perspektive bestimmte Historiographie der baltischen Kirchen- und Reformationsgeschichte auf die Städte konzentrierte, wurden Reaktion und Verhalten der Landbevölkerung weitgehend vernachlässigt. Inwieweit waren die Esten und Letten von der mittelalterlichen katholischen Kirche innerlich für das Christentum gewonnen worden? Lebte außerhalb der Deutschordensburgen und der von Deutschen besiedelten Städte unter einem christlichen Firnis das alte „Heidentum“ mit seinen naturreligiösen Vorstellungen weiter? Traf die Reformation also auf „getaufte Heiden“? Welche Rolle spielten Reformation und Gegenreformation, die konfessionelle Orthodoxie und später der Pietismus für die innerliche Christianisierung der baltischen Menschen? Die Geschichtsschreibung über die baltischen Länder ist vorwiegend durch konfessionell-protestantische und nationalistische Deutungsmuster bestimmt. Eine wissenschaftlich differenzierte Auseinandersetzung mit der auch für das nationale Selbstverständnis der Esten und Letten brisanten Thematik kann seit dem Ende der Zugehörigkeit dieser Länder zur Sowjetunion und des damit verbundenen ideologischen Drucks stattfinden. Freilich ist hierbei die Gefahr einer nationalromantischen Mythenbildung gegeben.

Vor diesem Hintergrund strebt die Tagung in Greifswald am 18. und 19. Januar 2007 drei Ziele an:

1. Die Rezeption der von der westlichen Geschichtsschreibung, vor allem der modernen französischen Historiographie, entwickelten Fragestellungen der religiösen Mentalitätsgeschichte für Forschung und Historiographie der baltischen Länder. Hier sei etwa an die Studien von Jean Delumeau, Robert Muchembled, Francis Rapp, Jean-Claude Schmitt und Bernard Vogler erinnert.

2. Bei der Aufarbeitung entsprechender Phänomene in den baltischen Ländern könnten Vergleiche mit der religiösen Situation der indigenen Bevölkerung in Lateinamerika aufschlussreich sein, wo es möglicherweise ähnliche Mischformen zwischen naturreligiöser Überlieferung und christlicher Frömmigkeit gab. Dazu ist das Referat von Prof. Dr. Bruno Schlegelberger, SJ, Berlin, vorgesehen. Von der Beteiligung dieses international renommierten Religionshistorikers an der Diskussion sowie insbesondere von den vergleichenden Betrachtungen sind einige Impulse zu erhoffen.

3. Es wird eine Verständigung über eine nuancierende, angemessene Terminologie angestrebt, die gerade in diesem sensiblen Feld der Religionsgeschichte, bei dem es um fortlebendes „Heidentum“ und den Erfolg der christlichen Mission geht, nicht nur notwendig, sondern im Hinblick auf die gebotene Sachlichkeit der Darstellung unverzichtbar ist. Eine solche angemessen differenzierende Begrifflichkeit ist vielfach in der vorliegenden Literatur noch nicht anzutreffen. Allein schon die Problematik von Begriffen wie „Heidentum“, „Naturreligion“ und „Aberglauben“, die oft unreflektiert umgangssprachlich verwendet werden, macht dies deutlich.

Programm

Donnerstag, 18. Januar 2007
19.00 Uhr Abendvortrag:
Prof. Dr. Werner Buchholz, Greifswald
Begrüßung und Einführung

19.15 Uhr
Dr. Norbert Buske, KR i. R., Greifswald
Erinnerungen an die Missionsreisen des Bischofs Otto von Bamberg in der protestantischen Kirche – ein Heiliger wird nach der Reformation zu einem Leitbild der Geschichte Pommerns

Freitag, 19. Januar 2007
Vormittag: 09.00 - 12.00 Uhr
Tagungsraum des Hotels am Dom (ab hier alle Vorträge)
Moderation: Prof. Dr. Anton Schindling, Tübingen

09.00 - 09.30 Uhr
Prof. Dr. Raimo Raag, Uppsala
Naturreligiöse Bräuche und Sitten bei den Esten im Zeitalter von Reformation und Konfessionalisierung

09.45 - 10.15 Uhr
Prof. Dr. Peteris Vanags, Riga
Naturreligiöse Bräuche und Sitten bei den Letten im Zeitalter von Reformation und Konfessionalisierung (hauptsächlich anhand der sprachlichen Quellen)

10.30 - 10.45 Uhr
Pause

10.45 - 11.15 Uhr
Prof. Dr. Werner Buchholz, Greifswald
Naturreligiöse Bräuche und Sitten der Nordleute im interregionalen Vergleich auf der Grundlage der Historia de gentibus septentrionalibus des Olaus Magnus von 1555

11.30 - 12.00 Uhr
Prof. Dr. Gvido Straube, Riga
Die Letten zwischen zwei Reformationen

12.15 - 14.00 Uhr
Mittagspause

Nachmittag: 14.00 - 17.15 Uhr
Moderation: Prof. Dr. Enn Tarvel, Tartu

14.00 - 14.30 Uhr
Prof. Dr. Aleksander Loit, Uppsala
Der Prozeß der Synkretisierung von naturreligiöser Sitte und Brauchtum und evangelisch-lutherischer Gelehrtenreligion in der Landbevölkerung des Baltikums in der Frühen Neuzeit

14.45 - 15.15 Uhr
Prof. Dr. Bruno Schlegelberger, SJ, Berlin
Die Frage der Vereinbarkeit von naturreligiösen und christlichen Glaubenselementen in der Frühen Neuzeit an Hand ausgewählter südamerikanischer Beispiele

15.30 - 16.00 Uhr
Prof. Dr. Krista Kodres, Tallinn
Gegen das Alte. Das Nachleben des mittelalterlichen Kunsterbes in den Landkirchen Estlands im 16. und 17. Jahrhundert

16.15 - 16.30 Uhr
Pause

16.30 - 17.00 Uhr
Prof. Dr. Ojars Sparitis, Riga
Mundus symbolicus. zwischen Himmel und Erde. Eine Betrachtung von Symbolen in Malerei und bildender Kunst in den ältesten Kirchen Gotlands (12. bis 15. Jh.)

Sonnabend, 20. Januar 2007
10.00 - ca. 16.30 Uhr
Exkursion:
Dr. Norbert Buske, Greifswald
Exkursion: Stätten der Erinnerung an Bischof Otto von Bamberg im Peenegebiet

Ablauf:
Abfahrt 12.00 Uhr – Mittagessen in Stolpe a. d. Peene, Klosterruine Stolpe, barocke Dorfkirche, Wartislawkirche – Usedom: Denkmal auf dem Glaubensberg – Gützkow: Platz der alten Burg, Stadtpfarrkirche

Kontakt

Prof. Dr. Werner Buchholz

Domstr. 9a 17487

03834 863317

buchholz@uni-greifswald.de

http://www.uni-greifswald.de/~histor/~pommern/
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Deutsch
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