Entgrenzung und Regionalisierung: Weltregionen zwischen Antike und Gegenwart (Vortragsreihe Historisches Seminars Univ. Erfurt)

Entgrenzung und Regionalisierung: Weltregionen zwischen Antike und Gegenwart (Vortragsreihe Historisches Seminars Univ. Erfurt)

Veranstalter
Historisches Seminar der Universität Erfurt Koordination: Jürgen Martschukat / Birgit Schäbler
Veranstaltungsort
Universität Erfurt, LG IV, D 01, Nordhäuser Str. 63, 99089 Erfurt
Ort
Erfurt
Land
Deutschland
Vom - Bis
16.04.2008 - 09.07.2008
Von
Martschukat, Jürgen

Im Sommersemester 2008 wendet sich das Historische Seminar der Universität Erfurt mit einer internationalen Vortragsreihe dem Thema „Entgrenzung und Regionalisierung: Weltregionen zwischen Antike und Gegenwart“ zu. Historische Prozesse lassen sich häufig als Phänomene der Entgrenzung und des Widerstandes dagegen verstehen. Dabei können Entgrenzungen sowohl aus Kontingenzen als auch aus bewusstem Streben nach Neukonfiguration folgen. Sie lassen sich in allen Aspekten menschlichen Handelns finden, und nicht nur in territorialen Entgrenzungsprozessen, zu denen etwa Migrationen, Landnahmen, Entdeckungsreisen oder Eroberungszüge gehören. So zeigen sie sich auch in religiösen Praktiken und Vorstellungen, auf soziokultureller Ebene oder auf dem Gebiet der Wirtschaft. Die Vielschichtigkeit der Entgrenzungsbewegungen drückt sich derzeit wohl am prägnantesten in der „Globalisierung“ genannten Tendenz zur grenzenlosen Vernetzung aller relevanten Felder von Wirtschaft, Politik und Kultur aus, deren Dynamik seit dem späten 20. Jahrhundert prägend geworden ist. De facto sind Entgrenzungsbewegungen jedoch schon sehr viel länger nachweisbar, etwa in der antiken Vorstellung der „oikumene“ oder der chinesischen Vorstellung des „tiänshia“ („Alles unter dem Himmel“).
Eine komplementäre Bewegung zu Entgrenzungsprozessen stellt die Regionalisierung dar. Die Region fasst Orte und Aktivitäten, die als zusammengehörig empfunden werden, in einem mentalen und praktischen Interaktionsfeld zusammen und stattet sie mit „scharf bewussten Grenzen“ (Simmel) aus. Deutlich wird hier, dass die Konstruktion eines Zusammengehörigkeitsempfindens in enger Relation nicht nur zu Ab-, sondern auch zu Ausgrenzungsmechanismen steht. Das hier zu Grunde liegende Regionskonzept ist nicht nur geografisch zu denken, sondern ebenso kulturell, sozial oder ökonomisch. „Regionen“ dieser Art sind Solidarisierungen und stehen Entgrenzungen entgegen; sie versuchen, die ihnen zugehörigen Orte an sich zu binden und „Gemengelagen“ am besten auszuschließen. Häufig sind Regionalisierungsprozesse mit Konfliktsituationen verbunden, in denen sich verschiedene „Regionen“ gegenüberstehen. Hier können die Weltregionen beispielhaft genannt werden, die durch Zuschreibung bestimmter Merkmale (geografisch, kulturell usw.) als eindeutig abgrenzbar konstruiert werden. Beruht Entgrenzung auch auf „schöpferischer Zerstörung“, dann beruht Regionalisierung auch auf „schöpferischer Erfindung“ von Einheiten verschiedener Art und ihrer Abschließung.
Das Paradigma von Entgrenzung und Regionalisierung als Träger historischer Dynamik ist dabei gleichermaßen makro- wie mikrohistorisch gültig. Entsprechende Phänomene zeigen sich in menschlichen Kleingruppen ebenso wie in Institutionen oder ganzen Gesellschaften. Gleichermaßen ist das Paradigma weder epochen- noch kulturgebunden. Gleichwohl sind dessen jeweilige Ausprägungen grundlegend historisch geprägt und von der jeweils gegebenen kulturellen Konfiguration abhängig. Die Vortragsreihe soll die Wirkmächtigkeit des Paradigmas erproben und dabei zugleich untersuchen, wie historisch spezifische Regionalisierungskonzepte in Verknüpfung mit Entgrenzungsbestrebungen entstehen und verwirklicht werden. Das Programm verdeutlicht die weltumspannende Wirkkraft von Entgrenzungs- und Regionalisierungsprozessen und betont zugleich deren Vielfalt.

Programm

Mittwoch, 16. April 2008
Die Welt der Geschichte und die Provinzen der Historiker: Zum Eingrenzen, Ausgrenzen und Entgrenzen in der
(Geschichts-) Wissenschaft
Birgit Schäbler (Universität Erfurt)

Montag, 21. April 2008
Scale. Die Raumdimensionen sozialer Ungleichheit
Martina Löw (TU Darmstadt)

Mittwoch, 7. Mai 2008
Lateinamerika. Zur Begriffsgeschichte einer abgrenzenden Integration in die Weltgesellschaft
Peer Schmidt (Universität Erfurt)

Mittwoch, 14. Mai 2008
Transnationale Gesellschaften, transterritoriale Nationen. Emigrationspolitiken im jugoslawischen Raum im 20. Jahrhundert
Ulf Brunnbauer (Universität Regensburg)

Mittwoch, 21. Mai 2008
American Perspectives on the Creation of Israel
Michelle Mart (Penn State University)

Dienstag, 27. Mai 2008 (D 08)
Borders But Not Boundaries: Some Thoughts on the Peculiar Global Status of Qatar and the Emirates
Roger Owen (Harvard University)

Mittwoch, 4. Juni 2008
Grenzen der Freundschaft im Staatssozialismus: Schmuggel, Gulaschsuppe und Kulturtransfer
Jerzy Kochanowski (Universität Warschau)

Mittwoch, 11. Juni 2008
„Grenzübergangsstellen“: Deutsch-deutsche Praktiken bis 1990
Alf Lüdtke (Universität Erfurt)

Mittwoch, 18. Juni 2008
Engelbert Kämpfer und die Erfindung der Abschließung Japans
Reinhard Zöllner (Rheinische-Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)

Mittwoch, 25. Juni 2008
Das Geographische Syrien zur Zeit der Osmanenherrschaft: Grenzen und historiographische Probleme
Thomas Philipp (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)

Mittwoch, 2. Juli 2008
Griechen und Römer: Ein schwieriges Verhältnis
Ulrich Gotter (Universität Konstanz)

Mittwoch, 9. Juli 2008
Geistliche und weltliche Grenzen – die Anfänge der Landesherrschaft im hohen Mittelalter
Karl Heinemeyer (Universität Erfurt)

Kontakt

Petra Meersteiner
petra.meersteiner@uni-erfurt.de,
Telefon: 0049-361-737-4410

http://www.uni-erfurt.de/nordamerika/veranstaltungen.html
Redaktion
Veröffentlicht am
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
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