Urbs Incensa - Ästhetische Transformationen der brennenden Stadt in der Frühen Neuzeit

Urbs Incensa - Ästhetische Transformationen der brennenden Stadt in der Frühen Neuzeit

Veranstalter
Selbständige Nachwuchsgruppe „Das wissende Bild. Epistemologische Grundlagen profaner Bildlichkeit vom 15.-19. Jahrhundert“. Kunsthistorisches Institut in Florenz, Max-Planck-Institut http://www.daswissendebild.de SNF-Forschungsprojekt „Von der Präsentation zum Wissen. Athanasius Kircher und die Sichtbarmachung der Welt“. Universität Luzern, Historisches Seminar http://www.unilu.ch/kircher
Veranstaltungsort
Harnack-Haus
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
25.09.2008 - 27.09.2008
Von
Hole Rössler

URBS INCENSA
ÄSTHETISCHE TRANSFORMATIONEN DER BRENNENDEN STADT
IN DER FRÜHEN NEUZEIT

Internationale Fachtagung
Berlin, 25.-27. September 2008

Stadtbrände gehören zu den eindringlichsten Erfahrungen der Gefährdung und Fragilität der materiellen und auch ideellen Grundlagen menschlicher Existenz. Es ist daher kaum verwunderlich, dass Brandkatastrophen seit der Antike ein wichtiges Motiv der Künste darstellen, in dem sich ebenso kollektive Ängste und religiöse Anschauungen wie ästhetische Haltungen spiegeln. Die in den literarischen, bildlichen und dramatischen Werken sich ausdrückenden Wahrnehmungsweisen – von der göttlichen Strafe bis zum erhabenen Spektakel – geben dabei immer auch Auskunft über die jeweilige Selbstpositionierung des Menschen gegenüber den zerstörerischen Elementarkräften.
Mit den legendären Zerstörungen von Sodom und Gomorrha, Troja und Rom gehören Stadtbrände zum imagologischen Grundbestand der europäischen Kulturen, an dem die Darstellungen realer Ereignisse wie etwa des großen Feuers von London im Jahre 1666 ihre gestalterischen Vorgaben und ihren dramaturgischen Maßstab finden. So greifen gelehrte Autoren wie Erasmus von Rotterdam in ihren Schriften immer wieder auf die Topoi antiker oder biblischer Brände zurück, variieren diese aber zugleich auf bedeutsame Weise. Maler und Kunsttheoretiker wie Cristoforo Sorte, Gian Paolo Lomazzo oder Carel van Mander distanzieren sich zunehmend von klassischen Interpretationsvorgaben und sehen im Ereignis immer auch die Möglichkeit zum künstlerischen Bravourstück.
An diesem Spannungsverhältnis von Tradition und Innovation als Folge katastrophischer Ereignisse wird die Tagung ansetzen. Anhand seiner künstlerischen Transformationen in der Frühen Neuzeit sollen die politischen, religiösen, sozialen, ökonomischen, medialen und ästhetischen Dimensionen der Wahrnehmung des Stadtbrandes untersucht werden. Damit rückt nicht zuletzt das jeweilige Wechselverhältnis von Realereignis und den Möglichkeiten und Zielsetzungen seiner „Sichtbarmachung“ innerhalb einer historischen Formation in den Blick. Gefragt wird also nach den „Bildern“, die sich eine Kultur von der realen, befürchteten und fiktiven Zerstörung des urbanen Lebensraumes macht und welche Sinnstiftungsstrategien den jeweiligen Formen der Darstellung zugrunde liegen. Von welchen Strategien des Umgangs und der Bewältigung von Kontingenz und Gewalt der Katastrophe zeugen ihre poetischen, ikonischen und dramatischen Umsetzungen nicht zuletzt auch im Vergleich mit amtlichen Stellungnahmen und privaten Aufzeichnungen? In welchem Wechselverhältnis stehen militärische, kriminelle, fahrlässige, natürliche oder übernatürliche Ursachen des Stadtbrandes zu kanonischen Deutungsangeboten?
Das Ziel dieser Tagung ist, Stadtbrände als kulturhistorisch bedeutsame Phänomene zu begreifen, an deren ästhetischen Transformationen sich die relevanten Wahrnehmungs- und Darstellungsweisen einer Zeit in herausragender Weise niederschlagen.

