Mit dem Tod bestraft. Die Todesstrafe in Österreich im 20. Jahrhundert

Mit dem Tod bestraft. Die Todesstrafe in Österreich im 20. Jahrhundert

Veranstalter
Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz Österreichische Liga für Menschenrechte
Veranstaltungsort
Großer Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Wien, Kleiner Festsaal des Bundesministeriums für Justiz
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
07.02.2008 - 08.02.2008
Deadline
01.02.2008
Von
Dr. Claudia Kuretsidis-Haider

Die gesetzliche Verankerung der Todesstrafe ist im Grunde genommen keine Frage von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, sondern liegt in der Rechtsethik begründet. Damit verbunden sind Fragestellungen wie: Welches Strafausmaß ist etwa bei Kapitalverbrechen angemessen – lebenslängliche Gefängnisstrafe, mitunter zum Tod führende Arbeitseinsätze oder die Todesstrafe? Wie sehr wird dabei die Menschenwürde beschnitten, das Recht auf Leben verletzt? Darf eine Gesellschaft „Rache“ für Ermordete üben?
Die Ethik paart sich mit Fragen der Wirtschaftlichkeit im Vollzug sowie mit dem Ruf nach Prävention und Abschreckung: Wenn auch erwiesenermaßen die Todesstrafe keine Auswirkungen auf die tatsächliche Ausführung eines Verbrechens hat, so berufen sich BefürworterInnen dieser Strafform nach wie vor primär auf dieses Argument.
Die Todesstrafe scheint Sicherheit zu vermitteln: Gerade in – wirtschaftlichen und politischen – Krisensituationen wird der Ruf nach der Todesstrafe laut. Man glaubt Besitz und Leben dadurch stärker schützten zu können.
Für manch politischen Machthaber wiederum ist die Todesstrafe ein Mittel, um „Stabilität“, etwa durch das Ausschalten politischer Gegner, zu erwirken. Je totalitärer die Regierungsform, desto häufiger verlässt dabei die Todesstrafe rechtsstaatliches Terrain: Sie wird zum politischen Mord. Dessen Ahndung nach dem Sturz eines solchen Regimes ist die Aufgabe nationaler wie internationaler Gerichtshöfe. Dabei stellt sich die Frage: Ist die Todesstrafe und in der Folge die Hinrichtung eine adäquate Form der Bestrafung von Kriegs- und Humanitätsverbrechen? Doch auch die Exekution von Tätern auf der Grundlage des „Volkszornes“ ist nicht außer Acht zu lassen.

Am 7. Februar 1968 wurde in Österreich die Todesstrafe endgültig abgeschafft. Anlässlich dieses Jahrestages veranstalten die Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz und die Österreichische Liga für Menschenrechte das Symposion Mit dem Tod bestraft. Die Todesstrafe in Österreich im 20. Jhdt., bei dem die Anwendung der Todesstrafe in Österreich unter Berücksichtigung der jeweils vorherrschenden politischen Diskurse dargestellt wird. Denn dem 1968 umgesetzten – durchaus nicht unumstrittenen – Entschluss zur völligen Abschaffung der Todesstrafe ging eine lang andauernde Diskussion über einen humanen Strafvollzug und über das Für und Wider der Todesstrafe voraus.
Das Symposion beschäftigt sich aber nicht nur mit der gesetzlichen Abschaffung der Todesstrafe in Österreich, sondern beleuchtet auch den nationalen und internationalen Diskurs der Jahre danach: den Wandel in der Bewertung der Todesstrafe in der Bevölkerung, die Unterzeichnung der UN-Konvention zur Abschaffung der Todesstrafe 1988, den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union und somit die Positionierung zu Europäischen Werten (also auch gegen die Todesstrafe) und schließlich gehen wir der Frage nach, wie sich heute Österreich und die EU international im Kampf gegen die Todesstrafe engagieren.
Die Geschichte zeigt, wie sehr wirtschaftliche Interessen (etwa eines kostengünstigen Strafvollzugs), populistische Slogans und eine totalitäre Staatsphilosophie ethische Überlegungen in den Hintergrund drängen können. Europa hat sich klar gegen die Todesstrafe positioniert. Es gibt dennoch zahlreiche Staaten auf der Welt – selbst demokratisch regierte –, in denen die Todesstrafe vollzogen wird. Betroffen davon sind dabei auch vollkommen unschuldige Menschen.

Hintergrundinformation zur Todesstrafe in Österreich:

Am 7. Februar 1968 erfolgte durch das Bundesverfassungsgesetz, „mit dem die Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes i. d. F. v. 1929 über Ausnahmegerichte und über die Todesstrafe geändert“ wurden, die endgültige Abschaffung der Todesstrafe in Österreich. 1988, also zwanzig Jahre später, unterzeichnete Österreich die UN-Konvention zur Abschaffung der Todesstrafe.
Die Entwicklung hin zu diesem bedeutenden Entschluss in der österreichischen Geschichte der Rechtsprechung ist gekennzeichnet von Errungenschaften und Fortschritten, aber auch Rückfällen.

