Jede politische Ordnung steht vor dem zentralen Problem, dass sie einerseits Einheit bilden muss, um Stabilität und Handlungsfähigkeit zu garantieren, andererseits immer mit sozialer und kultureller Vielheit konfrontiert ist, die sich bisweilen nur schwer mit den Ansprüchen der Einheitskonstruktionen vereinbaren lässt. Gerade die Vermittlung zwischen Einheit und Vielheit wird vor diesem Problemhorizont zu einer grundlegenden Frage politischen Denkens. Föderalistische Modelle politischer Ordnung basieren in ihrem Selbstverständnis explizit auf einer derartigen Vermittlung von Einheit und Vielheit und nähren sich dabei von einer reichen intellektuellen Tradition, die in verschiedensten Disziplinen Ausprägungen fand. Von den theologischen Versuchen in der Trinitätslehre Einheit und Dreiheit gleichzeitig zu behaupten, über die Monadenlehre Leibniz’ in der Philosophie bis hin zu den verfassungsrechtlichen Debatten des 19. Jahrhunderts oder zur aktuellen Frage der europäischen Integration hat die Frage nach den Vermittlungsmodellen von Einheit und Vielheit stets zu komplexen Problemstellungen und Lösungsansätzen Anlass gegeben. Diese intellektuellen Traditionsbestände zu identifizieren und zu aktualisieren, sowie ihre historischen Politisierungspfade zu rekonstruieren, macht sich ein am 2. Oktober 2009 vom Departement für Zeitgeschichte organisierter und im Rahmen des Interdisziplinären Programms „Katholische Studien“ unter der Schirmherrschaft des Hochschulrates der Universität Fribourg stattfindender Workshop zur Aufgabe.
Siegfried Weichlein (Fribourg) wird einleitend das Problem der Einheit in der Vielheit in der historischen Föderalismusdiskussion erörtern; Christof Mandry (Erfurt) wird sich aus theologisch-ethischer Perspektive dem Tagungsthema nähern; Marcus Llanque (Augsburg) wird am Beispiel von Hermann Hellers politischer Theorie die Relevanz derartiger Vermittlungsmodelle aus der Sicht der politischen Ideengeschichte nachzeichnen; Harald Bluhm (Halle-Wittenberg) wird die Philosophie Leibniz zum Ausgangspunkt nehmen, um die Wirkungsmacht von Vermittlungsmodellen zwischen politischer Ordnung und Individualität in der deutschen Aufklärung zu diskutieren; Martin Brüske (Fribourg) wird anhand der Debatte zwischen Erik Peterson und Carl Schmitt der Frage nach gehen, wie die theologischen Diskurse um Monotheismus und Trinitätslehre auf die Konstruktion von politischer Ordnung Einfluss nahmen.