Programm

Donnerstag, 25. September

14:00 MICHAEL THIMANN / LUCAS BURKART
Begrüßung

14:15 FRANZ MAUELSHAGEN (Zürich)
Das Spiel mit dem Feuer. Die frühneuzeitliche Stadt als Gefahrenzone

15:00 KAY PETER JANKRIFT (Stuttgart)
Unglückliche Zufälle, Achtlosigkeit und Mord. Brände im Spiegel spätmittelalterlich-frühneuzeitlicher Chroniken der Reichsstadt Augsburg

15:45-16:00 Pause

16:00 MARIE LUISA ALLEMEYER (Göttingen)
„Wenn der liebe Gott einen Hauss Wirth mit Feuers Brunst heimsucht.“ Zur Deutung und Darstellung von Stadtbränden in obrigkeitlichen, technischen und genossenschaftlichen Schriften der Frühen Neuzeit

16:45-17:00 Pause

17:00 CHRISTOF BAIER (Berlin)
„verjuengt und verschoent aus ihrer Asche“. Die ‚professionelle‘ Wahrnehmung des Stadtbrands durch die preußische Bürokratie im 18. Jahrhundert

17:45 CORNEL ZWIERLEIN (Bochum)
Die Alltäglichkeit der Großbrandgefahr und die Bedeutung visueller Affektsteuerung in der Geschichte von Brandwahrnehmung und Brandbekämpfung

18:30-19:00 Pause

19:00 Abendvortrag
WERNER BUSCH (Berlin)
Turner und der Brand des Londoner Parlaments

Freitag, 26. September

10:15 VERA FIONIE KOPPENLEITNER (Florenz)
Etiam periere Ruinae. Realereignis und Bildtradition in Stadtbranddarstellungen der Frühen Neuzeit am Beispiel des Großen Brands von London 1666

11:00 HANA GRÜNDLER (Florenz)
„Ardentissimo fuoco“ und „timor della morte“. Raffaels Borgobrand und andere Katastrophen in Vasaris ‚Vite‘

11.45-12:00 Pause

12:00 MARTIN PAPENBROCK (Karlsruhe)
Das „Brennende Troja“ in den Bildern von Pieter Schoubroeck. Zur Revision des Vaterlandsbegriffs in Kunst und Philosophie um 1600

12:45-14:30 Mittagspause

14:40 CHRISTINE GÖTTLER (Seattle, WA)
Mordende Frauen: Gillis Mostaerts ,Brennende Stadt‘

15:15 SUSAN DONAHUE KURETSKY (Poughkeepsie, NY)
Saving Amsterdam: Jan van der Heyden (1637-1712) and the Art of Firefighting

16:00-16:15 Pause

16:15 JÖRG TREMPLER (Florenz)
Pierre-Jacques Antoine Volaires ‚Brennender Palast in Rom‘ von 1769

17:00 HEINER KRELLIG (Venedig)
Francesco Guardi. Der Brand im Öllager von San Marcuola, Venedig 1789

17:45-18:30 Pause

18:30 Abendvortrag
JOCHEN BERNS (Marburg)
Feuerwerk und Feuerwehr. Techniken der Inszenierung und Domestikation von Stadtbränden in der Frühen Neuzeit

Samstag, 27. September

9:00 HOLE RÖßLER (Luzern)
Theaterbrände. Brennende Architektur auf den Bühnen der Frühen Neuzeit

9:45 VOLKER SCHERLIESS (Lübeck)
„Il campidoglio è acceso“ oder: Musikalisches Feuer. Zu einigen Opern des 17. und 18. Jahrhunderts

10:30-10:45 Pause

10:45 CHRISTOPH HEYL (Frankfurt a.M.)
God’s Terrible Voice in the Citty. Anmerkungen zur Rezeption des Great Fire of London (1666)

11:30 MARIAN FÜSSEL (Giessen)
Zwischen Schauspiel und Information. Zur Visualisierung von brennenden Städten im Siebenjährigen Krieg

12:15 Abschlussdiskussion

Kontakt

Hole Rössler

Historisches Seminar, Universität Luzern

hole.roessler@unilu.ch

http://www.unilu.ch/kircher