Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Ökonomische, soziale und gewerkschaftliche Aspekte

Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Ökonomische, soziale und gewerkschaftliche Aspekte

Veranstalter
Centro Studi Ettore Luccini (Padua - Italien)
Veranstaltungsort
Ort
Padova, Italien
Land
Italy
Vom - Bis
28.02.2010 -
Deadline
28.02.2010
Website
Von
David Celetti

Seit den sechziger Jahren erwirkte die Arbeiterschaft – zumindest in den großen Unternehmen – dank zäher Tarifverhandlungen nicht nur eine unzweifelhafte Verbesserung der eigenen Lohn- und Arbeitsbedingungen in den Fabriken. Sie nahm auch insgesamt Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft hin zu wachsender Gleichheit und erweiterten bürgerlichen Rechten, so dass der Industriearbeit mit dem Konzept der „zentralen Rolle der Arbeiterklasse“ eine emanzipatorische Funktion zugeschrieben werden konnte. Damit war gemeint, dass diese Klasse aufgrund ihres wachsenden politischen und tarifpolitischen Einflusses in der Lage war, den Aufbau einer Gesellschaft und einer Wirtschaft anzustoßen, die nicht nach den Bedürfnissen des Kapitals, sondern des Menschen eingerichtet wurden.

Gerade in diesen Jahren erhielt die Frage der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz Bedeutung. Ebenso gewann die Frage der Schädlichkeit vieler Industriearbeiten, die ohne die notwendigen Kontrollen und Vorsichtsmaßnahmen ausgeführt wurden, für die Bevölkerung an Relevanz. Beide setzten sich als grundlegende Elemente sowohl eines Arbeitsverhältnisses jenseits der Logik maximaler Ausbeutung als auch der Ansiedlung von Produktionsanlagen im Lebensumfeld der Menschen durch.
Seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre hat sich trotz der erhöhten sozialen Sensibilität für diese Themen vieles verändert. Der Abbau oder die Verlegung ganzer Industriegebiete, die kapitalistische Restrukturierung nach dem Vorbild der flexiblen Industrie, die sich in eine Unmenge von kleinen und Kleinstfabriken und ein unendliches Netz von Unterlieferanten auffächert, und die unbegrenzte Mobilität der Produktionsinvestitionen jenseits der nationalen Grenzen haben die Tarifkraft der Arbeiter sowie die tatsächliche Kontrolle der unternehmerischen Entscheidungen durch die Zivilgesellschaft stark beschränkt.

Die unaufhörlichen Verhandlungen zur Absenkung von Löhnen, Rechten und Arbeitsbedingungen in den letzten dreißig Jahren und der Druck, welcher auf die Gemeindeverwaltungen und die nationalen Regierungen ausgeübt wird, den Verbleib von Produktionsstätten auf dem lokalen oder nationalen Territorium mit vielfältige Konzessionen zu „erkaufen“, haben auch die Achtung vor Gesundheit und Sicherheit als absoluten Gütern ohne Warencharakter beschädigt.
Die ständige Zunahme des Arbeitsrhythmus, die Anwendung von Produktions- und Organisationstechniken, die immer größere Aufmerksamkeit und Vorsicht erfordern, sowie die Praxis der Auftragsweitervergabe in fast allen Industriesektoren haben die Anwendung der formell fortschrittlichen, in ihrer Wirksamkeit aber durch mangelnde Kontrollen und unwirksame Sanktionen eingeschränkten Gesetzgebung extrem erschwert.

Alle Interessierten sind eingeladen, Vorschläge für Beiträge einzureichen, die sich diesem Thema und seinen vielfältigen Facetten analytisch nähern und zu diesem Zweck “Gedächtnisquellen” (Tagebücher, Interviews, Autobiographien, Briefwechsel….) heranziehen. Auch der Bezug auf verschiedene nationale Kontexte ist erwünscht. Folgende Themen können berücksichtig werden:

- Personen und Erfahrungen mit persönlichem, gewerkschaftlichem und parlamentarischem Einsatz im “Kampf um die Gesundheit” (Lebensgeschichten einzelner Arbeiter, Ärzte, Gewerkschaftler, politischer Exponenten, die sich für die Verbesserung von Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie für den Schutz der Zivilbevölkerung vor schädlichen Auswirkungen bestimmter Verarbeitungsverfahren eingesetzt haben);

