Die gegenwärtige Diskussion über die Zukunft des sozialen Sicherung steht im Zeichen düsterer Prognosen. Die Überalterung der Gesellschaft durch die Verlängerung der Lebenserwartung und den wachsenden Trend zur Kinderlosigkeit führe, so heißt es, die Sozialversicherung über kurz oder lang in den Ruin und drohe in einen "Krieg der Generationen" um immer knappere Ressourcen zu münden. Aus historischer Sicht sind solche katastrophischen Szenarien jedoch eher skeptisch zu beurteilen. Denn auch wenn ein hoher Altenanteil (Menschen über 60/Gesamtbevölkerung) von 20 Prozent und mehr eine neuartige Erfahrung ist, so war doch in früheren Jahrhunderten die demographische "Belastung" der Gesellschaft schon durch den hohen Kinderanteil (unter 15 Jahren), der bis zu 35-40 Prozent betragen konnte (zum Vergleich: 15 Prozent im Jahre 2000), nicht geringer, sondern oft deutlich höher als heute (oder in seriös absehbarer Zukunft). Zudem hängt die ökonomische Tragfähigkeit einer Gesellschaft nicht nur von der Altersstruktur der Bevölkerung ab. Andere Faktoren wie Dauer des Schulbesuchs, Struktur des Arbeitsmarktes und Erwerbsbeteiligung von Frauen einerseits sowie Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme und Höhe der Transferleistungen andererseits scheinen mindestens ebenso wichtig zu sein.
Die Tagung soll dazu dienen, solche Fragen nach dem Wechselspiel von Bevölkerung, Beschäftigung und sozialer Sicherung in einer langfristigen und vergleichenden Perspektive zu diskutieren. Empirische Grundlage dafür werden zum einen die Datenreihen zur Bevölkerungsstruktur sein, die von der historisch-demographischen Forschung in den letzten Jahren ermittelt worden sind (und die für England und Frankreich bis ins 16./17. Jahrhundert zurück reichen). Zum anderen sollen auch die Ergebnissen neuerer Arbeiten zur Geschichte der Armenfürsorge und des Sozialstaats einbezogen werden. Die kritische Bestandsaufnahme der auf diesen Feldern erzielten Ergebnisse soll dazu beitragen, der gegenwärtigen Diskussion über die Zukunft der sozialen Sicherung ein solides historisches Fundament zu verschaffen und dadurch auch (hoffentlich) die politische Debatte zu versachlichen.
Vorschläge für ein Referat werden bis zum 31.8.2007 an Thomas Sokoll erbeten, der die inhaltliche Organisation der Tagung übernimmt. Es genügt zunächst die Nennung des Arbeitstitels mit einer Präzisierung des räumlichen und zeitlichen Bezugs sowie der leitenden Fragestellung. Die Tagungssprache ist deutsch, Beiträge sind aber auch in englischer oder französischer Sprache möglich.
Inhaltliche Organisation der Tagung:
PD Dr. Thomas Sokoll
FernUniversität Historisches Institut
Universitätsstr. 21
58084 Hagen
Tel. +49 (0)2331 987 2123
Fax +49 (0)2331 987 4393
thomas.sokoll@fernuni-hagen.de
Leitung des Arbeitskreises Historische Demographie:
HDoz. Dr. Georg Fertig
Universität Münster
Historisches Seminar
Domplatz 20-22
D - 48143 Münster
fertig@uni-muenster.de
Stellvertretende Leitung:
Priv.-Doz. Dr. Rolf Gehrmann
Merseburger Str. 6
D-10823 Berlin guietgehrmann@aol.com