Bereits Kaiserin Maria Theresia erwog auf Drängen des Strafrechtsgelehrten Joseph von Sonnenfeld eine Abschaffung der Todesstrafe. Unter Joseph II. wurde schließlich in Österreich als einer der ersten Länder 1787 im „Allgemeinen Gesetzbuch über Verbrechen und derselben Bestrafung“ die Todesstrafe im ordentlichen Verfahren aufgehoben (im militär- sowie standgerichtlichen Verfahren stellte sich bis 1968 nie die Frage nach deren Verzichtbarkeit). Acht Jahre später, 1795, führte Kaiser Franz II. für das Vergehen des Hochverrates die Todesstrafe wieder ein. Mit der Einführung des Strafgesetzbuches von 1803 erfolgte ihre Anwendung auch bei Täterschaft, Bestellung oder unmittelbare Mitwirkung am Mord, räuberischem Totschlag, qualifizierter Brandstiftung und Wertpapierfälschung.
1867, 1894 und 1904 wurden im Reichsrat wiederholt Diskussionen über die Notwendigkeit der Todesstrafe geführt. Deren Gegner blieben allerdings in der Minderheit. Dennoch ist ein Bewusstseinswandel insofern feststellbar, als die Zahl der Vollstreckungen bis 1914 sukzessive abnahm. Anstelle der Abschaffung der Todesstrafe, wandte Kaiser Franz Joseph verstärkt das Gnadenrecht an, das ihm als Prärogativ der Krone zustand. Im Ersten Weltkrieg stiegen die Todesurteile und Exekutionen sprunghaften an, weil von 1914 bis 1917 die Ahndung aller politischen Delikte von der zivilen an die militärische Gerichtsbarkeit übertragen war.
In der demokratischen Periode der Ersten Republik existierte die Todesstrafe lediglich im standgerichtlichen Verfahren. Für das ordentliche Verfahren war sie von 1919 bis 1933 abgeschafft. Am 11. November 1933 verkündete die Regierung Dollfuss für ganz Österreich das Standrecht, was die Wiedereinführung der Todesstrafe für Mord, Brandstiftung und boshafte Sachbeschädigung bedeutete. Am 1. Juli 1934 wurde sie auch im ordentlichen Verfahren für diese drei Verbrechen sowie für Totschlag und Sprengstoffdelikte wieder in Kraft gesetzt.
Zur Zeit des Nationalsozialismus diente die Todesstrafe nicht nur als Instrument zur „Ausmerzung von Volksschädlingen“, sondern durch deren abschreckende Wirkung sollte „jeglicher verbrecherischer Wille im Keime erstickt werden“ (Roland Freisler). Die NS-Justiz weitete dafür den Katalog der „todeswürdigen Straftaten“ exzessiv aus und verurteilte 1.091 Männer und 93 Frauen aus Österreich zum Tode. Fast alle wurden hingerichtet.
1945 setzte der Provisorische Kabinettsrat das Bundes-Verfassungsgesetz 1920 i. d. F. v. 1929 sowie alle übrigen Verfassungsgesetze wieder in Kraft. In Widerspruch dazu blieb das Strafgesetz von 1852 (mit der Todesstrafe) aber weiter bestehen, ergänzt durch weitere mit der Todesstrafe bedrohte Delikte im Verbotsgesetz und dem Kriegsverbrechergesetz zur Ahndung nationalsozialistischer Verbrechen sowie dem Bedarfsdeckungsgesetz. Begründet wurde die Notwendigkeit der Todesstrafe mit den „außerordentlichen Verhältnissen nach Kriegsende“ (Josef Gerö). Durch das Bundesverfassungsgesetz vom 24. Juli 1946 wurde die Todesstrafe rückwirkend im ordentlichen Verfahren zunächst für ein Jahr für zulässig erklärt. In der Folge verlängerte man bis 1950 die Aussetzung des Art. 85 des Bundesverfassungsgesetzes zwei weitere Male. Dann wurde im ordentlichen Verfahren anstelle der vom Gesetz angedrohten Todesstrafe die Strafe des lebenslangen schweren Kerkers gesetzt.

Programm

Podiumsgespräch

40 Jahre Abschaffung der Todesstrafe in Österreich

Donnerstag, 7. Februar 2008

Ort: Großer Schwurgerichtssaal des Landesgerichts für Strafsachen

Beginn: 18.00 Uhr

Am 7. Februar 1968 wurde in Österreich die Todesstrafe endgültig für abgeschafft erklärt. Anlässlich dieses Jahrestages veranstalten die Österreichische Liga für Menschenrechte und die Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz ein Podiumsgespräch, bei dem den Hintergründen dieses Entschlusses nachgegangen werden soll, und der Frage, in welcher politischen Atmosphäre dieser erfolgt ist. Denn die Entscheidung gegen die Todesstrafe war damals keine unumstrittene.
War dafür eine Änderung der Volksmeinung maßgebend? Und kann auch heutzutage die Stimmung umschlagen, wenn es um die Ahndung besonders abscheulicher Gewaltverbrechen, etwa gegen Kinder, geht?
Darüber hinaus blicken wir aber auch in andere – darunter auch demokratisch regierte – Staaten, in denen eine andere Rechtsethik vorherrscht und somit auch die Todesstrafe praktiziert wird. Welchen Einfluss kann hier die EU geltend machen und wie sehr sollte sie europäische Werte – und die Abschaffung der Todesstrafe gehört dazu – auch andernorts propagieren?