- Rekonstruktion von “Unternehmensgeschichten” und “Arbeitsgeschichten” mit Fokus auf wichtige Problemen hinsichtlich Gesundheit und Arbeitschutz (Fallstudien zu Unternehmen oder homogenen Arbeitergruppen, die von Gefahren für Gesundheit und Sicherheit, von Berufskrankheiten, von besonders schweren oder häufigen Unfälle betroffen sind);

- Arbeit und Berufskrankheiten (Erforschung der Prozesse der Sensibilisierung und Bewusstwerdung von Arbeitern, Gewerkschaften und der öffentlichen Meinung für Berufskrankheiten, die mit besonderen Arbeitsverfahren verbunden sind, wie z.B. Asbestverarbeitung, sowie Erforschung der Maßnahmen, die zur Eindämmung bzw. Beseitigung der Gefahr getroffen werden, einschließlich ihrer tatsächlichen Wirksamkeit und der ökonomischen, technischen und politischen Hindernisse für Prävention und Arbeitschutz);

- Auswirkungen des Gesetzes 626/1994 (Grundlagen, Auswirkungen, Perspektiven der neuen Gesetzgebung zur Gesundheit und zur Sicherheit am Arbeitsplatz und ihrer folgenden Ergänzungen);

- Einfluss besonderer Verarbeitungstechniken auf das Betriebsumfeld und Beziehung zwischen “Gesundheit im Betrieb” und “Sicherheit” des Betriebsumfeldes (Fälle von Umweltgefährdung durch Industrieproduktion mit besonderer Berücksichtigung der Risikowahrnehmung durch die Bevölkerung, der Information, der effektiven Aktionsmöglichkeiten gegenüber den Betriebseigentümern);

- Risikowahrnehmung der Arbeitnehmer (Risikobewertung der unmittelbar betroffenen Personen, Analyse der Möglichkeiten zur Risikoverminderung, (auch subjektive) Grenzen der Anwendung von individuellen Arbeitsschutzmaßnahmen, Umfang der Kontrolle des Produktionsprozesses zum Zweck höherer Sicherheit);

- Arbeitsunfälle und Druck zur Produktivitätssteigerung (Beziehung zwischen direkter oder wahrgenommener Forderung einer Produktivitätssteigerung, übertriebener Arbeitsbelastung, Einschränkung der Pausen, …. und einem erhöhten Risikos am Arbeitsplatz, mit besonderer Berücksichtigung der Verantwortung von Unternehmern, Führungskräften, Vorgesetzten);

- post-fordistische Umgestaltung der Produktion und Arbeitsunfälle (Beziehung zwischen Arbeitsunfällen und der Umgestaltung der Fabrik in kleine und sehr kleine verstreute Einheiten, Outsourcing, Produktionsorganisation über Auftragsweitervergabe);

- Mutterschaft und Arbeit (Stellung der Frau am Arbeitsplatz mit besonderer Berücksichtigung des Arbeitsschutzes während der Schwangerschaft);

- Rolle, Grenzen und Perspektiven der Arbeitsmedizin (Chancen und Grenzen eines effizienten Einsatzes des Arztes am Arbeitsplatz zwischen gesetzlichen Bestimmungen und unternehmerischer Einflussnahme).

Interessierte senden bitte bis zum 28. Februar 2010 einen abstract (zwischen 3000 und 4000 Zeichen) in italienischer, französischer, deutscher oder englischer Sprache, zusammen mit dem vollständig ausgefüllten Formular (im Anhang dieses Call for paper) an folgende E-Mail-Adresse:
rivista@centrostudiluccini.it.

Die Auswahl der Exposés (auf italienisch, französisch, deutsch oder englisch) erfolgt bis zum 30. März 2010; die ausgearbeiteten Beiträge sollten bis zum 30. Juni 2010 eingereicht werden.
Der Direktor
Giorgio Roverato
Der Herausgeber
David Celetti

Programm

Kontakt

David Celetti

Universität Padua (Italien)

00393478191077 - 00390498278558

david.celetti@unipd.it