Das Podiumsgespräch bildet den Auftakt zum Symposion: Mit dem Tode bestraft – Todesstrafe in Österreich im 20. Jahrhundert, das am 8. Februar 2008 im Bundesministerium für Justiz stattfindet.

Begrüßung:
Bundesministerin für Justiz Dr. Maria Berger
Präsidentin des Landesgerichts für Strafsachen Wien Dr. Ursula Psenner

Diskutanten:

Univ.-Prof. Dr. Heinrich Neisser (2. Nationalratspräsident i.R., Vizepräsident der Österreichischen Liga für Menschenrechte)

Univ.-Prof. Dr. Manfred Nowak (Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte und Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission zum Thema Folter)

Mag. Heinz Patzelt (Generalsekretär von Amnesty International Österreich)

Univ.-Prof. Dr. Martin F. Polaschek (Institut für Österreichische Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung der Karl-Franzens-Universität Graz, Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz)

Staatssekretär Dr. Hans Winkler (Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten)

Moderation:
Drin. Elisabeth Ebner (Österreichische Liga für Menschenrechte)

Im Anschluss: Brot und Wein

Symposion

Freitag, 8. Februar 2008

Ort:
Bundesministerium für Justiz, Kleiner Festsaal

9.00 – 9.30 Uhr: Begrüßung
Dipl.-Kfm. Ferdinand Lacina (Präsident der Österreichischen Liga für Menschenrechte)
Univ.-Prof. Dr. Martin F. Polaschek (Präsident der Zentralen österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz)

Sektion 1: Die Todesstrafe in Österreich vor 1945
Moderation: Drin. Claudia Kuretsidis-Haider (Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz)

9.30 – 12.30: V1 + V2 + V3 + Diskussion (dazwischen Kaffeepause)
V1: Univ.-Prof. i. R. Dr. Hans Hautmann (Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte der Johannes-Kepler-Universität Linz): Todesurteile in der Endphase der Habsburgermonarchie und im 1. Weltkrieg

V2: Univ.-Prof. Dr. Martin F. Polaschek (Institut für Österreichische Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung der Karl-Franzens-Universität Graz): Todesurteile in Österreich zwischen 1934 und 1938

V3: Dr. Wolfgang Form (Forschungs- und Dokumentationszentrum
Kriegsverbrecherprozesse, Philipps-Universität Marburg/Lahn Deutschland): Von Quantitäten und Qualitäten. Die Anwendung der Todesstrafe in Österreich während der NS-Zeit

12.30 – 14.00 Uhr: Empfang des Bundesministeriums für Justiz

Sektion 2: Die Todesstrafe in Österreich nach 1945
Moderation: Dr. Heimo Halbrainer (CLIO Verein für Geschichts- und Bildungsarbeit Graz)

13.30 – 15.30 Uhr: V4 + V5 + V6 + Diskussion
V4: Drin. Claudia Kuretsidis-Haider (Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz): Todesurteile wegen NS-Verbrechen durch österreichische und alliierte Gerichte

V5: Dr. Bernhard Sebl (Institut für Österreichische Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung der Karl-Franzens-Universität Graz): In Österreich zum Tod verurteilt. Todesurteile der 2. Republik im ordentlichen Strafverfahren

V6: SC i. R. Dr. Roland Miklau (Bundesministerium für Justiz): Die Abschaffung der Todesstrafe in Österreich

15.30 – 15.45: Kaffeepause

Sektion 3: Internationale Aspekte der Todesstrafe aus historischer und aktueller Sicht
Moderation: Drin. Elisabeth Ebner (Österreichische Liga für Menschenrechte)

15.45 – 18.00 Uhr: V7 + V8 + Diskussion

V7: Dr. Winfried R. Garscha (Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz): Kriegsverbrechen und Todesstrafe aus historischer und aktueller Sicht

V8: Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Benedek (Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Karl-Franzens-Universität Graz sowie ETC – Europäisches Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie Graz): Die weltweite Abschaffung der Todesstrafe als europäisches Anliegen

18.00: Ende der Veranstaltung

Kontakt

Dr. Claudia Kuretsidis-Haider

Zentrale österreichische Forschungsstelle Nachkriegsjustiz

(0043) (1) 22 89 469 315

kuretsidis@hotmail.com

http://www.nachkriegsjustiz.at/aktuelles/todesstrafe_symposium08.php
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